Rettet die Kurzarbeit die Arbeitsplätze in der Region über die Corona-Krise? Erschreckend war im vergangenen Jahr über die Zahl der Unternehmen, die auf diese Weise Umsatzeinbrüche und Lockdown überbrücken wollten oder mussten.
Jetzt liegen die ersten Abrechnungen vor – und damit die tatsächliche Zahl der Kurzarbeiter. Im Gespräch mit ABB-Redakteur Frank Löhnig zieht Horst Sahrbacher, Chef der Offenburger Arbeitsagentur, eine erste Zwischenbilanz.
Die ersten Zahlen zur Kurzarbeit im vergangenen Jahr waren schockierend. Wie viele Betriebe haben das Instrument letztlich genutzt?
Horst SahrbacherVon April bis Dezember 2020 hatten in der Ortenau knapp 6.000 Betriebe Kurzarbeit angezeigt – für etwas mehr als 85.000 Arbeitnehmer. Zum Vergleich: Insgesamt gibt es im Kreis etwa 186.000 Beschäftigte. Derzeit sind etwa 3.000 Firmen tatsächlich betroffen, 48.000 Menschen sind in Kurzarbeit. Die Firmen sind mit dem Instrument insgesamt sehr verantwortungsvoll umgegangen.
Es galt einmal der Lehrsatz, dass der Kurzarbeiter von heute der Arbeitslose von Morgen ist – denn andere Kosten laufen für den Betrieb ja weiter. Auf was müssen wir uns da einstellen?
SahrbacherDie Pandemie stellt uns vor Herausforderungen wie keine andere Situation bislang. Wir haben die Einbrüche am Arbeitsmarkt massiv abfedern können, auch wenn es einen leichten Anstieg der Arbeitslosigkeit gegeben hat. Doch die Betriebe geben sich alle Mühe, um die Fachkräfte zu halten – weil sie wissen, die würden sie hinterher nie wiederbekommen. Welche Bedeutung das Thema für die Unternehmen hat, zeigen schon unsere Aufwendungen für die Kurzarbeit, nämlich knapp 80 Millionen Euro im vergangenen Jahr. Zum Vergleich: 2019 waren es etwas mehr als 1,3 Millionen Euro.
Werden die Betriebe diese Personalpolitik durchhalten?
SahrbacherWir müssen uns einmal erinnern, wo wir herkommen. 2018 und 2019 war das größte Wachstumshindernis für die Betriebe die Frage, wo und ob sie ausreichend qualifiziertes Personal finden. Wir haben seinerzeit Arbeitnehmer aus dem Ausland vermittelt und das Thema Qualifizierung in den Mittelpunkt gerückt. An diesem Problem wird sich nichts geändert haben, wenn Corona einmal vorbei ist, der Fachkräftemangel wird bleiben.
Auf dem Arbeitsmarkt hatte es ja auch schon vor Corona deutliche Bremsspuren gegeben.
SahrbacherJa. Ein anderes Thema ist natürlich der Strukturwandel insbesondere in der Automobilindustrie, der auch die Zulieferer hier in der Ortenau betrifft. Die Veränderung der Antriebstechnik macht die Qualifizierung der Mitarbeiter zum Gebot der Stunde. Wir raten den Unternehmen, die Kurzarbeit genau dafür zu nutzen. Einige tun dies auch.
Nun blicken ja alle besorgt auf die Entwicklung der Insolvenzen. Welche Signale haben Sie denn da bisher wahrgenommen?
SahrbacherDas Instrument Kurzarbeit wirkt, es gibt bisher keine Insolvenzen im größeren Stil. Aber klar ist auch, dass der Strukturwandel in bestimmten Bereichen der Industrie durch Corona deutlicher sichtbar wird. Doch dem Grunde nach waren diese Probleme schon im Herbst 2019 zu sehen.
Berlin hat die Regeln für die Kurzarbeit deutlich gelockert. Gibt es Hinweise auf Mitnahmeeffekte oder gar auf einen systematischen Missbrauch dieses Instruments?
SahrbacherEs gibt vereinzelte Hinweise, denen wir auch konsequent nachgehen. Ein Team in der Regionaldirektion hat sich auf dieses Problem spezialisiert und verfügt auch über die Instrumente, um Betrügereien aufzudecken. Das geht bis zu Befragungen im Betrieb. Wir reden aber auch selbst mit den Unternehmen und schauen genau hin.
In welchen Branchen wurde denn im vergangenen Jahr besonders viel Kurzarbeit geltend gemacht?
SahrbacherNatürlich zunächst einmal in allen, die vom Lockdown betroffen waren. Der Handel, Friseure, Masseure, Nagelstudios, Fitnessstudios, Gaststätten, Hotels und das gesamte Veranstaltungsgewerbe. Bei der Industrie ist es auch ein Thema, aber da hängt es sehr davon ab, was man herstellt. Zum Teil legt es dort nicht an Corona, sondern an ohnedies laufenden Transformationsprozess. Oder daran, dass Lieferketten unterbrochen werden.