Noch mehr Hilfe für Eltern in der Ortenau: Demnächst starten zwei weitere „Babylotsinnen“ an den Klinikum-Standorten Lahr/Ettenheim und Achern. Sie sollen vor allem belasteten Familien Angebote zur Unterstützung nahebringen.
Dank neuer Fördermittel ist die Arbeit der Lotsinnen als Teil des Präventionsprogramms „Frühe Hilfen“ mit vier halben Stellen bis Ende 2022 gesichert, sagte Ullrich Böttinger, Leiter des Amtes für Soziale und Psychologische Dienste. Anschließend müsse es unbedingt weitergehen, denn eigentlich seien doppelt so viele Stellen nötig.
Eine wachsende Anzahl von Geburten im Kreis, mehr Arbeit und Zuständigkeiten für Ärzte und Pflegepersonal – um Familien schon in den Geburtskliniken mit präventiven Angeboten zu erreichen, sei die Arbeit der Babylotsinnen nicht mehr wegzudenken.
Ziel ist, vor allem belastete Familien rechtzeitig zu erreichen, bevor etwas total in Schieflage gerät.Sandra Kappler, Babylotsin
Claudia Weber und Sandra Kappler sind seit Anfang dieses Jahres im Ortenau Klinikum Offenburg unterwegs und nehmen direkt vor oder nach der Geburt mit den Eltern Kontakt auf, um ihnen das Angebot der „Frühen Hilfen“ nahezubringen. Eine Arbeit, die bis dahin Ärzte und Pfleger zusätzlich ehrenamtlich wahrnahmen, aber im Grunde nicht mehr leisten könnten, erklärte Böttinger. 2021 kommen allein am Klinikum-Standort Offenburg voraussichtlich mehr als 2.500 Babys zur Welt, Tendenz steigend. 2011 waren es rund 1.700. In der gesamten Ortenau werden jährlich rund 4.300 Babys geboren.
Babylotsinnen besuchen zwischen 150 und 180 Frauen im Monat
Die Babylotsinnen gehen von Zimmer zu Zimmer, sprechen die Familien an und informieren unter anderem über Bildungskurse und das Beratungsangebot der fünf Fachstellen im Kreis. Der Bedarf ist dabei ganz unterschiedlich: „Wenn Frauen zum Beispiel ihre Schwangerschaft erst spät bemerken, sind sie sehr dankbar für Hinweise, an wen sie sich wenden können, um Unterstützung zu bekommen“, erzählte Claudia Weber. Andere zeigen Unsicherheiten im Umgang mit dem Neugeborenen oder haben finanzielle Sorgen.
„Ziel ist, vor allem belastete Familien rechtzeitig zu erreichen, bevor etwas total in Schieflage gerät“, sagte Sandra Kappler. Zwischen 150 und 180 Frauen besuchen die beiden Lotsinnen im Monat. „Wenn jemand mal nicht so offen ist, haken wir zwar nach, aber wir bedrängen nicht“, berichtet Kappler. Die Sozialarbeiterin und ihre sozialpädagogische Kollegin haben auch ein Büro auf der Entbindungsstation, in das sie die Frauen zu einem Gespräch einladen können.
Frühe Hilfen
Rund eine Million Euro investiert der Ortenaukreis jährlich in seine „Frühen Hilfen“. Rund 200.000 Euro kommen zusätzlich aus der Bundesstiftung Frühe Hilfen. Als einer der ersten Kreise in Deutschland startete die Ortenau 2009 ein solches Präventionsprogramm, das seitdem viele Nachahmer gefunden hat. Es richtet sich an Eltern mit Säuglingen und Kleinkindern von 0 bis drei Jahren sowie werdende Eltern und will das gesunde Aufwachsen des Nachwuchses fördern, um ungünstige Entwicklungen und Kindeswohlgefährdungen bereits im Vorfeld zu vermeiden.
Seit 2017 habe es sich deutlich gezeigt, dass es ohne spezielle Lotsinnen nicht mehr möglich ist, die Familien früh genug zu erreichen, sagte Ullrich Böttinger. Man habe sich auf hochbelastete Eltern beschränken müssen, andere drohten durch das Raster zu fallen. Seit Claudia Weber und Sandra Kappler mit übernommen haben, sei die Zahl der Beratungsgespräche und Anfragen bei den Fachstellen der Frühen Hilfen wieder gewachsen.
Das Angebot sei aber als Service für alle Familien zu verstehen, unterstreicht Böttinger. Finanziert werden die Lotsinnen aus Mitteln der Bundesstiftung Frühe Hilfen. Das Geld für die beiden zusätzlichen halben Stellen für Lahr/Ettenheim und Achern stamme aus einem Corona-Aufholprogramm für Kinder und Jugendliche. Um die Arbeit der Babylotsinnen auch nach 2022 langfristig zu sichern, bemühe sich der Kreis schon jetzt um Anschlussfinanzierung.