Der Ortenaukreis sucht händeringend nach Wohnraum für Flüchtlinge. Nach der Welle der Hilfsbereitschaft nach dem russischen Angriff auf die Ukraine wird es inzwischen immer schwieriger, Unterkünfte für die Menschen zu finden. Der Immobilienmarkt ist leergefegt und die Zahl der neu unterzubringenden Ukrainer steigt rasant an. Jetzt will der Kreis wieder Hallen belegen.
Die Zugänge von ukrainischen Flüchtlingen im Land hätten sich angesichts einer bundesweiten Umverteilung in den vergangenen Wochen mehr als verdoppelt, heißt es aus dem Landratsamt. Der Ortenaukreis gerät dadurch massiv unter Druck. Das Landratsamt hat am Montag angekündigt, jetzt auch wieder Hallen als Notunterkünfte zu belegen.
Dies liegt auch daran, dass die bisherige Unterbringung der Menschen aus der Ukraine in Privatwohnungen an Grenzen stößt. Schon vor Wochen hatte der zuständige Dezernent Michael Loritz gesagt, dass es immer schwieriger werde, noch freie Privatwohnungen zu finden, viele seien zuletzt auch wieder zurückgefordert worden, um sie beispielsweise als Ferienwohnungen zu nutzen – oder weil man sich am Ende doch nicht richtig vertragen hat.
Es kommt zu Konflikten
Betroffen ist nach Angaben des Landratsamts zunächst die Ortenauhalle in Lahr, in der rund 200 Personen schlafen können, sowie die Sporthalle des Mattenhofs in Gengenbach für rund 60 Personen, die beide bereits in der Flüchtlingskrise 2015 genutzt wurden. Die Hallen werden voraussichtlich in drei bis vier Wochen zur Verfügung stehen und sollen nur als Notunterkunft und so kurz wie möglich genutzt werden, so das Landratsamt in einer Pressemitteilung.
Heruntergekommene Objekte zu horrenden Preisen.Michael Loritz, Dezernent
Auch Schülerwohnheime, ehemalige Hotels oder Freizeitheime ziehe man in Betracht. „Gerade in den letzten Wochen verzeichnen wir auch im Ortenaukreis eine stetig zunehmende Zahl an Geflüchteten, insbesondere aus der Ukraine. Mittlerweile übersteigen die Ankünfte sogar die Zuströme in der Flüchtlingswelle 2015“, erklärt Alexandra Roth, Leiterin des Migrationsamts.
Am Wochenende habe sich die Situation nochmals zugespitzt, der Ortenaukreis sei der erste Landkreis im Regierungsbezirk gewesen, der aufgrund der voll belegten Landeserstaufnahmestellen in die Pflicht genommen wurde. Der Kreis musste am vergangenen Wochenende 56 Ukrainer aufnehmen, rund 200 weitere Menschen folgen im Laufe der Woche. Die Menschen seien zunächst in Hotels untergebracht worden.
Zuwanderung nicht als dramatisch wahrgenommen
„Dass wir die Unterbringung angesichts der ohnehin seit Herbst wieder steigenden Zugänge bisher vergleichsweise gut stemmen konnten, lag vor allem daran, dass viele Bürger privaten Wohnraum zur Verfügung gestellt haben“, erläutert Michael Loritz, zuständiger Dezernent im Landratsamt.
Dadurch sei die Zuwanderungswelle in der Öffentlichkeit nicht so dramatisch wahrgenommen worden, obwohl landesweit bereits mehr Flüchtlinge angekommen seien als dies 2015 der Fall war. Private Wohnungsangebote seien mittlerweile ausgeschöpft und mancherorts werde die Aufnahme aufgrund der räumlichen Enge und damit verbundener Konflikte auch beendet, so Loritz.
Deshalb und weil seit Herbst 2021 die Asylbewerberzahlen wieder merklich ansteigen, arbeite der Kreis schon seit Monaten mit Hochdruck daran, neue Plätze zu schaffen und frühere Unterbringungen zu reaktivieren. Das aber ist nicht einfach: „Der Immobilienmarkt ist leergefegt und selbst heruntergekommene Objekte werden zu horrenden Preisen angeboten. Zudem ist die Nachfrage nach Containern immens und auch Handwerker sind nur schwer zu bekommen“, so Loritz.
Um über weitere Strategien der Unterbringung zu beraten, plant das Landratsamt am kommenden Montag, 5. September, einen Austausch mit den Oberbürgermeistern, Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern im Kreis. Auch der Acherner Oberbürgermeister Klaus Muttach hat am Montag einen dramatischen Appell gestartet, weiteren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.