Die Entscheidung über den künftigen Kehler Oberbürgermeister fällt erst am 20. Februar. Favorit wird dabei ohne Zweifel der von SPD und Grünen in Kehl unterstützte Stadt- und Kreisrat Wolfram Britz sein.
Der Gesundheits- und Krankenpfleger erzielte an diesem Sonntag im ersten Wahlgang 44,8 Prozent der Stimmen. Baubürgermeister Thomas Wuttke schaffte es am Sonntag auf 28,6 Prozent, die in Achern geborene und aus Baden-Baden stammende Anemone Bippes erreichte beachtliche 25,5 Prozent.
Bippes wie auch Wuttke erklärten noch am Abend, auch im zweiten Wahlgang wieder anzutreten.
Auszählung unter Corona-Bedingungen
Eigentlich haben Oberbürgermeisterwahlen so etwas wie Volksfestcharakter, jedenfalls die Auszählung der Stimmen, die in aller Regel zum öffentlichen Ereignis wird. Doch in der Pandemie ist alles anders.
Die Bekanntgabe der Ergebnisse für Verwaltung, Kommunalpolitiker und Journalisten fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit in der Kehler Stadthalle statt, die Bürger konnten die durchaus spannende Stunde über einen Livestream verfolgen.
Der Grund war natürlich Corona – übrigens auch der für das Fernbleiben von Anemone Bippes am Sonntagabend, die sich trotz Booster-Impfung infiziert habe, wie sie mitteilte.
Es lohnt sich, zu kämpfen.Thomas Wuttke, Kandidat
Es gibt, neben den Stimmenanteilen der einzelnen Kandidaten, noch eine bedeutende Zahl an diesem Wahlsonntag. Mit 36,3 Prozent war nur wenig mehr als ein Drittel der wahlberechtigten Kehler an die Urne geschritten, so dass Wolfram Britz 4.661 Stimmen von knapp 30.000 Wahlberechtigten zum beinahe-Sieg reichten.
Auffallend war der vergleichsweise niedrige Anteil der Briefwahlanträge mit 16,5 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl im September 2021 lag der Anteil der Briefwähler fast doppelt so hoch (31,8 Prozent).
Ergebnis als Verpflichtung
Sie empfinde ihr Ergebnis von 25,5 Prozent gegen zwei in der Stadt gut verankerte Kandidaten als Verpflichtung, auch in zwei Wochen wieder anzutreten, teilte Bippes am Abend mit: „Ich habe einen großen Vertrauensvorschuss bekommen.“
Thomas Wuttke will ebenfalls an seiner Bewerbung festhalten: „Es lohnt sich, zu kämpfen.“ Er war mit einem sehr detaillierten Programm in den Wahlkampf gestartet und hatte unter anderem einen Umbau der Rathausspitze angekündigt. An diesem Kurs wolle er festhalten, sagte er am Sonntagabend.
Ich habe einen großen Vertrauensvorschuss bekommenAnemone Bippes, Kandidatin
Der neue Oberbürgermeister von Kehl wird sich möglicherweise mit einem Amt anfreunden müssen, das nicht so glanzvoll ist wie in den vergangenen beiden Dekaden. Der Nato-Gipfel, die Tram-Verbindung nach Straßburg und vor allem die grenzüberschreitende Gartenschau 2004 hatten die Stadt am Rhein immer wieder bundesweit in die Schlagzeilen gebracht.
Jetzt hingegen rückt die kommunalen Infrastruktur in den Blick. Die Stadt muss rund 30 Millionen Euro in ihre Schulen investieren, einen weiteren zweistelligen Millionenbetrag in die Kitas und eine noch unbekannte Summe in die Bäderlandschaft.
Denn die Kehler haben diese soweit vernachlässigt, dass nacheinander das Hallenbad sowie die beiden Freibäder in Auenheim und der Kernstadt vom Netz genommen werden mussten.
Neben der immer wieder aufkeimenden Debatte über ein Kombibad steht der neue Rathauschef vor der Aufgabe, zumindest das Auenheimer Bad wieder fit zu machen, damit 2022 das einzige Jahr bleibt, in dem die Stadt gänzlich ohne funktionierende Badeanstalt dasteht.
Die Innenstadt hat Probleme
Wie bei der öffentlichen Vorstellung der Kandidaten deutlich wurde, treibt die Bürger aber noch ein ganz anders Problem um: Der Zustand der Innenstadt, der in einigen Bereichen inzwischen an die Bahnhofsviertel deutscher Großstädte erinnert: Spielcasinos, Shisha-Bars und vergleichbare Einrichtungen dominieren dort das Stadtbild.