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Komplize auf freiem Fuß

Angeklagter will bei Raubüberfall in Kehl wertlose Uhren erbeutet haben

Waren die erbeuteten Uhren nun tausende Euro wert oder handelte es sich um wertlose Fälschungen? Einer der beiden mutmaßlichen Täter vom Raubüberfall auf eine Kehler Villa muss sich nun vor Gericht verantworten.

Das Justizgebäude mit dem Landgericht in Offenburg. Foto: Jürgen Ruf/Archiv
Das Justizgebäude mit dem Landgericht in Offenburg. Foto: Jürgen Ruf/Archiv Foto: Jürgen Ruf

Die Anklageschrift von Staatsanwältin Raffaela Sinz zum Kehler Raubüberfall im Mai 2020 liest sich wie das Drehbuch eines Krimis: Zwei bewaffnete Täter drangen nachts in eine Kehler Villa und sollen dabei Bargeld und Wertgegenstände mit einem Gesamtwert im unteren sechsstelligen Bereich erbeutet haben. Entsprechend der Anklage fesselten sie das Besitzer-Ehepaar mit Kabelbindern, nachdem dieses unter Vorhalt eines Messers bedroht und dingfest gemacht wurde.

Unter ständiger Bedrohung zwangen die Täter die Geschädigten, mehrere im Haus befindliche Tresore zu öffnen oder die Codes preiszugeben. Es gelang ihnen, Bargeld und Wertgegenstände, unter anderem etliche Uhren im Einzelwert von mehreren tausend Euro, zu entwenden. Es soll auch zu Handgreiflichkeiten mit Faustschlägen in die Gesichter der Opfer gekommen sein. Bei den Geschädigten handelt es sich um ein bekanntes Ortenauer Unternehmer-Ehepaar.

Laut der Anklageschrift war es das beherzte Handeln und die exakte Täterbeschreibung der Ehefrau, dass einer der beiden Täter überführt werden konnte, und der Raubüberfall nun vor der Großen Strafkammer des Landgerichtes Offenburg verhandelt werden kann. Der 31-jährige Angeklagte, ein ehemaliger Judokämpfer mit einem abgeschlossener Sportstudium, gestand die Taten fünf Monate nach der Tat bei der Polizei. Seine Schilderungen wichen erheblich von den Aussagen des Ehepaars ab.

Die Ehefrau nutzte während des Überfalles einen unbeobachteten Moment, um einen Alarm auszulösen. Das trieb die Räuber in die Flucht. Durch die differenzierte Täterbeschreibung und hinterlassene DNA-Spuren gelang es, mit einem europäischen Haftbefehl einen der beiden Täter vier Monate nach dem Überfall an der Grenze von Moldawien nach Rumänien festzunehmen und nach Deutschland auszuliefern. Seither sitzt er in Untersuchungshaft. Wer und wo sein Komplize ist, ist Gegenstand von Ermittlungen.

Angeklagter legt Geständnis ab

Die Anklage lautet auf besonders schweren Raub in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung. Der Strafrahmen für eine solche Tat liegt bei einer Freiheitsstrafe zwischen fünf und 15 Jahren. Am ersten Verhandlungstag stand die Aussage des Angeklagten im Mittelpunkt. Dieser legte ein umfassendes, in Teilen aber auch widersprüchliches Geständnis ab. Seinen Angaben zufolge war sein Komplize der Rädelsführer des Raubüberfalls, der mehrere Wochen lang geplant wurde. Sein Mittäter und Freund soll sich in der Örtlichkeit gut ausgekannt haben.

Das Villenanwesen sei von einem Wassergraben umgeben, das sie an einem späten Abend mit einem Schlauchboot erreichten. Nach Erkunden der Örtlichkeit schlugen sie nach Mitternacht zu, sie drangen in die Wohnung ein und überwältigten das Ehepaar – laut Angeklagtem ohne wesentliche Gewalt. Der Ehemann gab bereitwillig Zugang zu den Tresoren und Safes. Die Vorgänge liefen so wie in der Anklage beschrieben ab, nicht jedoch die angelasteten Faustschläge und auch die Beutesumme sei nach seinen Angaben erheblich geringer.

Auf die Frage von Richter Wolfgang Kronthaler, woher die Verletzungen an den Geschädigten kamen, gab er zur Antwort, dass diese von harmlosen Judokniffen herrührten, welche die Opfer zu Fall brachten. Zum Wert der Uhren bemerkte er, „dass diese alle gefälscht waren“. Ein Bekannter, nach dessen Wert befragt, bestätigte ihm dies, wonach er den gesamten Uhrenbestand für 50 bis 60 Euro an den Mann gebracht habe.

Angeklagter soll Spielschulden beglichen haben

Auch die Geldsumme, die in der Anklage mit 20.000 Euro beziffert wird, stimme nicht, es waren 6.400 Euro und 450 Dollar. Das Geld hatte der hochverschuldete Angeklagte angeblich gebraucht, um Spielschulden zu begleichen. Auch die weitere Antwort nach dem Messereinsatz stand im Widerspruch zur Anklage. „Das Messer, ein Schweizer Taschenmesser, hatte ich in der Hand, um die Kabelbinder, mit denen der Geschädigte gefesselt war, aufzuschneiden, er sollte uns mit seinen Händen einen weiteren Tresor öffnen.“

Der alkohol- und drogenabhängige Angeklagte stellte vor Gericht sein Tun als Getriebener seines Komplizen dar. Er wäre zum Tatzeitpunkt alkoholisiert gewesen. „Vor lauter Angst habe ich eine Flasche Jägermeister vor der Tat getrunken. Ich kann mir im Nachhinein nicht erklären, warum ich das getan habe.“ In der Folgeverhandlung gilt es unter anderem zu klären, inwieweit die Unterbringung des Angeklagten in eine Entziehungsanstalt geboten erscheint. Dazu wird ein Gutachten eines Psychiaters gehört. Der Prozess wird am 12. April mit Anhörung der Gutachten, den Zeugenaussagen und dem Urteil fortgesetzt.

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