Seit dem vergangenen Freitag gelten andere Regeln: Ohne große Vorankündigung und Erklärung hat das Land die Corona-Impfungen für die gesamte zweite Prioritätengruppe freigegeben.
Viele Menschen unter 80 haben jetzt die Chance auf eine Immunisierung mit dem Astrazeneca-Impfstoff, der nur für Menschen zwischen 18 und 65 zugelassen ist.
Hinweis der Redaktion
Ein technischer Fehler hat am Donnerstagmorgen dafür gesorgt, dass der Text dieses Artikels kurzzeitig unverständlich auseinandergerissen war. Wir haben das korrigiert und bitten, den Fehler zu entschuldigen.
Die Vakzine von Biontech und Moderna bleiben der Gruppe der über 80-Jährigen vorbehalten. Doch die Dinge sind damit komplizierter geworden, immer wieder müssen Menschen abgewiesen werden.
Wie bucht man erfolgreich einem Impftermin, und wie läuft es eigentlich in den Impfzentren? Frank Löhnig hat die wichtigsten Informationen zusammengetragen.
Wie ist die Stimmung in den Impfzentren?
Eher durchwachsen. Durchschnittlich 70 bis 90 Menschen müssen an den drei Impfzentren in Offenburg und Lahr täglich abgewiesen werden, weil sie nicht impfberechtigt sind oder weil sie sich mit unwahren Altersangaben auf den falschen Impfstoff gebucht haben.
Bei der Frage der Vorerkrankungen habe die Ärzte vor Ort einen gewissen Ermessensspielraum, doch beim Thema Alter sind die Vorgaben klar: Wer unter 65 ist, erhält Astrazeneca. „Es werden viele Beleidigungen ausgesprochen“, sagt Diana Kohlmann, die die Impfzentren des Kreises in Offenburg und Lahr organisiert. Man muss bei der Anmeldung übers Internet sein Alter angeben – wer da schummelt, scheitert vor Ort.
Wer ist impfberechtigt?
Mit der Öffnung für die Prioritätengruppe 2 sind die Dinge weitaus komplizierter geworden. Jetzt kommt zum Beispiel die Frage der Vorerkrankungen und der individuellen Gefährdung ins Spiel. Das führt in Verbindung mit den Altersvorgaben zu teilweise paradoxen Entscheidungen. So kann es passieren, dass ein gut eingestellter Diabetiker zwar für seine Sorgfalt gelobt, danach aber wieder ohne Spritze nach Hause geschickt wird. Wer sich weniger um seine Krankheit kümmert und entsprechend schlecht dasteht, ist hingegen impfberechtigt.
Oder: Wer regelmäßig Kontakt zu einer Schwangeren hat, darf auf eine Impfung hoffen – es sei denn, er ist älter als 64 Jahre. Dann nämlich ist er oder sie für Astrazeneca nicht mehr und für Biontech noch nicht berechtigt, sagt Doris Reinhardt, Pandemiebeauftragte des kassenärztlichen Vereinigung. Auch 65 Jahre alte Lehrer oder 17-Jährige mit Kontakt zu schwerkranken Angehörigen fallen durchs Raster. Solche Fälle sind zahlreich und in vielen Kombinationen denkbar.
Ab und an werde auch bei der telefonischen Hotline nicht richtig beraten. „Das ist so nicht aufrecht zu erhalten“, sagt Reinhardt. In Stuttgart sei der nächste Referentenentwurf bereits in der Pipeline. Es sei nachvollziehbar, dass viele Menschen nicht mehr durchblicken.
Wie weist man die Impfberechtigung nach?
Auch das ist kompliziert. Ein ärztliches Attest über eine außergewöhnliche Gefährdung wäre eine Möglichkeit, wird aber derzeit kaum genutzt. Leicht haben es stark Übergewichtige, da genüge, sagt Doris Reinhardt, je nachdem der „optische Beweis“. Geimpft werden kann auch, wer behinderte Menschen, Schwangere, über 70-Jährige oder Personen mit bestimmten Erkrankungen pflegt.
Bis zwei Kontaktpersonen dürfen dabei benannt werden, der oder die Betroffene – oder ein Betreuer – sollte eine Bescheinigung dafür ausstellen. Hier gilt weithin Treu und Glaube, überprüfbar sind die Angaben eher nicht. „Es muss plausibel sein“, sagt Doris Reinhardt, und im Übrigen seien Falschangaben strafbar.
„Je mehr Informationen wir haben und je glaubhafter die sind, umso besser“, so die Ärztin. Über allem stehe der Leitgedanke, Menschen mit einem hohen Risiko schwerer Covid-19-Erkrankungen Impfstoffe anzubieten
Wie viele Impfstoffe sind vorhanden?
„Es ist nicht so, dass wir volle Kühlschränke haben“, sagt Reinhardt. Doch sie appelliert vor allem an Menschen über 80 Jahren, sich einen Termin geben zu lassen, denn durch Astrazeneca sind für die die Wege für sie kürzer geworden: „Sie bekommen inzwischen einen Termin innerhalb weniger Tage.“
Die Quote der Geimpften in dieser Altersgruppe sei, gemessen an ihrem Anteil an der Bevölkerung, noch immer vergleichsweise gering. „So richtig erklären können wir uns das nicht“, sagt Doris Reinhardt. Mehr als 780.000 Senioren über 80 Jahren sind im Südwesten impfberechtigt, erst etwa 300.000 haben das Angebot bislang wahrgenommen.
Laufen die Impfzentren schon unter Volllast?
Nein. Die beiden Kreisimpfzentren verabreichen derzeit täglich 560 Spritzen, ausgelegt sind sie auf bis zu 750 Menschen am Tag. Das zentrale Impfzentrum in Offenburg liege etwa bei der Hälfte seiner Kapazität, sagt Diana Kohlmann. Die Stadt Offenburg, die die Einrichtung betreibt, hat eine Anfrage dieser Zeitung bislang nicht beantwortet.
Damit ist auch unklar, ob das zentrale Impfzentrum wie ursprünglich geplant bereits im April wieder geschlossen werden soll. Es deute sich aber eine längere Laufzeit an, sagt Kohlmann.
Wie kommen die Impfzentren mit der wachsenden Auslastung klar?
Es geht so. In Lahr gab es in dieser Woche eine Panne, ein Mitarbeiter war krank und sofort verzögerte sich der gesamte Vorgang, die Menschen mussten geraume Zeit vor der Halle warten. Insgesamt fällt auf, dass großer Beratungsbedarf besteht, gerade bei der Gruppe Ü80 dauere das Arztgespräch oft länger als vom Sozialministerium bei der Planung zugrunde gelegt.
Medienberichte, wonach die Skepsis wegen Astrazeneca ebenfalls längere Beratungen benötige, kann man im Landratsamt nicht bestätigen. Insgesamt hätten sich die Abläufe aber gut eingespielt.
Wie verträglich sind die Impfstoffe?
„Es gibt Rückmeldungen von Astra-Geimpften, die sagen, dass es ihnen einen Tag lang den Stecker gezogen habe“, sagt Doris Reinhardt. Dies gelte vor allem bei jüngeren Personen nach der Erstimpfung. Ähnliches werde nach der Zweitimpfung mit Biontech berichtet. Die Impfreaktionen würden aber nicht überall und bei jedem gleich schwer ausfallen.