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Klimalauf

Für Freundschaft und Klima: Deutsche und Franzosen sammeln gemeinsam Müll

Seit 60 Jahren ermöglicht das Deutsch-Französische Jugendwerk Begegnungen zwischen den beiden Ländern. Aus alten Feinden sind gute Freunde geworden, die sich gemeinsam engagieren.

Zwei Grundschüler sammeln Müll am deutschen Rheinufer in Kehl. Im Hintergrund ist Straßburg zu sehen. Das Projekt zur Vertiefung der deutsch-französischen Beziehungen wurde anlässlich des 60. Geburtstags der Elysée-Verträge gestartet.
Eifrig dabei: Nathanël und Arsène aus einer Grundschule in Lingolsheim nehmen am Klimalauf des Deutsch-Französischen Jugendwerks teil. Foto: Sibylle Kranich

Für Léon ist die Sache klar: „Ich hasse Müll“, sagt der kleine Elsässer und packt beherzt zu. Ein alter Fahrradschlauch, leere Trinktütchen und Kronkorken in allen Farben lässt er Stück für Stück in einem gelben Müllsack verschwinden.

Seine Klassenkameradin Emi kümmert sich derweil um die Zigarettenkippen, die Spaziergänger auf dem Rheindamm einfach in Richtung Fluss geschnippt haben. Die PET-Flasche, in die sie die Stummel fallen lässt, ist schon fast voll. „C’est dégueulasse“, sagt sie angewidert. „Eklig. Das ist eklig“, übersetzt Léon.

Französische Grundschüler sammeln Müll am deutschen Rheinufer in Kehl. Im Hintergrund ist Straßburg zu sehen. Das Projekt zur Vertiefung der deutsch-französischen Beziehungen wurde anlässlich des 60. Geburtstags der Elysée-Verträge gestartet.
Grundschüler aus Lingolsheim im Elsass sammeln auf der deutschen Rheinseite bei Kehl Müll. Aus dem Erlös wird ein Wald im deutsch-französischen Grenzgebiet aufgeforstet. Foto: Sibylle Kranich

Das Kehler Rheinufer ist an diesem Morgen der Einsatzort der beiden französischen Grundschüler aus Lingolsheim im Elsass. Sie sind die ersten Teilnehmer des Klimalaufs, den das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) aus Anlass des 60. Geburtstags der vertraglich besiegelten Freundschaft zwischen Deutschen und Franzosen veranstaltet. „Wir wollten den Abschluss des Elysée-Vertrags nicht einfach nur feiern, sondern uns auch engagieren“, sagt Tobias Bütow.

Der Klimalauf ist der nachhaltigste Programmpunkt im Jubiläumsjahr

Der Generalsekretär des DFJW ist extra aus Berlin nach Kehl gereist, um persönlich den Startschuss zu einem der nachhaltigsten Programmpunkte in diesem Jubiläumsjahr zu setzen.

Der Klimalauf will Deutsche und Franzosen dazu bewegen, sich – egal, wo sie gerade sind und egal, wie alt sie sind – eine Mülltüte zu schnappen, ein paar Kilometer mit ihr spazieren zu gehen und dabei Müll zu sammeln.

Der Müll und die Kilometer werden gezählt und am Ende der Aktion in Bäume umgerechnet. Die werden zur Aufforstung eines Waldstücks auf geschichtsträchtiger Erde gekauft. Im Grenzgebiet zwischen Rheinland-Pfalz und dem Elsass, dort wo 1870 die ersten Toten des Deutsch-Französischen Kriegs fielen, wird ab November ein Freundschaftswald entstehen.

Das Deutsch-Französische Jugendwerk ist ein Kind der Elysée-Verträge. Gegründet wurde es, um die Kinder der ehemaligen Erbfeinde miteinander zu befreunden. Das DFJW bietet seitdem Austauschprogramme und Partnerbörsen für junge Deutsche und junge Franzosen an. „Seit 60 Jahren haben mehr als 9,5 Millionen junge Menschen eine interkulturelle Erfahrung in Form von fast 400.000 Austauschen gemacht“, bilanziert Tobias Bütow.

Das Interesse an der Sprache des Nachbarn hat stark nachgelassen

Es lässt sich nicht leugnen, dass das Interesse an der Sprache und der Lebensweise der Menschen jenseits des Rheins in den vergangenen Jahren schwer nachgelassen hat. Auf beiden Seiten.

Stephan Elles vom Deutsch-Französischen Jugendwerk hat den Klimalauf organisiert, bei dem Deutsche und Franzosen Müll auflesen. Das Projekt zur Vertiefung der deutsch-französischen Beziehungen wurde anlässlich des 60. Geburtstags der Elysée-Verträge gestartet.
Stephan Elles vom Deutsch-Französischen Jugendwerk. Foto: Sibylle Kranich

Immer weniger Deutsche lernen Französisch in der Schule, immer weniger Franzosen haben Deutschunterricht. Beim DFJW will man sich damit nicht abfinden und sucht nach neuen Wegen, um junge Menschen für Deutschland und Frankreich zu begeistern. Wenn der gute alte Schüleraustausch nicht mehr gefragt ist, müssen eben andere Orte der Begegnung gesucht werden.

„Mit dem Klimalauf wollen wir den veränderten Prioritäten der jungen Menschen Rechnung tragen“, sagt Stephan Elles. Der Deutsch-Franzose ist einer der Mitorganisatoren des Laufs. Er hofft damit, ein Angebot zu machen, das den Nerv der Zeit trifft.

„Vor 60 Jahren trieb die Jugendlichen die Sorge vor dem Nachbarland um. Heute ist der Klimawandel die größte Angst der jungen Menschen“, ergänzt Generalsekretär Bütow.

Mitstreiter für den Klimalauf können sich noch anmelden

Für Léon und Emi, die gemeinsam mit ihren Klassenkameraden zu den ersten Teilnehmern des Klimalaufs gehören, ist der Schutz der Umwelt ein ganz wichtiges Thema. „J’aime pas polluer“, gibt Léon, die Müllzange fest im Griff, zu Protokoll.

Auch Emi achtet darauf, nicht zu viel Müll zu produzieren. In ihrer Schule im Osten von Straßburg hat Lehrerin Emilienne Ettlinger die Schülerinnen und Schüler schnell für den Klimalauf begeistern können. Mit einer Gruppe von 42 Kindern und acht Begleitern ist sie zur „Brücke der zwei Ufer“ in Kehl gekommen, um den Anfang zu machen.

Stephan Elles hofft, dass sich in den kommenden Wochen noch viele Menschen auf beiden Seiten der Grenze für die Idee begeistern können. „Jeder kann mitmachen“, betont er. Wichtig sei nur, sich zuvor auf der Internetseite des DFJW anzumelden.

In einem Liveticker wird der neueste Stand der gelaufenen Sammelkilometer, gefüllten Müllsäcke und Kippen-Flaschen ständig aktualisiert. „Am Ende zählt die Strecke, die alle Teilnehmer zurückgelegt haben“, sagt er. Die Kilometer werden dann in Bäume umgerechnet, die das DFJW anschafft. Je mehr Kilometer, desto mehr Bäume.

Am 5. Juli 1963 wurde die Gründung des DFJW durch die Unterschriften von Charles de Gaulle und Konrad Adenauer unter die Elysée-Verträge besiegelt. An diesem geschichtsträchtigen Tag endet der Klimalauf. Die jungen Bäume sollen dann ab November gepflanzt werden.

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