
Das Land will die Agenda 2030 im Ortenaukreis mit 60 Prozent der Gesamtkosten fördern – weit mehr als ursprünglich geplant. Dies kündigte Manne Lucha am Dienstag in einer Sondersitzung des Kreistags an. Das lang erwartete Statement des Sozialministers hat freilich einen Haken: Es ist nur eine politische Absichtserklärung. Ob diese die nächste Landtagswahl überlebt, daran hatten angesichts der Steuerausfälle durch die Corona-Krise zumindest einige Kreisräte so ihre Zweifel.
Lucha mühte sich, diese zu zerstreuen: „Wir stehen, stand heute, ganz klar auf ihrer Seite“. Was der Ortenaukreis derzeit mache, könne als Blaupause für andere Kliniken dienen: „Das hat Vorzeigecharakter“.
Von Demonstranten empfangen
Mit Trillerpfeifen empfingen zwei Dutzend Demonstranten den Sozialminister, vor allem Mitglieder des runden Tischs Oberkirch und der Linken Liste Ortenau. Neue Argumente hatten im folgenden kurzen Wortgefecht beide Seiten nicht vorzubringen. Allerdings wurde einmal mehr deutlich: die Akzeptanz der großen Krankenhausreform steht und fällt mit der Frage, ob für die aufzugebenden Kliniken eine sinnvolle Folgenutzung gefunden wird.
Und so war am Dienstag plötzlich nicht mehr die Rede von der Schließung der Häuser in Ettenheim, Kehl und Oberkirch, sondern von der Umwandlung in „Primärversorgungszentren“. Was immer das heißen mag. Ohne die Kassenärztliche Vereinigung, daran ändert sich nichts, wird man die Kuh aber wohl nicht vom Eis bekommen.
Das ist deutlich mehr als wir befürchtet haben.Valentin Doll, Sprecher Freie Wähler
Bei einem weiteren zentralen Streitpunkt – der Frage nach der künftigen Notfallversorgung, die der gemeinsame Bundesausschuss durch seine strikten Vorgaben für Notaufnahmen zuletzt noch zugespitzt hat – kündigte Lucha an, die „Notfalleinsatzplätze“ künftig von der Kliniklandschaft zu entkoppeln. Auf diese Weise werde das Land sicherstellen, dass die Rettungsfristen eingehalten werden. Der Notarztwagen der Zukunft, so Lucha weiter, werde zur „rollenden Intensivstation“.
Es gab viel Wohlwollendes aus dem Mund des Grünen Ministers für die Reformpläne des Kreises und vor allem für das künftige Offenburger Krankenhaus, das zum „Zentralklinikum mit Maximalversorgungsanteil für die gesamte Region“ werde. Weitaus knapper handelte Lucha die Standorte Achern, Wolfach und Lahr ab – „ich sehe, dass Sie sich hier einiges vorgenommen haben“. Auf die Frage von FDP-Kreisrat Eberhard von Hodenberg, wo das Land denn sparen wolle, wenn die Mittel knapp werden, gab es jedenfalls keine Antwort des Ministers.
Und auch der Acherner Oberbürgermeister Klaus Muttach kann sich aussuchen, was er wohl mit der Reaktion des Sozialministers auf die Frage anfangen wird, inwieweit man bei der Planung auch auf die Vorgänge im Klinikum Mittelbaden reagiert. „Der Patient denkt nicht in Landkreisgrenzen, und er denkt sehr oft auch nicht in Wohnortnähe. Subjektiv das Wichtigste ist das Essen, aber im Vordergrund steht natürlich die medizinische Versorgung“, sagte er.
Kreis vor Jahrhundertaufgabe
Der entscheidende Punkt freilich ist die Finanzierung. Nachdem die Kosten für die Klinikreform je nach Betrachtungsweise auf mehr als 1,3 Milliarden Euro geklettert sind, sieht sich der Kreis vor einer Jahrhundertaufgabe – und hofft auf die Hilfe des Landes das, der reinen Lehre folgend eigentlich die gesamten Investitionskosten für den Krankenhausbereich tragen müsste.
Das aber tut es schon lange nicht mehr, so dass die Nachricht von der 60-Prozent-Förderung der Gesamtkosten – Extrawünsche ausgenommen - am Dienstag mit großer Erleichterung registriert wurde.
Was das in Heller und Pfennig bedeutet, das wird nun wohl gerade beim Ortenau Klinikum ausgerechnet. „Ich habe mir gut überlegt, ob ich mich heute so weit aus dem Fenster lehne“, so der Minister zu der angekündigten Zuschusshöhe. Er sei sich durchaus bewusst, dass er damit den Kreistag ebenso unter Druck setze, wie sich und sein Ministerium. Dann gab es ein Versprechen: „Wenn Sie heute mit uns ein Krankenhaus planen, dann sind Sie auf der sicheren Seite“.
Der Kreistag blieb skeptisch und mühte sich, den Minister auf seine Worte festzunageln. Die Aussage zu den Landeszuschüssen sei von großer Bedeutung, sagte Kai-Achim Klare (SPD), sie gebe dem Kreis Planungssicherheit. Ähnlich Alfred Baum (Grüne): „Danke für die Zusage, wir können das gut gebrauchen, denn wir stehen ganz schön in der Kritik nach den Summen, die da zuletzt genannt wurden“.
Valentin Doll, (FW) zielte in die selbe Kerbe: „Die Zusage steht für mich, auch nach der nächsten Landtagswahl“. Die 60 Prozent seien „deutlich mehr, als wir befürchtet haben“.