Der erste Fausthieb sitzt. Der zweite auch, dann ein blitzschneller Tritt. Der Gegner hält die Schläge mit den Boxhandschuhen ab. „Wir üben die Koordination von Händen und Füßen“, sagt Jenny Dahlström.
„Das muss man tausendmal gemacht haben, damit es im Wettkampf ganz automatisch kommt.“ Sie muss es wissen: Die 27-Jährige aus Lauf ist gerade zum dritten Mal Weltmeisterin geworden. Ihr Spezialgebiet – Kickboxen.
Es war das erste wirklich große Turnier seit Corona.Jenny Dahlström, Kickboxerin
In Cardiff in Wales stieg sie dafür Ende Oktober auf die Matte. „Es war eine coole Erfahrung, aber auch chaotisch“, sagt sie, als sie im Kappelwindecker Trainingsraum des Kampfsportteams Bühl-Rastatt an der Seite sitzt, während eine Gruppe Kinder mit Trainer Stefan Huber übt.
Nach der Pandemie-Pause lief noch nicht alles wieder rund: „Es war das erste wirklich große Turnier seit Corona. Aber die Stimmung war sehr gut.“
Für sie selbst aber doch auch nervenaufreibend: „Gerade, wenn man schon einige Titel gewonnen hat, haben die Leute die Erwartung, dass man das wieder schafft.“
Dreimal Gold und dreimal Bronze bei Weltmeisterschaften sind es jetzt insgesamt, dazu drei Europameister-Titel, „und die Deutschen Meistertitel kann ich ehrlich gesagt gar nicht mehr zählen“, sagt sie: „Es waren sechs Stück allein dieses Jahr.“
Bis zu zwölf Trainingseinheiten pro Woche
Als bei der WM in Wales klar war, dass sie es aufs Treppchen schaffen würde, sei sie deshalb auch regelrecht erleichtert gewesen. „Im Finale habe ich gegen eine sehr, sehr starke Amerikanerin geboxt“, erzählt sie und bläst die Backen auf: keine einfache Gegnerin.
„In den USA machen viele Kampfsport hauptberuflich, da sind die Voraussetzungen natürlich anders.“ Für sie selbst kommt das nicht in Frage: „Ich mag den Sport sehr, aber ich trenne ihn auch gern vom Beruf. Wenn man doch mal Abstand vom Sport braucht, aber Profi ist, funktioniert das nicht.“
Also müssen ihr Job als Ingenieurin und das ambitionierte Hobby irgendwie unter einen Hut gebracht werden. Normalerweise bedeutet das: fünf bis sechs Trainingseinheiten pro Woche.
Vor der Weltmeisterschaft waren es zehn bis zwölf. Zur Vorbereitung auf den Wettkampf ging es jeden Morgen um 6 Uhr ins Fitnessstudio und zum Ausdauertraining, dann zur Arbeit, bevor abends an der Boxtechnik gefeilt wurde – und nebenbei schreibt Dahlström auch noch an der Masterarbeit im Wirtschaftsingenieurwesen. Dazu kommt noch die ständige Suche nach Sponsoren.
Das alles hat sich gelohnt: In Cardiff holte sie im Team die Goldmedaille und Bronze als Einzelkämpferin. Müde kam sie danach wieder nach Hause – und wurde von gleich mehreren Empfangskomitees überrascht: am Flughafen, von der Gemeinde Lauf und schließlich von Freunden.
„Man schafft es nur, erfolgreich zu sein, wenn man Leute hat, die so ein zeitintensives Hobby unterstützen“, sagt sie. Vom Arbeitgeber gab es obendrauf ein paar Urlaubstage extra für die WM.
Angefangen hatte sie mit sechs, sieben Jahren mit Taekwon-Do, spielte dann ein paar Jahre lieber Tennis und Basketball. Nach dem Abitur kam sie zurück und dann auch zum Kickboxen, das in den 70er Jahren in den USA als eine Mischung aus verschiedenen alten Kampfsportarten entstanden war.
„Ich mag, dass man zwar allein für sich auf der Matte steht, es aber außenherum einen großen Zusammenhalt gibt“, sagt Jenny Dahlström. „Bei den Turnieren kennt man sich mit den Jahren.“
Das Heimspiel will ich natürlich noch mitmachen.Jenny Dahlström, Kickboxerin
Heute trainiert sie zusätzlich einmal pro Woche Kinder und Jugendliche in Rastatt. Das wollte sie eigentlich künftig mehr machen, dafür weniger Wettkämpfe. Aber: 2025 findet die WM in Karlsruhe statt. „Das Heimspiel will ich natürlich noch mitmachen.“
Nach der Kindergruppe kommen jetzt die Erwachsenen in den Trainingsraum, erstmal gibt es im Kreis Applaus für die Weltmeisterin. Es sind Männer und Frauen gemischt, junge und ältere – „bei der WM war der Älteste, der gekämpft hat, 66“, sagt Jenny Dahlström. „Bei uns hier machen auch einige der Fitness wegen mit. Beim Kickboxen wird der ganze Körper bewegt.“
Mit Kniebeugen, Liegestützen und Hampelmännern im flotten Wechsel wärmt sich die Gruppe auf. Aus dem Lautsprecher dröhnen die E-Gitarren, die Matten auf dem Boden knarzen.
Dann braucht es Schutzausrüstung: für die Schienbeine, Fußrücken und Zähne, dazu die Boxhandschuhe. Zu zweit werden Tritte und Schläge trainiert, bis man nicht mehr über die einzelnen Bewegungen nachdenken muss. Das nächste Turnier kann kommen.