Wie werden Kreis und Gemeinden mit den finanziellen Folgen der Corona-Krise umgehen? Der im Frühjahr befürchtete zweite totale Lockdown steht möglicherweise schon vor der Tür.
ABB-Redakteur Frank Löhnig hat bei Landrat Frank Scherer nachgefragt. Scherer muss derzeit die finanziellen Voraussetzungen für die rund eine Milliarde Euro teure Klinikreform schaffen – und bemüht sich gerade darum, den neuen Doppelhaushalt des Kreises in trockene Tücher zu bringen. An diesem Dienstag entscheidet der Kreistag.
Kreis und Gemeinden finden sich in diesen Tagen in einer Schicksalsgemeinschaft wieder. Wie werden sie die Folgen der Pandemie bewältigen?
Frank SchererDas hängt natürlich auch davon ab, wie die Perspektive für unsere Steuerzahler im Kreis aussieht. In vielen Gesprächen spüre ich hier immer mehr Verzweiflung und immer weniger Zuversicht bei den Unternehmen und ihren Beschäftigten. Das betrifft vor allem das Gastgewerbe, die Reisebranche und den weiten Bereich von Kunst, Kultur und Eventwirtschaft. Das geht viel tiefer als es auf den ersten Blick scheint – an diesen Unternehmen hängen ja auch viele Zulieferer. Allein vom Tourismus hängt im Ortenaukreis jeder siebte Arbeitsplatz ab, die Ängste sind enorm. Das Kurzarbeitergeld macht ja in der Regel nur rund 70 Prozent des normalen Nettoeinkommens aus und auch die für die Beschäftigten im Gastgewerbe ganz wichtigen Trinkgelder fallen völlig weg. Auch mit Blick auf die gesamte Wirtschaft mache ich mir Sorgen, wenn ich höre, dass sich jeder zehnte bis elfte Betrieb von Insolvenz bedroht fühlt. Man muss befürchten, dass es mittelfristig ganz schwierig wird.
Was heißt das konkret für Kreis und Kommunen – und für die Bürger?
SchererEs gibt Gemeinden, in denen es schon jetzt einen brutalen Einbruch bei der Gewerbesteuer gegeben hat, aber auch einige wenige, denen es aufgrund der beschlossenen Hilfen besser geht als zuvor. Insgesamt wird die gesamte kommunale Familie mittelfristig bei den freiwilligen Leistungen besonders genau hinschauen müssen. Die Corona-Delle des Frühjahrs werden die meisten aufgrund ihres guten Wirtschaftens in den vergangenen Jahren und der Hilfen von Bund und Land noch einigermaßen wegstecken können, aber jetzt sind wir im zweiten Lockdown. Ich glaube nicht, dass wir uns das noch lange und häufiger leisten können.
Corona hat in diesem Frühjahr die Kliniken massiv betroffen – auch in finanzieller Hinsicht. Wie ist die Lage im Herbst?
SchererIm Frühjahr haben wir da alles richtig gemacht, inklusive des absoluten Shutdowns und gleichzeitigen Aufbaus der Behandlungsplätze für Covid-Patienten. Und wir haben wegen unserer hohen Verluste aufgrund der ausgefallenen Operationen entsprechende Hilfen vom Bund bekommen. Im Moment habe ich leider noch keinen Hinweis darauf, dass die Gelder noch einmal für alle unsere Klinikstandorte kommen werden. Wenn es dabei bliebe, würde uns dies ein massives Defizit bescheren. Wir fahren in diesem Herbst auf Sicht, haben auch schon wieder einzelne Bereiche und OP-Säle schließen müssen. Planbare Operationen werden teilweise zurückgefahren, die Behandlung von Notfällen oder Tumorerkrankungen dagegen läuft uneingeschränkt weiter. Was mir Sorge macht, ist aber die personelle Ausstattung der Krankenhäuser, also ob wir das erforderliche Personal hätten, wenn die Zahl der Covid-19-Patienten massiv steigt.
Das Gezerre um die Corona-Zulage war da auch nicht eben ein Motivationsprogramm für die Beschäftigten, wie man so hört ...
SchererEs gab sehr früh einen Beschluss des Ausschusses für Gesundheit und Kliniken, denjenigen eine anerkennende und spürbare Zulage zu zahlen, die während der Covid-19-Welle im Frühjahr besonders belastet waren. Leider wurde das von interessierter Seite schlecht geredet. Dann kamen die Regelungen des Bundes und des Tarifvertrages, die wir jetzt umsetzen, so dass das Ziel der Kreispolitik im Ergebnis erreicht wird.