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Freiburger Studenten untersuchen invasive Arten

Süß und bedrohlich: Hausschildkröten im Kehler Altrhein konnten sich im Winter rasant vermehren

Man sollte nicht meinen, dass die Babyschildkröten, die Freiburger Studenten am Kehler Altrhein zu Studienzwecken aus dem Wasser gefischt haben, jemandem schaden könnten. Doch die invasiven Arten gelten als Gefahr für das heimische Ökosystem.

Die beiden Babyschildkröten haben eine aufregende Reise zu der Reptilienauffangstation in München vor sich.
Die beiden Babyschildkröten haben eine aufregende Reise zu der Reptilienauffangstation in München vor sich. Foto: Sascha Himmelsbach

Zwei Babyschildkröten krabbeln hastig über die Grasfläche neben dem Krankenhaus am Altrhein. Ein Taucher holt gerade ein größeres Exemplar aus dem Wasser. Benno Tietz, Masterstudent der Freiburger Albert-Ludwigs-Universität, untersucht in einer Studie die Vermehrung der ausgesetzten Hausschildkröten – die Rot- und Gelbwangenschildkröten (RGS) sind dabei besonders im Fokus.

„Über das Brutverhalten dieser beiden Spezies gibt es aktuell sehr wenig Daten“, erklärt Benno Tietz. „In der Forschung ist man noch der Auffassung, dass sie in Deutschland in der freien Wildbahn nur in absoluten Ausnahmefällen Nachwuchs bekommen. Hier setzt unsere Studie an.“

Dafür werden die Panzertiere vermessen, gewogen und bekommen Blut abgenommen; zurück ins Wasser dürfen sie jedoch nicht mehr. Als invasive Arten gelten RGS als Gefahr für kleinere Lebewesen, Larven oder Vogeleier. Die Schildkröten werden einzeln verpackt und von einer Spezialfirma in eine Reptilienauffangstation nach München gebracht.

Gefahrenstufe muss möglicherweise angehoben werden

„Sollte man eine Vermehrung der Rot- und Gelbwangenschildkröten feststellen, muss man die Gefahrenstufe dieser Arten neu überdenken“, sagt Malte Bickel, Mitarbeiter der Umweltabteilung beim Regierungspräsidium Freiburg. „Dadurch kann man nicht mehr von einzelnen, ausgesetzten Exemplaren sprechen, sondern muss davon ausgehen, dass sie sich ausbreiten und andere Tierarten aus dem Lebensraum verdrängen.“

Um diesem Szenario vorzubeugen, lege man das Hauptaugenmerk bei der jetzigen Fangaktion auf die Weibchen, die pro Wurf 15 bis 30 Eier legen. Diese ließen sich an den kürzeren Krallen und dem schmaleren Schwanz erkennen, erklärt Benno Tietz, als er eine Schildkrötendame auf Eier untersucht. Das abgenommene Blut soll die Verwandtschaftsverhältnis der gesammelten Tiere aufzeigen und somit Klarheit in Sachen Brutverhalten schaffen.

Straßburger Wissenschaftler schlug als erster Alarm

Aufgefallen war die sprunghafte Vermehrung der kleinen Panzertiere Carsten Schradin, Wissenschaftler beim Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Straßburg: „Ich halte die Bevölkerungsentwicklung der Schildkröten im Altrhein seit sechs Jahren in einer Studie fest“, erklärt er. „Die Anzahl der Tiere steigt rasant, beinahe exponentiell. Es ist augenscheinlich, dass die Tiere einen Weg gefunden haben, sich in der freien Wildbahn fortzupflanzen.“

Die ausgesetzten Schildkröten sind bereits jetzt eine Belastung für den Lebensraum und verschlechtern womöglich die Wasserqualität im Altrhein
Carsten Schradin, Wissenschaftler beim Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung in Straßburg

Die milden Winter der vergangenen Jahre trügen ihren Teil zu der Entwicklung bei. Doch auch wenn die teils farbenfrohen Panzertiere beliebte Haustiere darstellen, gehören sie nicht in das heimische Ökosystem: „Die ausgesetzten Schildkröten sind bereits jetzt eine Belastung für den Lebensraum und verschlechtern womöglich die Wasserqualität im Altrhein“, mahnt Carsten Schradin. „Sollte ihre Anzahl weiterwachsen, könnten sich die Tiere in die ökologisch wertvollen Rheinauen ausbreiten.“

Deshalb sei es besonders wichtig, die Halterinnen und Halter von Schildkröten zu sensibilisieren, dass sie diese nicht einfach unkontrolliert in die Natur entlassen könnten, sagt die städtische Umweltreferentin Ann-Margret Amui-Vedel. „Abgesehen davon haben viele Tiere nicht das Glück, in der Natur Fuß zu fassen und verhungern oder erliegen Verletzungen. Vor dem Aussetzen ist das Tierheim auf jeden Fall die bessere Anlaufstation.“

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