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Fasst die Wirtschaft wieder Tritt?

Chef der Offenburger Arbeitsagentur: Es gibt einen hohen Unsicherheitsfaktor

Wie schlimm wirkt sich Corona auf den Arbeitsmarkt in der Ortenau aus? Die Experten sind sich uneins – und auch beim Arbeitsamt in Offenburg gibt man sich nach drei Monaten noch sehr zurückhaltend.

Horst Sahrbacher Agentur für Arbeit Offenburg
Horst Sahrbacher Agentur für Arbeit Offenburg Foto: Bode

Erholt sich die Wirtschaft bereits vom Corona-Schock? Mit einer beispiellosen Flucht in die Kurzarbeit haben die Unternehmen in der Ortenau den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lockdown abgefedert. Wie es weitergeht, ist völlig offen, sagt Horst Sahrbacher, Chef der Offenburger Arbeitsagentur, im Gespräch mit unserem Redakteur Frank Löhnig. Denn die aktuellen Zahlen zur Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit sagen weniger aus als man meinen sollte – so erschreckend sie auf den ersten Blick auch sind. Klar ist: Der übliche Frühjahrsaufschwung auf dem Arbeitsmarkt ist ausgefallen.

Sehen Sie einen Silberstreif am Horizont?
Horst Sahrbacher

Der Lockdown hat die Wirtschaft empfindlich getroffen. Das gilt auch für viele Branchen, die noch nie etwas mit dem Thema Kurzarbeit zu tun hatten – beispielsweise in Gastronomie, dem Handel oder dem Freizeitbereich. Mehr als 4.700 Betriebe haben seit Beginn der Corona-Krise Kurzarbeit angezeigt, betroffen können bis zu 70.000 Arbeitnehmer sein. Das sind 42 Prozent der Unternehmen und 38 Prozent aller Beschäftigten im Ortenaukreis. Doch es gibt einen hohen Unsicherheitsfaktor. Wer die Kurzarbeit tatsächlich in Anspruch genommen hat, das werden wir erst in ein bis drei Monaten wissen, wenn die Abrechnungen vorgelegt werden. Aus diesen Zahlen schon abzuleiten, wohin die Wirtschaft in der Ortenau läuft, ist unmöglich. Es gibt da die unterschiedlichsten Einschätzungen. Entscheidend wird sein, wie das weitere Pandemiegeschehen verläuft und wann es eine tatsächliche Normalisierung in den Betrieben gibt. Man muss sich nur einmal die Gastronomie ansehen – die ist weit davon entfernt, wieder so agieren zu können wie vor Corona.

Die Arbeitslosenzahlen sind in einer Geschwindigkeit in die Höhe geschnellt wie wir es wohl noch nie gesehen haben – trotz Kurzarbeit. Wie wird es weitergehen?

Die Einschätzung ist enorm schwierig. Fakt ist, im April und Mai hatten wir eine deutliche Zunahme der Arbeitslosigkeit, die sich vor allem aus zwei Quellen speiste: Den neu bei uns gemeldeten Menschen und denen, die nicht, wie sonst im Frühjahr üblich, wieder in Beschäftigung kommen. Normalerweise sinkt die Arbeitslosigkeit in diesen beiden Monaten durch saisonale Effekte. Das ist in diesem Jahr ausgefallen. Insgesamt haben wir Stand Juni 39,4 Prozent mehr Arbeitslose als im Vorjahresmonat. Allein auf die Arbeitsagentur bezogen sind es allerdings 76 Prozent – bei der Kommunalen Arbeitsförderung sind die Entwicklungen der vergangenen Wochen noch nicht in ihrer ganzen Wucht angekommen. Man kann aber auch sehen, dass wir im Juni 130 Arbeitslose weniger haben als im Mai. Das Saisongeschäft hat, wenn auch auf niedrigem Niveau, wieder eingesetzt.

Automobilzulieferer hier, Fremdenverkehr da – ist die Ortenau mit diesen beiden Standbeinen nicht besonders exponiert für die Auswirkungen von Corona?

Im Gegenteil. Ich denke sogar, dass wir hier von der Struktur her besonders robust aufgestellt sind, weil wir von kleinen und mittelständischen Firmen geprägt sind und nicht so sehr an Großunternehmen hängen. Entscheidend ist derzeit,dass nun auch Betriebe unter der Entwicklung leiden, die bislang keinerlei strukturelle Probleme hatten. Aber das gilt für praktisch alle Regionen in Baden-Württemberg.

Viele Unternehmen beschäftigen ungewöhnlich viele französische Arbeitnehmer. Ist das in so einer Krise ein Vor- oder ein Nachteil?

Das gibt sich nichts. Die französischen Beschäftigten sind ebenso von Kurzarbeit betroffen wie die deutschen. Der Lockdown hat sie nicht mehr und nicht weniger berührt als ihre deutschen Kollegen – das Einpendeln nach Deutschland war für Arbeitnehmer aus dem Elsass weiter möglich, aber mit erheblichen Schwierigkeiten durch die Grenzkontrollen verbunden. Die Möglichkeiten der grenzüberschreitenden Beschäftigung werden wir auch weiterhin für die Menschen und Betriebe im Elsass und der Ortenau erschließen.

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