Solche Zahlen stellt man als Chef der Polizei gerne vor: Mit 38.907 Straftaten hat es 2020 im Bereich des Polizeipräsidiums Offenburg so wenig Kriminalität gegeben sie seit 18 Jahren nicht mehr.
Diebstähle, Wohnungseinbrüche, Straßenkriminalität, all dies erreicht den niedrigsten Wert seit fast zwei Jahrzehnten, die Aufklärungsquote erklimmt mit 67,3 Prozent ein historisches Hoch. Die Ursache für diese Prachtzahlen liegt auf der Hand – Corona. Wer zu Hause sitzt, sündigt nicht. Oder jedenfalls weniger.
Denn nicht überall ist die Statistik grün hinterlegt. Die Cyberkriminalität zum Beispiel erreicht mit 1.754 Fällen den höchsten Wert seit fünf Jahren. „Es war durch die pandemiebedingten Einschränkungen ein einzigartiges Jahr“, sagte Polizeipräsident Reinhard Renter.
Häusliche Gewalt hat nicht zugenommen
Was auch auffällt: Anders als im Landestrend hat die häusliche Kriminalität im Präsidium, das neben dem Ortenaukreis auch den Landkreis Rastatt und den Stadtkreis Baden-Baden mit insgesamt 700.000 Einwohnern umfasst, nicht zugenommen.
„Wir haben hier keinen Trend zu Steigerungen gesehen“, sagt Jörn Hinrichsen, stellvertretender Leiter der Schutzpolizeidirektion. Allerdings ist das nicht die ganze Wahrheit. „Wir reden von der Aufhellung eines großen Dunkelfelds“, sagt Reinhard Renter. Deshalb sei man hier auch verstärkt präventiv tätig.
Ungeachtet des positiven Trends gehört die Region weiter zu den Kriminalitätsschwerpunkten im Land. Zwar habe man, wie Renter erfreut anmerkt, sich bei der Zahl der Straftaten pro 100.000 Einwohner vom vierten auf den fünften Platz landesweit „vorarbeiten“ können, doch das Präsidium liegt weiter über dem Landesschnitt.
Kehl zieht Durchschnitt hoch
Dafür sorgt nicht zuletzt Kehl mit seiner grenzüberschreitenden Kriminalität und fast 16.000 Delikten auf 100.000 Einwohner. Das ist mehr als das Dreifache des Landesschnitts. Zwar entfielen durch die Schließung der Geschäfte viele Ladendiebstähle, auf der andere Seite aber ließen die strengeren Kontrollen der Bundespolizei an der Grenze die Zahl der Verstöße dort massiv ansteigen.
Ein anderes Beispiel ist Baden-Baden. Die vermeintlich beschauliche Kurstadt hat mit einer Häufigkeitszahl von 10.063 die zweithöchste Kriminalitätsbelastung aller Kommunen im Präsidium. Das liegt an einem einzigen Fall, einem Callcenter-Betrug mit 1.800 Geschädigten. Ohne diesen Fall stünde Baden-Baden „wesentlich weiter hinten“ in der Grafik, sagt Renter.
Europa-Park mit systematischen Rauschgift-Kontrollen
Hinter all der erfreulichen Statistik verbergen sich aber weiterhin erhebliche Probleme. So ist der Rückgang der Drogenkriminalität im Kreis vor allem auf die Schließung des Europa-Parks zurückzuführen. Seit der Park systematisch am Eingang auf Rauschgifte kontrolliert hatte, waren die Zahlen durch die Decke gegangen. Das ist 2020 weithin entfallen.
Ein zunehmendes Problem sind Sexualstraftaten. „Besorgniserregend“, so der Leiter der Kriminalpolizeidirektion, Wolfgang Jäger, seien einerseits Delikte im öffentlichen Raum wie das „Antatschen“ von Frauen und andere Formen der sexuellen Belästigung, aber auch die Kinderpornografie und der sexuelle Missbrauch von Kindern.
„Da haben wir eine richtige Welle“, sorgt sich Jäger. „Wir haben fast jede Woche eine CD auf unserem Tisch liegen mit zahlreichen Fällen“.
Dies setze die ermittelnden Beamten nicht nur psychisch unter Druck, sondern auch zeitlich, weil die gezeigten Taten ja noch andauern könnten: „Wir müssen dann immer überlegen, ob nicht gerade der Missbrauch eines Kindes stattfindet“.