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Millionengeschäft mit Verkehrssündern

Blitzer im Ortenaukreis: Die wirklichen Raser werden selten erwischt

Knapp zwei Millionen Euro hat der Ortenaukreis im ersten Halbjahr bei Temposündern kassiert. Die höheren Bußgelder seit November 2021 haben des Verhalten der Auto- und Motorradfahrer kaum geändert.

Autos fahren  an einer sogenannten Blitzersäule  vorbei.
Der Ortenaukreis zieht eine positive Bilanz seines Modellversuchs in Neuried und erwartet, dass bald weitere Kommunen anklopfen. Foto: Tim Brakemeier/dpa

Seit November 2021 kann es richtig teuer werden. Vor allem Falschparkern und Temposündern will der Bund mit seinem neuen Bußgeldkatalog die Grenzen aufzeigen. Der Ortenaukreis spürt das in der Kasse: In den ersten sechs Monaten des laufenden Jahres hat das Landratsamt 1,89 Millionen Euro von Verkehrssündern eingestrichen. Vor einem Jahr waren es im selben Zeitraum gerade einmal 1,04 Millionen Euro.

Das Rasen ist nämlich teurer geworden, doch nicht seltener. „Leider haben wir angesichts der höheren Sanktionen bisher keine Verhaltensanpassung festgestellt“, sagt Gabriele Schindler von der Pressestelle des Landratsamts.

Im Landratsamt hat man die Hoffnung noch nicht aufgegeben: „Die Menschen müssen erst die konkrete Erfahrung machen, bevor sie eine konkrete Verhaltensänderung in Erwägung ziehen“, sagt Stefanie Dörfler, Leiterin des Amts für Verkehr und Nahverkehr. Will heißen: Die Akzeptanz, so hofft man, steigt mit der Zahl der Bußgeldbescheide.

Tempokontrollen im Ortenaukreis als Dauerbrenner

Tempokontrollen durch Kommunen und das Landratsamt – ein Dauerbrenner bei den Bürgern, die sich oft an Stellen geblitzt sehen, die ihrer Meinung nach nicht eben Unfallschwerpunkte sind. Mit einem „Trailer“ und zwei mobilen Anlagen sind die Mitarbeiter des Landratsamts auf der Pirsch. Blitzen sie vor allem da, wo es die Masse macht, weil man sich üblicherweise gegen Knöllchen im zweistelligen Euro-Bereich nicht wehrt, während die echten Raser natürlich vor Gericht ziehen, wenn es um den Führerschein geht?

800 Euro kostet ein heftiger Tempoverstoß

Bis zu 800 Euro und drei Monate Fahrverbot kann eine knackige Tempoüberschreitung innerorts inzwischen kosten, die Punkte in Flensburg nicht einmal eingerechnet. Da ist es doch einfacher, von der Masse derer, die beispielsweise am Offenburger Ei in der langgezogenen 60er-Zone mit Tempo 75 erwischt werden, jeweils ein paar Euro einzustreichen.

Das Kleinvieh macht den Mist

Die Debatte ist so alt wie die Tempokontrollen an sich. „Der Ansatz ist ausdrücklich nicht, da zu stehen, wo die meisten durchfahren und wir das größte Einnahmepotenzial haben“, sagt Dörfler. Tatsächlich aber ist es schon das Kleinvieh, das den Mist macht: 85 Prozent der gemessenen Tempoüberschreitungen im Kreis liegen im Bereich von Verwarnungsgeldern bis 55 Euro, richtige Raser sind selten.

Nur 0,02 Prozent der Geblitzten waren mehr als 70 Kilometer pro Stunde zu schnell. Das kostet dann 700 Euro auf der Landstraße und 800 Euro im Ort, dazu zwei Punkte und drei Monate Fahrverbot. Insgesamt sind, gemessen an den jüngsten Kontrollen zum Schuljahresbeginn, rund sechs Prozent der Verkehrsteilnehmer zu schnell unterwegs. Ein Wert, der schon einmal höher war.

Bei der Vollstreckung gibt es gewisse Hürden.
Stefanie Dörfler, Amt für Straßenverkehr

Der Ortenaukreis beschreitet Neuland. War das Aufstellen von so genannten Blitzersäulen bisher vor allem Sache der Kommunen, so hat der Kreis in Neuried jetzt einen Test gestartet. Drei Säulen sollen die Verkehrsteilnehmer in den Ortsteilen Ichenheim, Dundenheim und Altenheim disziplinieren.

Das Beispiel könnte Schule machen. „Neuried war ein Pilotprojekt, nach einem Jahr kann man sagen, es war sehr positiv, weil die Zahl der Verstöße zurückgegangen ist“, sagt Stefanie Dörfer. Sie erwarte, dass bald andere Kommunen Interesse anmelden.

Franzosen haben weiter Sonderrolle

Gerade in Neuried dürften auch zahlreiche Franzosen geblitzt werden. Jahrzehnte nach der ersten Diskussion um die Frage, ob deutsche Bußgelder im Ausland auch eingetrieben werden können, haben die Bürger aus dem Nachbarland erstaunlicherweise noch immer ein ganzes Stück Narrenfreiheit auf den deutschen Straßen, während sie sich zuhause meist penibel ans Tempolimit halten.

Knapp jeder zehnte Tempoverstoß (8,8 Prozent) wird von einem Fahrer mit französischem Kennzeichen begangen. In solchen Fällen werden die Bußgeldbescheide auch regelmäßig zugestellt, doch „bei der Vollstreckung gibt es gewisse Hürden“, sagt Dörfler.

Wie viele der geblitzten Nachbarn am Ende zahlen, das weiß offenbar niemand. „Dazu gibt es keine Auswertung“, heißt es aus dem Offenburger Landratsamt.

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