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„Goldener Oktober“ bei Minusgraden

Winzer ernten in Kappelrodeck den einzigen Eiswein in der Ortenau – zum ersten Mal seit 2016

Zum ersten Mal seit 2016 hat es geklappt: In Kappelrodeck ernten Winzer sogenannten Eiswein. Was es damit auf sich hat.

Eisweinlese in Kappelrodeck bei Minus 13 Grad - einziger Eiswein in der gesamten Ortenau
Die Oberkircher Winzer ernteten in Kappelrodeck einen Eiswein, weil die Temperaturen am Samstag auf unter zehn Grad fielen. Foto: Roland Spether

Dass die „Hex vom Dasenstein“ kurz vor Weihnachten knirschenden Schnee, klirrende Kälte und tagelangen Dauerfrost in die Rebberge zauberte, kam „Kappler“ Jungwinzern gerade recht. Denn diese in den vergangenen Jahren seltene Wetterlage war der perfekte „Goldene Oktober“ und der exakte Zeitpunkt für die Verantwortlichen der Oberkircher Winzer, um den seltenen Eiswein zu ernten und mit dieser edlen und begehrten Rarität dem 2022er Jahrgang die weinselige Krone aufzusetzen.

Ihre Krone setzte sich tatsächlich die Oberkircher Weinprinzessin Katja Wiegert auf, als sie sich mit zehn Jungwinzern um Daniel Huber und Kellermeister Thomas Hirt in Richtung Dasenstein auf den Weg machte, um warm verpackt und mit bester Stimmung beim Herbsten des Königs der süßen Weine dabei zu sein.

Den vorerst letzten Eiswein ernteten die Kappelrodecker Winzer 2016. Und 2022 sind sie offensichtlich die einzigen im weiten Weinparadies der Ortenau, die bei knackigen Temperaturen von weit unter den notwendigen sieben Grad minus einen Eiswein ernteten.

Den einmaligen „Herbst“ im eiskalten Dezember ließ sich auch Sebastian Hill, geschäftsführender Vorstand der Oberkircher Winzer, nicht entgehen, zumal die Erwartung eines exzellenten Weines in Kombination mit dem morgendlichen Blick über das schneebedeckte Achertal ein nicht alltäglicher Genuss war und schon vor dem Fest für eine tolle Bescherung sorgte.

Wir wollen ein Mostgewicht von mindestens 150 Oechsle.
Thomas Hirt, Kellermeister

Auch Kellermeister Thomas Hirt war begeistert mit der Rebschere unterwegs, zumal er 2015 letztmals bei einer Eisweinernte dabei war. „Bei dem Klimawandel ist es fast nicht mehr möglich, Eiswein zu machen“, erklärte Hirt, der nach der Ernte auch das spezielle Keltern der Trauben im gefrorenen Zustand und die Trennung von Eis und Saft vornahm. „Wir wollen schon ein Mostgewicht von mindestens 150 Oechsle erreichen, ab 128 ist es erst ein Eiswein“, sagte er.

Dass die Oberkircher Winzer in einem Weinberg der „Hex vom Dasenstein“ gezielt auf einen Eiswein hinarbeiteten, war nach Auskunft des Qualitätsmanagers Frank Männle nicht zuletzt aufgrund der unsicheren und zu warmen Wetterlage nicht zu erwarten. „Wenn es in den vergangenen Jahren kalt wurde, dann eher Ende Januar und dann begannen die Trauben zu schimmeln und sie waren nicht mehr zu verwenden.“

In diesem Jahr blieben Spätburgunder-Trauben an 400 Rebstöcken des Winzers Franz Bürk hängen, ohne dass damit ganz besondere Erwartungen verknüpft waren. Denn ein Problem bestand darin, dass die Traubenlese in diesem Jahr früh begann und Anfang Oktober nahezu beendet war, so dass der Abstand bis zu den eisigen Trauben doch relativ groß war, so Männle.

Eiswein-Trauben haben sehr gute Qualität

Doch wie das Traubengut des Herbstes 2022 waren die „Eiswein-Trauben“ gesund und von einer sehr guten Qualität, meinte der Qualitätsmanager, so dass zeitnah nur noch der nötige Kälteeinbruch kommen musste. Der stellte sich dann auch zur Freude der Winzer tatsächlich ein und erreichte Tag um Tag die magischen sieben Grad minus, die den Saft in den Trauben gefrieren lässt und für eine sehr gute Lese des Eisweins sorgt.

Als es sich dann langsam aber sicher abzeichnete, dass die Temperaturen zum Wochenende in Richtung zweistelliger Minusgrade absinken sollten, wurden schnell alle Vorbereitungen zum Keltern getroffen, Erntehelfer aus den Reihen der Jungwinzer zusammengetrommelt und der Lesetermin mit erhofften 100 Litern morgens um 8 Uhr anvisiert.

Kaum waren die Jungwinzer im steilen Rebstück eingetroffen, da ging es auch flugs ans Schneiden, denn die Temperaturen waren ziemlich knackig und deshalb wollten alle schnellstens zum Keltern und vor allem ins Warme und zum Frühstücken in den Winzerkeller.

Eingelagert wurden letztlich 500 Liter Eiswein (1.500 Kilogramm) mit 182 Grad Oechsle. Dass der Eiswein ein altes Kulturgut ist, belegen die Weingeschichte und Zeugnisse der alten Römer. So schrieb Plinius der Ältere im ersten Jahrhundert nach Christus über bestimmte Trauben: „Sie werden nicht eher gelesen, als bis es gefroren hat.“

Die Weinexperten deuten diese Aussage auf eine ganz bewusste und nicht nur zufällige Herstellung von Eiswein hin, wobei diese spezielle Art der Lese bis zur Wiederentdeckung im 18. Jahrhundert in Frankreich in Vergessenheit geriet und wegen des Klimawandels hierzulande kaum mehr möglich ist.

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