Vier Jahre lang hat Gunter Harder-Knoop die Außenstelle in der Vogesenstraße in Offenburg geleitet. Als 73-Jähriger hatte sich der Oberamtsrat a.D. damals bereit erklärt, das Ehrenamt zu übernehmen.
In seiner beruflichen Zeit beim Bundesamt für Justiz und beim Bundesgerichtshof habe er Einblick in unzählige Strafakten erhalten, sagte er seinerzeit. Immer hätten die Täter im Fokus gestanden, nur selten die Opfer. „Doch gerade diese leiden oft ein Leben lang unter den Folgen, brauchen dringend Hilfe.“ Jetzt hat er sich aus Alters- und gesundheitlichen Gründen zurückgezogen.
Personalnot beim Weißen Ring: Hilfsorganisation braucht selbst Hilfe
Nun ist es die Organisation, die ansonsten Hilfe für Betroffene anbietet, die mit einem Hilfeschrei in eigener Sache an die Öffentlichkeit tritt. „Wir sind auf der Suche nach einem neuen Außenstellenleiter“, sagte Hartmut Grasmück bei einem Pressegespräch am Montag.
Grasmück war vor seinem Ruhestand, den er im Oktober 2017 antrat, Polizeipräsident von Heilbronn und davor auch Landeskriminaldirektor, kennt sich also im Umfeld von Strafgesetzgebung und Opferschutz gut aus. Vor zweieinhalb Jahren hat er von seinem Vorgänger Erwin Hetger, dem früheren Landespolizeipräsidenten, das Ehrenamt als Landesvorsitzender des Weißen Rings übernommen.
Trotz verschiedener Anstrengungen – und obwohl er auch seine Kontakte zur Polizei genutzt habe – sei es bislang nicht gelungen, für Harder-Knoop einen Nachfolger zu finden, so Grasmück: Oft sagten in den Ruhestand tretende Polizisten, sie seien jetzt 40 Jahre bei der Polizei, wollten von der Thematik vorerst Abstand nehmen.
Weißer Ring behilft sich in Offenburg mit Übergangslösung
Also behelfe man sich vorläufig für die Offenburger Außenstelle mit einer Übergangslösung, die hoffentlich nicht von langer Dauer sein werde. Ingrid Strehlow, schon seit 2017 bei der Opferschutzorganisation ehrenamtlich tätig, werde ihren Einsatz als Stellvertreterin fortsetzen, im Duett mit einem alten Bekannten: Jürgen Henninger. Von 2007 bis 2018 war der frühere Polizeibeamte Außenstellenleiter, ehe er mit der Landesehrennadel verabschiedet wurde.
Potenzielle Leitungskandidatinnen oder -kandidaten, die beruflich bei der Justiz oder Polizei tätig waren oder sind, würden das Anforderungsprofil am besten erfüllen, zumal sie sich in der Materie sehr gut auskennen, doch auch ehemalige Bürgermeister oder Behördenleiter wären aufgrund ihrer Verwaltungserfahrung geeignete Leute, so Grasmück. Er kenne einen jungen Rechtsanwalt aus Tübingen, der sich uneigennützig in den Dienst der Sache gestellt habe. „Ich möchte neben meiner beruflichen Tätigkeit eine sinnvolle soziale Aufgabe wahrnehmen“, so dessen Motivation. Henninger erzählte, dass ihm mal ein früheres Opfer an Heiligabend zum Dank eine Engel-Figur geschenkt habe.
Weißer Ring kann Mitstreiter nicht mit Geld locken
Grasmück räumte ein, dass der gemeinnützige Verein mit Geld keine Mitarbeiter locken könne: „Damit können wir nicht dienen.“ Vielleicht aber finde man doch zeitnah jemanden, für den es erfüllend sein kann, anderen mit Lebenserfahrung und Empathie als „Lotse im Hilfe-Dschungel beizustehen, mögen auch Opfer wie Mitarbeiter nicht immer pflegeleicht sein“.
Opfer seien nicht selten Frauen, die häusliche Gewalt erleben. Sie würden etwa bei Behördengängen begleitet, bekämen auch finanzielle Unterstützung. Im Jahr 2020 seien alleine im Ortenaukreis 30.000 Euro an Betroffene geflossen.
Der bundesweit tätige Verein Weißer Ring wurde 1976 gegründet, zu einer Zeit, da Kriminalitätsopfer noch keine große Lobby hatten und, alleingelassen, bei Gerichtsverfahren häufig eine zweite Traumatisierung erlebten. Das habe sich seither zum Glück geändert, so Grasmück.