Meinrad Schmiederer steht vor der marmornen Treppe in der Lobby seines Fünf-Sterne-Superior-Hotels und zeigt auf die linke Wand. „Sehen Sie, die ist dicker als die rechte Wand da drüben, denn dazwischen ist noch ein Stück Stallmauer eingemauert.“ Das ahnt keiner der Gäste, die er auf dem Weg zu einem Nebentrakt begrüßt. Dort hängt, ziemlich unauffällig, in einem Gang ein Bild aus dem Jahr 1963. „Das war der Kuhstall“, deutet Schmiederer mit seinem rechten Zeigefinger auf das Foto, „hier ist die Treppe und dort der Misthaufen.“
Schmiederer hatte auch schon Könige zu Gast
Nach solchen Geschichten dürften auch Filmemacher lechzen: Ein selbstbewusster Schwarzwald-Bub, den die Eltern mangels Geldes nicht aufs Gymnasium schicken können, verwirklicht seinen Traum. Die Hotelwelt Dollenberg in Bad Peterstal-Griesbach beherbergte vom heutigen König von Thailand bis Gerhard Schröder schon reichlich Prominenz, nicht nur wegen des Hubschrauberlandeplatzes. Mit dem Altkanzler ist der politisch bestens vernetzte Schmiederer übrigens per Du. Und sein engster Freund Günther Oettinger war Trauzeuge, als er 2006 geheiratet hat – in der frisch gebauten eigenen Kapelle auf dem Hotelgelände.
Schmiederer war bereits „Hotelier des Jahres“, das Dollenberg gehört zur feinen Relais & Châteaux-Kooperation, als früherer Pächter der Kurhaus-Gastronomie in Baden-Baden bewirtete er Staatsmänner wie 2009 Barack Obama beim Nato-Gipfel. Die Rezeptur für diesen Erfolg: Der 68-Jährige ist ehrgeizig, selbstbewusst, kantig, bauernschlau, rastlos.
„Vorleben“ als Führungsprinzip
Glück belohnt den Tüchtigen, der volles Risiko fährt: Sein Unternehmen führt er als Einzelkaufmann, haftet also auch mit seinem Privatvermögen. „Deswegen gibt es vom Dollenberg keine Zahlen“, sagt Schmiederer und lächelt dabei knitz. „Vorleben“ sei sein Führungsprinzip bei 180 Mitarbeitern. Seine Schnelligkeit sei eine Stärke, auch könne er Zusammenhänge gut erkennen. Eine Schwäche nennt Schmiederer ungefragt: „Dass ich energisch werden kann, wenn das Ziel vor Augen ist und es kommt nicht.“
Der Vater einer 13-jährigen Tochter ist gelernter Koch. Oben, in der Renchtal-Hütte, die Teil seiner Hotelwelt ist, steht er öfters mit am Herd. Im Dollenberg wirkt sein Schwager Martin Herrmann – dieser fing dort als Lehrling an und lässt heute zwei Michelin-Sterne strahlen. Mein Lieblingsessen? „Ein Stück Poularde“, sagt Schmiederer. Das hängt mit seiner Kindheit zusammen. Die Eltern hatten zwei Kühe, vier Schweine und 15 Hühner im Stall. Zur Kommunion ihres Ältesten wurde „ein Gockel geopfert“.
„Meinen Kontoauszug sehe ich mindestens drei Mal am Tag auf meinem iPhone“
Wer sich wie Schmiederer einst jede Mark mühsam verdienen musste, der schaut auch heute noch genau hin. „Meinen Kontoauszug sehe ich mindestens drei Mal am Tag auf meinem iPhone“, sagt er als Hotelkaufmann, der er auch ist.
Architektur ist eine weitere Leidenschaft. Die Wellnesslandschaft, die er jeden Morgen inspiziert – von ihm entworfen. Die Parklandschaft samt Amphitheater – „ich habe dem Baggerfahrer gesagt, wo die Wege hin sollen und dem Gärtner, dass ich Rhododendron will“. Der riet ab. „Geht nicht, gibt’s nicht“, entgegnete Schmiederer und ließ den Boden austauschen.
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Der Hotelier hat wieder große Pläne
Momentan zeichnet er wieder auf Butterbrotpapier. Große Pläne habe er, aber noch seien sie geheim. Als Schmiederer das sagt, strahlen seine Augen. Das Macher-Sein hält ihn jung. Immerhin will er sich im nächsten Jahr zum ersten Mal 14 Tage Urlaub gönnen. „Ich bin mal gespannt, wie das wird.“
Jedes Jahr eine Reise, das habe er sich vorgenommen. Schmiederer spricht nur wenig Englisch und Französisch – auch dies liegt an seiner Kindheit, als die Fahrtkosten zum Gymnasium finanziell nicht drin waren. „Das ist das große Manko meines Lebens, weil später die Zeit nicht zum Erlernen da war.“
Schmiederer schwärmt von der Chinesischen Mauer, auf der er bereits stand. Vom Burj Al Arab in Dubai, wo einem der Butler den Koffer auspackt („was schon unangenehm wird“). Architektur und Ingenieurskunst fesseln Schmiederer. Er erzählt von Oldtimern („was die Ingenieure damals leisten konnten“), kennt die badische Eisenbahngeschichte in- und auswendig. Geschichte und Skifahren sind Hobbys – manchmal sieht man ihn frühmorgens am Mehliskopf.
Im Dollenberg ist er oft bis zwei Uhr in der Nacht – und steht fürs gemeinsame Frühstück mit seiner Frau Birgit und Tochter Isabell um 6 Uhr auf. Familie sei das wahre Glück, sagt Schmiederer mit badischer Wortmelodie. Auch dass seine Schwester und Stellvertreterin im Hotel, Ulrike, und deren Mann Martin im Dollenberg so mitwirken, „das ist ein außerordentlicher Glücksfall“.
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Schmiederer macht gerne Politik
Glück sei für ihn auch, dass 50 Prozent seiner Gäste aus der „europäischen Familie“ kommen. Diese Freundschaft mit den Franzosen ist für Schmiederer auch Jahrzehnte nach Adenauers und de Gaulles großer Versöhnung keine Selbstverständlichkeit. Vor dem Dollenberg hängen auch viele Fahnen, fast als stünde man vor den UN in New York.
Schmiederer macht gerne Politik – was seine Gegner kritisieren. Er argumentierte beispielsweise gegen einen geplanten Windpark auf der Alexanderschanze. Und die Mehrwertsteuer-Senkung in der Gastronomie ist ein Coup, der das Renchtal in die Schlagzeilen brachte. Schmiederer kann gegen Mainstream. „Die Euphorie, die wir jetzt alle beim Klima haben, kann auch umschlagen.“ Er sorge sich, dass die finanziellen Lasten zu einer höheren Arbeitslosigkeit führen könnten, weswegen Nationalisten noch mehr Auftrieb bekämen.
Früher nannten sie ihn „den jungen Strauß“
Im Gemeinderat ist Schmiederer, den sie früher im Ort als „den jungen Strauß“ bezeichneten, schon lange nicht mehr. Aber es gibt Anekdoten: Wie er bei den Freien Wählern anfing, weil ihn die CDU mit 19 zu jung fand. Später war er den Schwarzen „zu frech“ – da hat Schmiederer eine Liste der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union geschmiedet und ist prompt mit zwei weiteren JU’lern gewählt worden. Diebisch freut er sich noch heute, wie die CDU-Altvorderen damals reagiert haben.
Auch ohne Mandat will Schmiederer etwas bewegen. Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre ein neuer Wildtierpark entstanden. Mit Elektrosmarts hätten Besucher auf Safari gehen können, GPS-gesteuert wären Areale während der Brunftzeit gesperrt worden. So etwas hätte der Tourismuswirtschaft nach Schmiederers Meinung gut getan. Man dürfe den Nationalpark Nordpark nicht ideologisch sehen.
Schwarzwald-Serie und nicht nur den „Bergdoktor“
Und dann bräuchte man bei all den „Bergdoktoren“ und „Bozen-Krimis“ aus den Alpen wieder eine Serie wie einst „Die Schwarzwaldklinik“ . Anregungen für Filmreifes gäbe es genug, da sind sich viele Schmiederer-Kenner sicher: im Renchtal statt im Glottertal.
Die Schmiederer-Story
Abgeschnitten, ohne Straße, so leben Rudolf und Anna Schmiederer am Dollenberg mit ihren sechs Kindern. Die müssen im Winter auf Skiern zur Schule fahren. Der Vater ist Wegwart, das Zubrot kommt von der Kleinstlandwirtschaft. Später versorgen sie Nachbarn mit einer Flaschenbierhandlung. Im Rucksack schleppen die Kinder die leeren Flaschen hoch zur Bundesstraße. Doch Meinrad weiß schon als Kind: „Ich baue ein Hotel.“ Zumindest Hoteldirektor will er werden.
Ein Höhepunkt des Jahres bei den Schmiederers ist, wenn sie nach dem Preiselbeerpflücken an der Schwarzwaldhochstraße in eine einfache Wirtschaft einkehren. Meinrad sieht als Zehnjähriger die Bühlerhöhe, will dieses Mal dort hinein. Seine Mutter entgegnet: „Das eine musch du dir merke. Des isch nix für uns kleine Leut’.“ In Meinrad ist der Ehrgeiz geweckt. „Ein Hoteldirektor kann einem Koch nur etwas sagen, wenn er etwas davon versteht“, erinnert sich der Patron des Luxushotels Dollenberg heute.
Einmal pro Woche fährt er mit dem Rad eine Stunde lang zur Kochlehre nach Freudenstadt. Nach deren Abschluss nimmt ihn die Bühlerhöhe für eine Hotelkaufmannslehre – zu der Zeit gibt es nur sieben Lehrlinge dieses Fachs in Baden-Württemberg.
Günther Haderecker, Direktor der Bühlerhöhe, fördert das junge Talent Schmiederer und verkürzt dessen Lehrzeit. Denn die Eltern haben am Dollenberg Ausflügler zuerst an drei Tischen bewirtet und wollen nun im Jahr 1969 ein paar Gästezimmer anbauen. „Ohne Schwimmbad kommt keiner hoch“, sagt ihnen Meinrad.
Zwei seiner Brüder sind Maurer und Klempner. Es wird investiert – unter der Voraussetzung, dass Schmiederer „für zwei Jahre“ ins obere Renchtal zurück kommt. Haderecker unterstützt ihn weiter, beispielsweise, als Schmiederer eine Anfrage für eine Hochzeit hat – aber Geschirr und Tischdecken fehlen. „Du weißt, wo welches zum Ausleihen in der Bühlerhöhe steht“, heißt es.
Längst hat sich eine Freundschaft zwischen Haderecker und Schmiederer entwickelt, die bis heute trägt. Und die Hotelwelt „Dollenberg“ mit ihren 100 Zimmern, 180 Mitarbeitern, Helikopterlandeplatz und eigener Kapelle genießt weltweites Renommee.