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Flüchtlinge spielen geringe Rolle

Zahl der Straftaten in Mittelbaden wieder gestiegen: „Gelegenheit macht Diebe“

Mit der Rückkehr des öffentlichen Lebens nach Ende der Pandemiebeschränkungen ist auch die Zahl der Straftaten in den Kreisen Baden-Baden, Ortenau und Rastatt wieder fast auf Vor-Corona-Niveau angelangt.

"Gewalt ist leider wieder en vogue", stellt das Polizeipräsidium Offenburg fest. Gerade auch Fälle häuslicher Gewalt sind im vergangenen Jahr im Bereich der Kreise Baden-Baden, Ortenau und Rastatt im  vermehrt registriert worden.
"Gewalt ist leider wieder en vogue", stellt das Polizeipräsidium Offenburg fest. Gerade auch Fälle häuslicher Gewalt sind im vergangenen Jahr im Bereich der Kreise Baden-Baden, Ortenau und Rastatt vermehrt registriert worden. Foto: Maurizio Gambarini/dpa

Von einer Rückkehr zur Normalität will Polizeipräsident Jürgen Rieger nicht sprechen angesichts eines Anstiegs der Straftaten im Bereich des Präsidiums Offenburg im vergangenen Jahr. Nach dem Ende pandemiebedingter Beschränkungen und der Rückkehr des öffentlichen Lebens hat sich indes auch die Kriminalität in der Region wieder fast aufs Maß der Vor-Corona-Jahre eingependelt.

Mit insgesamt 41.444 Straftaten (Vorjahr: 40.081, plus 3,4 Prozent) liegt sie noch etwas unter denen der Jahre 2014 bis 2019. Dennoch werfen die Zahlen auch Schatten, gerade im Bereich der Gewalttaten.

Gewalt ist leider wieder en vogue.
Renato Gigliotti, Leiter Schutzpolizeidirektion

„Gelegenheit macht Diebe“, formuliert es der Leiter der Schutzpolizeidirektion, Renato Gigliotti. Doch nicht nur die Diebstahls- und Eigentumsdelikte (plus 47,2 Prozent), die traditionell den Löwenanteil der Straftaten ausmachen, sind wieder mehr geworden. Ebenso nahmen die Delikte im öffentlichen Raum (21.866) und die Gewaltkriminalität zu.

Dunkelfeld bei Fällen von Belästigung bis Vergewaltigung

Mit wieder zurückgewonnenen Gelegenheiten – etwa allerlei Festivitäten – lebten denn auch „Konflikte an Bier- und Weinständen“ wieder auf, nennt Gigliotti ein Beispiel. „Gewalt ist leider wieder en vogue“ – auch gegen Polizeibeamte.

Dass mit 1.261 Fällen (ein Plus von 28 Prozent) in den Kreisen Baden-Baden, Ortenau und Rastatt sogar so viele Gewalttaten innerhalb von zwölf Monaten registriert wurden wie seit vielen Jahren nicht, liegt indes großenteils an häuslicher Gewalt (837 Fälle, Vorjahr 668).

Ein großes Dunkelfeld wird hier vermutet, das zumindest zum Teil durch Sensibilisierung und Enttabuisierung weiter erhellt werden soll – auch bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung – von Belästigung bis Vergewaltigung –, von denen 934 registriert worden sind (Vorjahr: 874).

Flüchtlinge spielen für die Sicherheitslage eine geringe Rolle

Die Anzeigebereitschaft der Opfer habe sich verändert, diese gingen mit dem Thema offensiver um, stellt die Polizei fest. Mit Fällen im familiären Kontext, unter Alkohol, in zu Ende gehenden Beziehungen oder nach dem Discobesuch habe man zu tun – K.o-Tropfen spielten in der Region in diesem Zusammenhang derweil keine bekannte Rolle, so der Leiter der Kriminalpolizeidirektion Raoul Hackenjos.

Sage und schreibe 69 Straftaten gegen das Leben weist die Statistik für 2022 auf – dreimal so viel wie der Höchststand der letzten zehn Jahre. Das, betont Hackenjos, liege an den Ermittlungen wegen des Vorwurfs fahrlässiger Tötungen „in einem Rastatter Pflegeheim“. Gemeint ist das Haus Paulus, es geht um die 32 Todesfälle im Zuge von Corona.

Auch ohne dies bleibt eine Rekordzahl von 37 Fällen, von denen Hackenjos mit Blick auf die Opfer und deren Angehörige keinen näher hervorheben wollte.

Fälle der Kinderpornografie sind zurückgegangen

Zurückgegangen seien im Bereich des Polizeipräsidiums Fälle der Kinderpornografie und des Kindesmissbrauchs.

Wenn Schüler entsprechende Videoclips per Handy auf dem Schulhof teilen, werden sie bei den Tatverdächtigen einsortiert.

885 strafunmündige Kinder bis 14 Jahre registrierte die Polizei als Verdächtige bei verschiedenen Delikten (keine schweren Straftaten wie gefährliche Körperverletzung). 4.321 unter Tatverdacht Stehende waren unter 21 Jahre – ein Anteil von 22 Prozent der insgesamt 19.610 festgestellten Tatverdächtigen.

Wir leben insgesamt in einer sicheren Region.
Jürgen Rieger, Polizeipräsident Offenburg

Der Ausländeranteil lag laut Polizei bei 52,2 Prozent – 10.232 nichtdeutsche Tatverdächtige stehen in der Statistik. Allerdings stehen 4.866 Nichtdeutsche dort nur, weil sie Delikte begangen haben, die auch nur Ausländer begehen können, etwa Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz, betont der Polizeipräsident.

Flüchtlinge spielen für die Sicherheitslage offenbar eine geringe Rolle: Die drei auffälligsten Nationalitäten bei ausländischen Tatverdächtigen seien Rumänen, Franzosen und Türken gewesen. Hier spiegele sich auch die Freizügigkeit im Grenzverkehr – vor allem in Kehl („Vorort von Straßburg“).

2023 steht der öffentliche Raum im Fokus

Aus den Erkenntnissen leitet die Polizei ihre Handlungsschwerpunkte für 2023 ab. Im Fokus steht daher gerade auch der öffentliche Raum, in dem sich etwa die Hälfte der Straftaten ereignen – lokale Konzepte sind erstellt, Polizeistreifen zeigen in der dunklen Jahreszeit Präsenz.

Schließlich soll der Bürger nicht nur sicher sein, sondern sich auch sicher fühlen – oft gibt es hier eine Diskrepanz zwischen objektiver Lage und subjektiver Wahrnehmung. „Wir leben insgesamt in einer sicheren Region“, betont Polizeipräsident Rieger.

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