Historisches Stadtbad Straßburg: Bürgerinitiative kämpft für öffentliche Nutzung
Das Stadtbad Straßburg ist ein berühmtes deutsch-französisches Baudenkmal. Die Privatisierung des Badebetriebs und Büros im medizinischen Flügel bedrohen die öffentliche Zugänglichkeit. Eine Bürgerinitiative macht mobil.
Deutsch-französisches Baudenkmal: Das Stadtbad Straßburg vor dem Ersten Weltkrieg nach Plänen des deutschen Architekten Fritz Beblo in der Hauptstadt des damaligen Reichslandes Elsass-Lothringen erbaut.
Foto: Alexandre Kostka
Zwei Professoren der Straßburger Universität sind besorgt. Der Kulturhistoriker Alexandre Kostka und der Germanist Andreas Häcker engagieren sich für den Erhalt des denkmalgeschützten Stadtbades in Straßburg und haben unter dem Vorsitz von Kostka die Bürgerinitiative „Freunde des Stadtbades“ gegründet.
„Das Stadtbad ist ein deutsch-französisches Denkmal“, sagt der Kulturhistoriker. Es wurde vor dem Ersten Weltkrieg nach Plänen des deutschen Architekten Fritz Beblo in der Hauptstadt des damaligen Reichslandes Elsass-Lothringen erbaut und gehört zu den bedeutendsten Badeanstalten dieser Epoche in Europa. Noch dazu ist es eine der am besten erhaltenen.
Das Stadtbad, das sich im Besitz der Kommune befindet, wurde im Sommer 2018 geschlossen. Seitdem laufen die umfangreichen Sanierungsarbeiten mit einem Gesamtvolumen von mehr als 33 Millionen Euro. Die große und kleine Schwimmhalle, die ursprünglich für Männer beziehungsweise Frauen reserviert waren, stehen kurz vor der Fertigstellung.
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Badeanstalt zu einer wichtigen Bauaufgabe. Wesentliche Impulse gingen von der ersten Industrienation England aus, wo die hygienischen Bedingungen in den Arbeiterquartieren verheerend waren. 1842 wurde die erste Volksbade- und Waschanstalt in Liverpool eröffnet, zu der neben Wannen-, Dampf- und Einzelbädern auch zwei relativ kleine Schwimmbecken gehörten.
Schwimmbäder gab es in den Badeanstalten zu Beginn des 19. Jahrhunderts zunächst meist nicht. Im deutschsprachigen Raum nahm Österreich eine Vorreiterrolle ein. Das Dianabad in Wien, ursprünglich ausschließlich ein Reinigungsbad, wurde 1841 bis 1843 von Karl von Etzel und Friedrich Ludwig Förster um ein Schwimmbad erweitert.
Gemeinsam mit den Reinigungs- und Schwimmbädern wurden auch die Heißluft- und Dampfbäder wiederentdeckt. Die russischen Dampfbäder lernten die französischen Truppen und ihre Verbündeten während des Russland-Feldzugs Napoleons 1812 kennen. Im Krimkrieg (1853-56) hatten Soldaten aus Westeuropa Kontakt zu den aus der antiken römischen Thermenkultur entstandenen türkischen Bädern.
Die Einführung des türkischen Bades in Westeuropa ist dem britischen Diplomaten David Urquhart (1805-77) zu verdanken. Ebenso wenig wie bei den russischen ging es den Westeuropäern bei den türkischen Bädern um eine genaue Übernahme der Bräuche. Die Architektur- und Therapieformen wurden den westlichen Vorstellungen entsprechend modifiziert. Ein wesentlicher Aspekt war der exotische Anspruch der Bauherren.
Stark beeinflusst von den Ideen Urquharts war der irische Arzt Richard Barter (1802-70), der bereits 1856 in St. Anne’s Hill bei Cork in Irland das erste türkische Bad in Westeuropa einrichtete. Er entwickelte ein spezielles trockenes Heißluftbad. Das erste römisch-irische Bad in Deutschland richtete der Arzt Carl Wilhelm Luther 1860 in Nudersdorf bei Wittenberg ein. Schwierig ist die Begriffsklärung: Einrichtungen, die in England und Frankreich türkische Bäder genannt wurden, erhielten in Deutschland die Bezeichnung römisch-irische Bäder. Dies ist zweifellos ein Tribut an den irischen Arzt, dessen Verdienste auf diese Weise gewürdigt werden sollten.
Das Vierordtbad in Kalrsruhe, das in den Jahren 1871 in 1873 nach Plänen des späteren großherzoglichen Baudirektors Josef Durm entstand, ist eine der ältesten städtischen Badeanstalten in Deutschland und im Gegensatz zu vielen anderen noch in Betrieb. Es wurde durch Heinrich Vierordt gestiftet, was typisch für deutsche Bäder ist. Das Angebot bestand ursprünglich nur aus Wannenbädern und einer Kurabteilung, die der Idee Barters folgt, und wurde erst 1900 durch August Strieder um eine Schwimmhalle erweitert.
Der Bau des Stadtbades in Straßburg in den Jahren 1905 bis 1908 fällt in eine Zeit, in der in vielen deutschen Städten ähnliche Einrichtungen entstanden sind. Wichtige Beispiele sind das im Zweiten Weltkrieg zerstörte außerordentlich prächtige Hohenstaufenbad in Köln (1885 nach einem Entwurf von Joseph Stübben), das Müllersche Volksbad in München (1901 nach Plänen von Carl Hocheder) und die Elisabethhalle in Aachen (1911 nach einem Entwurf von Joseph Laurent). Die Bäder in Aachen und München verfügen, wie in Straßburg, über eine getrennte große und kleine Schwimmhalle für Männer und Frauen, in München gibt es wie in Straßburg auch eine Kurabteilung (Römisches Bad).
Mit seinem künstlerischen Anspruch, seiner Stellung im Stadtbild und den gewaltigen Abmessungen zählt des Stadtbad in Straßburg zu den wichtigsten Badeanstalten der Zeit um 1900. Es wurde von Fritz Beblo im Auftrag der Kommune entworfen. Der aus Breslau stammende Architekt kam nach dem Architekturstudium an den Technischen Hochschulen Charlottenburg (heute TU Berlin) und Karlsruhe 1903 als Stadtbauinspektor nach Straßburg (ab 1910 Stadtbaurat). Nach der Kriegsniederlage 1918 musste er als deutscher Beamter Straßburg verlassen und wechselte als Stadtbaurat nach München.
Die Einflüsse auf den Entwurf Beblos sind vielfältig. Für den zentralen Rundbau der Hauptfassade stand offensichtlich die Rotunde von Schloss Biebrich bei Wiesbaden Pate. Das Raumprogramm wurde durch andere große Badeanstalten des frühen 20. Jahrhunderts beeinflusst, unter anderem durch das kurz vorher entstandene Goseriedebad in Hannover, das 1982 stillgelegt wurde.
Doch auch der Einfluss des Friedrichsbades in Baden-Baden, 1877 nach Plänen von Karl Dernfeld eröffnet, macht sich bemerkbar. Die direkte Konkurrenz der mondänen Kurstadt auf der anderen Rheinseite trug nicht unwesentlich zu den großen Anstrengungen beim Bau des Straßburger Stadtbades bei. Wie Dernfeld orientierte sich Beblo an der Neurenaissance, die für öffentliche Gebäude gerne gewählt wurde, und schuf einen Badepalast. Diese aufwendige Form entstand zunächst in den Kurstädten, um dann auch von Großstädten aufgegriffen zu werden, zunächst durch Stübben in Köln.
In der Kurabteilung, heute in Straßburg „Römisches Bad“ genannt, wird noch gearbeitet. Die Neueröffnung ist im nächsten Jahr geplant, aber unter völlig anderen Vorzeichen als bisher.
Badebetrieb in Straßburg wird privatisiert
„Bis 2018 wurde das Stadtbad von der Kommune betrieben“, berichtet Kostka. „Jetzt hat sie diese wichtige Einrichtung an einen privaten Betreiber verpachtet.“ Dabei handelt es sich um ein großes Bauunternehmen, das einen jährlichen Zuschuss aus öffentlichen Mitteln in Höhe von sechs Millionen Euro erhalten soll.
Zur Petition
Informationen auch in deutscher Sprache gibt es auf der Homepage der Bürgerinitiative. Dort kann man auch die Petition unterschreiben: https://amisdesbains.com
Die Bürgerinitiative sieht das kritisch. Das Eintrittsgeld für den normalen Badebetrieb orientiert sich mit fünf Euro auch in Zukunft an den Eintrittspreisen der anderen kommunalen Schwimmbäder. Das gilt aber nicht für den Wellnessbereich mit dem „Römischen Bad“.
Originale Ausstattung: Das Stadtbad Straßburg gehört zu den am besten erhaltenen Badeanstalten aus der Zeit des Historismus in Westeuropa.
Foto: Alexandre Kostka
Kostka und Häcker gehen dort von Eintrittspreisen in der Größenordnung von mindestens 22 Euro aus. Für normale Gäste werden die beiden Galerien in den Obergeschossen, die einen spektakulären Blick auf die historische Architektur ermöglichen, nicht mehr zugänglich sein. Ihnen bleibt nur das Schwimmen im Untergeschoss.
Großer Sanierungsbedarf: Das Stadtbad Straßburg ist seit 2018 geschlossen.
Foto: Alexandre Kostka
Ein Ärgernis für die Bürgerinitiative ist ebenfalls, dass das Obergeschoss des zweigeschossigen „Römischen Bades“, in dem sich bisher die Ruheräume und die Umkleiden befunden haben, komplett für die Öffentlichkeit gesperrt werden soll. „Das wenig glaubwürdige Argument lautet, dass dieses Stockwerk für Rollstuhlfahrer nicht erreichbar sei“, sagt Kostka.
„Dort werden jetzt Lagerräume für Kosmetika entstehen. Das ist sehr schade, aber damit müssen wir wohl leben.“ Von den denkmalgeschützten drei historischen Duschen würden zwei abgebaut – angeblich, weil die Rohre verstopft seien.
Der dümmste Plan, den ich in meinem Leben gesehen habe.
Alexandre Kostka, Professor für Kulturgeschichte
Mehr als ein Ärgernis ist für Alexandre Kostka und Andreas Häcker die ungewisse Zukunft des medizinischen Flügels. Dort ist geplant, ein Haus für Gesundheitssport einzurichten. Eigentlich sei das eine gute Idee, aber das „Konzept der Technokraten“ für die neue Nutzung bezeichnet Kostka als „den dümmsten Plan, den ich in meinem Leben gesehen habe“.
In einem Aufsatz, den der Kulturhistoriker für den Internetauftritt der Bürgerinitiative „Amis des Bains de Strasbourg“ geschrieben hat, findet er noch deutlicher Worte: „Oben hui, unten Pfui (und links daneben, doppelt Pfui)“.
Zukunft des medizinischen Flügels: Das ist geplant
Um die Aufregung zu verstehen, muss man sich mit Architektur und Geschichte beschäftigen. Der medizinische Flügel ist viergeschossig. Im Erdgeschoss gibt es eine bis 2018 bestehende Therapieabteilung, deren originale Ausstattung aus dem frühen 20. Jahrhundert mit Duschen und Tauchbädern komplett erhalten und unter Denkmalschutz gestellt ist.
Im Geschoss darüber befand sich ein Gymnastikraum, darüber eine zum Zeitpunkt der Eröffnung hochmoderne Zahnarztpraxis für die ärmere Bevölkerung und im Obergeschoss die Wohnung des Direktors der Einrichtung.
In den oberen Stockwerken plant die Stadt nun Büros für den Gesundheitsdienst. Ausgerechnet in der Therapieabteilung sind Räumlichkeiten für eine vorbeugende Gesundheitsgymnastik vorgesehen. Die Duschen und Becken bleiben vor Ort und werden eingehaust. „Viel Platz bleibt da nicht übrig“, sagt Häcker. „Die Räumlichkeiten sind für diesen Zweck völlig ungeeignet.“
Zweisprachig: Der Auszug aus der Badeordnung im Stadtbad Straßburg.
Foto: Andreas Häcker
Die beiden Dozenten schlagen deshalb vor, den ursprünglichen Gymnastikraum ein Stockwerk höher für diese Zwecke zu nutzen. Dafür haben sie eine Bürgerinitiative gegründet und sammeln Unterschriften, ausdrücklich auch auf der deutschen Seite des Rheins. „Immerhin ist es uns gelungen, die ursprünglichen Pläne der Stadt, das Bad zu verkaufen, zu verhindern“, sagt Häcker.
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