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Klinikreform im Ortenaukreis kommt voran

Folgenutzung für Oberkircher Krankenhaus ist gefunden

Jahrelang hat man sich im Ortenaukreis um die milliardenteure Klinikreform gestritten. Jetzt scheint der Kreistag zur Einigkeit zurückzufinden – ausgerechnet bei einem der heikelsten Punkte, der Zukunft für das Krankenhaus in Oberkirch.

Klinikum Oberkirch
Einigung nach langem Tauziehen: Der Krankenhausausschuss des Kreises hat am Donnerstag das künftige Konzept für das Oberkircher Klinikgebäude beschlossen. Am Dienstag wird der Kreistag beraten. Geplant sind unter anderem Pflegebetten und eine Notfallpraxis. Foto: Benedikt Spether

So viel Einigkeit war schon lange nicht mehr. Nach Jahren des erbitterten Streits um die Krankenhausreform findet der Kreistag nun langsam zur einst bei heiklen Fragen gepflegten Konsenspolitik zurück.

Mit nur einer Gegenstimme sprach sich der Klinikausschuss des Kreistags am Donnerstag für das künftige Nutzungskonzept des Oberkircher Krankenhauses aus. Damit ist die wohl zappeligste Kuh beim größten Projekt in der Geschichte des Kreises sanft vom Eis geführt worden.

Des Konzept entspricht im Wesentlichen dem, das die Verwaltung im Oktober vorgelegt hatte. Es wird den Oberkirchern aber versüßt mit millionenschweren Garantien aus dem 100-Millionen-Fonds, den der Kreis für die Folgenutzung der Standorte Oberkirch, Ettenheim, Gengenbach und Kehl aufgelegt hatte. Das soll verhindern, dass ausgerechnet die attraktivsten Teile des neuen Nutzungskonzepts an finanziellen Missstimmigkeiten scheitern.

Der Kreis ist bei der Umsetzung auf Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigung (KV) angewiesen. Und die zeigen sich immer wieder mal störrisch, wie FDP-Sprecher Eberhard von Hodenberg, selbst Chefarzt, in deiner unvergleichlichen Art anmerkte: Gerade die KV sei doch ein „schwieriger Verein“.

An dem, was die Oberkircher bekommen sollen, hat sich nicht viel geändert. Es wird ein Seniorenheim mit Extras. Und gerade diese Extras sind es, auf die man im Renchtal Wert legt. Zwei zentrale Bausteine sind Genesungsbetten, die die Lücke zwischen der stationären Unterbringung im Klinikum und einem Pflegebett schließen sollen und, zentrale Forderung aus dem Renchtal, eine Notfallpraxis mit Notarztstandort.

Der Kreis zahlt kräftig zu

Der Kreis verpflichtet sich, die Genesungsbetten, sollte keine andere Lösung gefunden werden, mit bis zu 30.000 Euro jährlich mitzufinanzieren. Nach drei Jahren soll das Konzept auf den Prüfstand. Wesentlich teurer käme, wenn eine Übereinkunft mit der eigentlich zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung scheitert, die Notfallpraxis. Der Kreis verspricht hier, maximal 200.000 Euro jährlich für die Dauer von bis zu zehn Jahren zuzuschießen.

Wesentliches Standbein des künftigen Zentrums für Gesundheit freilich sind die Pflegebetten, an deren Bedarf und Finanzierung keine Zweifel bestehen. Insgesamt sind 44 Betten geplant, die je nach Bedarf für die Pflege, die Kurzzeitpflege oder eben als Genesungsbetten genutzt werden sollen. Das Klinikgebäude, das in einem recht guten Zustand ist, soll zudem Facharztpraxen und einen Hebammenstützpunkt aufnehmen.

Das Thema sollte vom Tisch

Ausschuss und Verwaltung zeigten sich am Donnerstag einig in dem Wunsch, das Thema nun vom Tisch zu bekommen. Grundlage der Nachbesserungen war ein mit der Klinikleitung abgestimmter Antrag von fünf Kreisräten aus dem Renchtal, die auch noch eine Mehrheit für ihre nachgeschobene Bitte bekamen, die Deckelung der Mitfinanzierung bei den Genesungsbetten, falls nötig, aufzuheben.

Auch die SPD bekam ihren Wunsch erfüllt, die Stelle eines Geschäftsführers für die geplante „zweite Säule“ des Gesundheitswesens – Oberkirch ist ja nicht die einzige Baustelle – bald auszuschreiben.

Versöhnt zeigte sich auch der Oberkircher Oberbürgermeister Matthias Braun (CDU), der den interfraktionellen Antrag aus dem Renchtal vorgestellt hatte: „Ich bin froh, dass wir so weit gekommen sind“. Braun wünscht sich mittelfristig eine Weiterentwicklung des Standortes zum einem Gesundheitscampus „mit intersektoralen Leistungsangeboten.“

Heikelste Frage ausgespart

Dass man sich so einig war – nur die Linke Liste stimmte gegen den Entwurf – lag auch daran, dass man den heikelsten Punkt an diesem Nachmittag aussparte. Es ist die Frage, ob Oberkirch tatsächlich bis 2030 am Netz bleiben soll oder ob die Nachnutzung mit der notwendigen Umbauphase nicht einen früheren Ausstieg aus dem Betrieb als Akutklinik bedeutet.

Zu verschmerzen wäre dies, derzeit liegen nach Angaben der Klinikleitung 24 Patienten durchschnittlich in Oberkirch. Die könnten, so das Signal der Verwaltung, auch anderweitig untergebracht werden.

Dass man eine teure Bauruine schaffe, wenn man nun wie geplant knapp zehn Millionen in die Umnutzung von Oberkirch investiert, diesen Verdacht wies Klinik-Geschäftsführer Christian Keller von der Hand. „80 Prozent der Investitionen entfallen auf Bereiche, die ziemlich sicher gehen werden.“ Auch bei den übrigen verliefen die Gespräche durchaus positiv: „Wir sind sehr optimistisch.“

Kommentar: Erleichterung

Gottseidank. Ein Konzept für die Zeit nach der Schließung des Oberkircher Krankenhauses ist gefunden. Nachdem Politik und Aktivisten aus dem Renchtal monatelang auf Kreis und Klinikum eingedroschen hatten, darf man diesen Sieg der Vernunft mit Erleichterung verbuchen. Dass die Oberkircher dabei noch ein paar finanzielle Garantien herausgeschlagen haben, ist nur recht und billig, stehen doch 100 Millionen Euro bereit, um die Folgen der Krankenhausschließungen abzufedern.

Vergessen also die Versuche aus dem Renchtal, den Neubau in Achern zu verhindern, nur so aus Trotz? So einfach ist es leider nicht. Zum Einen sollen beide Einrichtungen, das neue Acherner Krankenhaus wie auch das Pflegeheim mit Extras am Klinikstandort in Gaisbach, der gesamten nördlichen Ortenau dienen. Schade, dass man das im Renchtal im Eifer des Gefechts übersehen hat.

Vor allem aber war die Entscheidung am Donnerstag geprägt vom Schock, den der neue Wirtschaftsplan ausgelöst hatte. Auf rund 44 Millionen Euro summiert sich der Fehlbetrag aus dem laufenden Betrieb der Krankenhäuser in den kommenden beiden Jahren, die Verschuldung steigt weiter rasant.

Damit ist klar: Auf die Einigung über Oberkirch folgt unausweichlich die peinigende Debatte, ob der Kreis es sich wirklich leisten kann, alle Häuser bis 2030 am Netz zu lassen. Dabei wird der Standort Oberkirch, längst schon dem Acherner Krankenhaus zugeschlagen, zu allererst in den Fokus geraten.

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