Bringt die Bürokratie ein bislang einmaliges Projekt der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zu Fall? In enger Abstimmung mit dem Umweltministerium hatten Akteure von beiden Rheinseiten die Idee vorangetrieben, die Abwärme der Badischen Stahlwerke im Kehler Rheinhafen zur Heizung französischer Haushalte zu nutzen. Jetzt muss das Staatsministerium in Stuttgart dafür sorgen, dass sich nicht zwei Ministerien gegenseitig im Weg stehen.
Das Kehler Vorhaben stößt auf allseitige Zustimmung, brauchen doch die Stahlwerke im Hafen so viel Energie wie die ganzen Stadt Karlsruhe. Das meiste davon verschwindet ungenutzt im Himmel über der Industrieanlage. Jetzt aber ist bei dem 23-Millionen-Projekt gewaltig Sand ins Getriebe geraten: Die Gründung einer binationalen Wärmegesellschaft droht an Bedenken aus Stuttgart zu scheitern. Im Finanzministerium hat man nämlich entdeckt, dass die Gesellschaft nach französischem Recht verfasst wäre – und sich das Land deshalb aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht einkaufen darf.
Unterstützung vom Landesvater
In Frankreich verfolgt man die späten Skrupel auf deutscher Seite – über das Vorhaben wird seit Jahren gesprochen – mit großer Sorge, hatte man doch eigens die Ausschreibung der Nahwärmeversorgung der betroffenen Gebäude aufgehoben, um so den Weg für das binationale Projekt zu ebnen. Doch die so geschaffene Frist läuft in wenigen Wochen ab.
„Wir hätten keine grenzüberschreitende Kinderkrippe und keine Tram, wenn immer alle Staaten auf ihrer jeweiligen Rechtsform beharrt hätten“, warnte der Kehler Oberbürgermeister Toni Vetrano in einer kommunalpolitischen Videokonferenz mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann am Donnerstag. Vetrano warb dafür, dass das Land hier eine Lösung findet: „Es geht um ein Projekt mit unserem Partnerland Nummer eins und nicht um eine Wasserleitung in Abu Dhabi“. „Ich werde alles tun, dass das hinhaut“, so Kretschmann, derzeit sei das Vorhaben in Abstimmung zwischen Staatsministerium, Umweltministerium und Finanzministerium.
Sperrminorität für deutsche Seite
Das Thema schwelt seit geraumer Zeit. Auch die Präsidentin der Eurométropole Straßburg, Pia Imbs, hat sich schon an den Ministerpräsidenten gewandt. An der Gesellschaft sollen sich auf deutscher Seite die Stadt Kehl und das Land beteiligen, angestrebt ist eine Sperrminorität von 25 Prozent. Das ist alles ausverhandelt, die Statuten sind fertig, die finanziellen Anteile besprochen. Jetzt hängt es am Finanzministerium.
Mit der Abwärme der Stahlwerke könnten im ersten Anlauf 4.500 Haushalte in Straßburg versorgt werden, auch ein Pellethersteller im Hafen sowie weitere Einrichtung auf der deutschen Seite würden profitieren. Im Mai 2019 hatten sich die Partner auf eine Absichtserklärung geeinigt. Die neue Straßburger Stadtregierung will an dem Vorhaben ihrer Vorgänger festhalten.