
Als das Herzzentrum in Lahr vor 28 Jahren öffnete, verbanden sich damit die Hoffnungen einer ganzen Region. Spitzenmedizin und wichtige Impulse für das Lahrer Kreiskrankenhaus waren das Mindeste, was man sich erhoffte in einer Gegend, die durch den Abzug der kanadischen Streitkräfte in vielerlei Hinsicht ausgeblutet war. Jetzt fragen sich die Lahrer bang, welche Zukunft die Einrichtung erwartet.
Der Ortenaukreis, größter kommunaler Klinikbetreiber im Südwesten, verhandelt mit dem Eigentümer Mediclin mit Sitz in Offenburg über den Kauf des Herzzentrums. Und es ist längst nicht gesichert, dass das Haus bei einem erfolgreichen Abschluss der Gespräche auch in Lahr bleibt.
Da steht schnell die Frage im Raum, ob am Ende nicht die gesamte Agenda 2030 aus dem Takt kommt, das milliardenteure Reformvorhaben, das dem Kreis bis 2030 eine entschlackte Kliniklandschaft verschaffen soll.
Kommt die Herzchirurgie nach Offenburg?
Landrat Frank Scherer (parteilos) schließt nicht aus, dass der Schwerpunkt Herzchirurgie nach Offenburg verlegt werden muss, falls und wenn die politischen Vorgaben keine andere Möglichkeit lassen: „Es wird um die Frage gehen, in welchem Zentrum dürfen wir welche Leistung überhaupt noch anbieten“, sagt er.
Für Lahr wäre das ein schwerer Schlag. Und es würde die Querelen der vergangenen Monate erklären, als aus der südlichen Ortenau sogar der Neubau in Achern in Frage gestellt worden war.
Wir müssen Ende des ersten Quartals 2023 eine Beschlusslage haben.Frank Scherer, Landrat
Lahr werde nicht als Verlierer dastehen. Es gehe darum, wie das Portfolio des Ortenau Klinikums künftig austariert werden kann, sagt Scherer. Klarheit soll sehr bald herrschen: „Wir müssen Ende des ersten Quartals 2023 eine wie auch immer geartete Beschlusslage haben“.
Die Situation ist auf den ersten Blick widersinnig. Mit der Agenda 2030 hat der Ortenaukreis in Oberkirch, Gengenbach und Ettenheim in den vergangenen beiden Jahren bereits drei Kliniken dicht gemacht. Die Wunden sind noch nicht verheilt, und da denkt man über den Kauf eines weiteren Krankenhauses nach.
Genau genommen sogar über zwei Häuser, denn auch die ebenfalls von der Offenburger Mediclin betriebene psychiatrische Klinik an der Lindenhöhe steht auf der Einkaufsliste des Kreises. Ein Haus, das unlängst wegen Personalmangels sogar eine wichtige Abteilung schließen musste.
Was wird aus der Agenda 2030?
Würde der Zukauf die Pläne für die Agenda 2030 über den Haufen werfen? Welche Auswirkungen hätte eine Entscheidung auf die Standorte Achern und Wolfach? Und wie will der Kreis, der mit seiner Klinikreform bereits eine Milliardenlast schultert, den Kauf der beiden Häuser überhaupt finanzieren?
Im Blick auf die laufenden Verhandlungen bleibt Landrat Scherer noch eher unbestimmt, auch was die möglichen Optionen für Offenburg und Lahr betrifft. Also zum Beispiel zur Frage, ob der de-facto-Neubau in Lahr am ungünstig gelegenen aktuellen Standort nicht doch noch gestrichen wird und auch im Süden, an geeigneter Stelle, eine komplett neue Klinik entsteht.
Nahe an der Autobahn idealerweise. Ein Standort, für den man sich mit einem Herzinfarkt-Patienten nicht erst durch die gesamte Lahrer Innenstadt quälen muss zum Beispiel. Und was geschieht mit Offenburg, wo der Entwurf für den Neubau eigentlich steht? Könnte das Haus die Herzchirurgie aufnehmen? Müsste nochmals geplant werden?
„Für den Fall, dass wir zusammenkommen, werden die Grundfesten der Agenda 2030 nicht in Frage gestellt“, versichert der Landrat. Er ergebe sich „lediglich eine weitere Option“. Wie die dann aussieht, das wird auch von Berlin abhängen.
Denn die erst schemenhaft deutlich gewordenen Pläne von Gesundheitsminister Karl Lauterbach zur Reform der Klinikfinanzierung rütteln offenbar stärker an den Grundfesten der Agenda 2030, als man bisher annehmen musste. „Wenn Herr Lauterbach seine Pläne konkretisiert, muss ich gegebenenfalls die Herzchirurgie doch nach Offenburg tun“, sagt der Landrat. Wenn sie aber in Lahr bleibe könne, dann werde man dem Kreistag diese Variante vorschlagen.
Hat der Kreis die nötigen Mittel, um zwei Krankenhäuser zu kaufen? „Das ist eben die Frage, wie wirtschaftlich so ein Kauf ist“. Er werde nur Vorschläge machen, die finanziell auch darstellbar sind, sagt der Landrat. Dies sei Gegenstand der geraden laufenden Verhandlungen.