Skip to main content

Lange Tradition

Die Kappelrodecker „Dorfbrätsch“ nimmt erste Hürde zum UNESCO-Kulturerbe

Die Kappelrodecker „Dorfbrätsch“ ist einen Schritt weiter auf dem Weg zum Weltkulturerbe: Das Land hat das Projekt auf die Bundesebene weitergereicht. Was das bedeutet und wie es jetzt weitergeht.

Die Kappelrodecker „Dorfbrätsch“ ist einen Schritt weiter auf dem Weg zum Weltkulturerbe: Das Land hat das Projekt auf die Bundesebene weitergereicht. Was das bedeutet und wie es jetzt weitergeht.
Seit Johannes Moser denken kann, hängt ein Lautsprecher an seinem Fachwerkhaus. Foto: Roland Spether

Die Bewerbung der „Dorfbrätsch“ zur Aufnahme in den Kreis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO hat eine wichtige Hürde geschafft. Denn der gemeinsame Antrag von Kappelrodeck, Müllheim-Hügelheim, Mosbach-Reichenbuch und Buchen-Waldhausen wurde vom Land Baden-Württemberg genau geprüft, für passend empfunden und als einer von vier Vorschlägen an die Bundeskonferenz der Kultusminister weitergeleitet.

Dort gehen alle Vorschläge aus den Bundesländern ein. Nach dem Zeitplan soll diese bis zum 15. Juni eine Vorschlagsliste erstellen und an ein Expertenkomitee übergeben, das die Evaluierung vornimmt und der UNESCO-Kommission Anträge für die Aufnahme in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes vorschlägt.

Bürgermeister gibt Anstoß

„Die Dorfbrätsch hat nicht nur bei uns im Ort Kultstatus, sondern sie wird so langsam auch über die Gemeindegrenzen hinaus zu einem Star“, meinte Bürgermeister Stefan Hattenbach (CDU). Er gab den Anstoß zum gemeinsamen Antrag.

„Die Initiative an sich ist für uns schon ein toller Erfolg, denn erstmals hat sich in Baden-Württemberg ein landesweit einmaliges interkommunales Netzwerk der Gemeinden gebildet, die diese spezielle Aufgabe wahrnehmen. Das ist ein Gewinn und bringt Mehrwert für uns alle.“

Die nun getroffene Entscheidung der „hochkarätig besetzten Landes-Fachjury“ zur Weiterleitung an die Konferenz der Kultusminister bezeichnete er als „Sahnehäubchen“ auf dem bisherigen Weg. Denn „von so viel Wertschätzung und Aufmerksamkeit für unsere Ortsrufanlage hatten wir nicht zu träumen gewagt“, sagte der „Kappler“ Bürgermeister. „Wie hoch unsere Chancen in der nächsten Auswahlrunde sind, lässt sich nicht abschätzen. Wir sind aber wie immer optimistisch.“

Die Dorfbrätsch hat nicht nur bei uns im Ort Kultstatus, sondern sie wird so langsam auch über die Gemeindegrenzen hinaus zu einem Star.
Stefan Hattenbach, Bürgermeister

Dass sich die vier einzigen Kommunen in Baden-Württemberg mit von ihnen genutzten Ortsrufanlagen durchaus Chancen ausrechnen können, ergibt sich aus den deutschen UNESCO-Kriterien.

„Unter Immateriellem Kulturerbe sind Bräuche, Traditionen, Ausdrucksformen, Wissen und Fertigkeiten zu verstehen, die Gemeinschaften, Gruppen und Personen als Bestandteil ihres Kulturerbes ansehen“. Ein solches Kulturerbe müsse sich durch seine lebendige Praxis und Anwendung in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft auszeichnen, so die UNESCO.

Bekanntgaben immer morgens um 11.40 Uhr

Dieses Erbe muss auch von einer Generation an die nächste weitergegeben werden, was in Kappelrodeck bei der seit 1955 aktiven „Dorfbrätsch“ mehr als der Fall ist. Denn wenn pünktlich um 11.40 Uhr laute Fanfaren erklingen, dann steht das Leben in „Kappel“ für kurze Zeit still.

Bürger öffnen ihre Fenster und lehnen sich neugierig heraus, Fußgänger unterbrechen ihre Einkäufe und bleiben stehen, auch Jugendliche stoppen ihre Fahrräder und spitzen ihre Ohren, was aus 260 historischen Lautsprechern „gebrätscht“ wird.

Dann ertönt oft die Stimme des schon kultigen „Rathaus-DJ“ Thomas Weisenbach, auch Auszubildende und Mitarbeiter nehmen diese ehrenvolle Aufgabe gerne wahr, „amtliche Bekanntmachungen“ zu verkünden: Termine für Feste mitzuteilen, Oma Frieda zum 90. Geburtstag zu gratulieren und sorgenvoll mitzuteilen, dass die entlaufene Schildkröte noch immer nicht von ihrem Besitzer abgeholt wurde.

Dass die „Dorfbrätsch“ als Übermittler von wichtigen Sprachnachrichten derzeit angesichts von Unwetter, Katastrophen und Überschwemmungen ganz hoch im Kurs steht, zeigt die Diskussion um die Reaktivierung von Sirenen und deren digitale Aufrüstung, um auch mündlich Warnungen und Hinweise über die Sirenen zu senden.

Deshalb ist die „Kappler“ Ortsrufanlage aktueller denn je und sie vermittelt weithin hörbar, manchmal mit etwas knarrenden Untertönen ein gutes altes Stück „echt Kappel“ und ganz im Sinne der UNESCO-Kriterien eine lebendige Ortsidentität.

nach oben Zurück zum Seitenanfang