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Drei weitere Steine

Mahnung und Erinnerung: Die Aktion Stolpersteine ist jetzt in Rheinau angekommen

Die Aktion „Stolpersteine“ erinnert an jüdische Bürger, die von den Nazis deportiert, misshandelt und getötet wurden. 90.000 Steine gibt es bundesweit, jetzt erstmals auch drei in Rheinau.

Verlegung Stolpersteine
Mahnmal und Erinnerung zugleich: Künstler Gunter Demnig verlegte erstmals auch in Rheinau Stolpersteine vor den Häusern jüdischer Bürger, die dem Terror des Nationalsozialistischen Deutschland zum Opfer gefallen waren. Foto: Karen Christeleit

Das Projekt „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig ist wohl das großflächigste Mahnmal in Deutschland: Inzwischen sind mehr als 90.000 Gedenksteine mit der Messingplakette und den eingravierten Namen in 1.265 Kommunen verlegt worden.

Sie erinnern auf Bürgersteigen an die Opfer der NS-Zeit, vor allem an die Jüdinnen und Juden, die in Deutschland ab 1933 verfolgt, entrechtet, vertrieben und ermordet wurden.

Nun ist das Projekt auch in Rheinau angekommen: Erstmals wurden in Freistett im Rahmen einer Gedenkfeier drei Stolpersteine an den jeweilig letzten frei gewählten Wohnorten der Menschen, an die erinnert wird, in der Hauptstraße 21 und Rheinstraße 5 für Leo Braunschweig sowie Jenny und Julchen Hammel durch Gunter Demnig verlegt.

Mehr als 200 Bürger kamen zur Feierstunde

Leo Braunschweig war Tabakwarenvertreter und Mitglied des Neufreistetter Bürgerausschusses. Er wurde nach der Pogromnacht 1938 ins Konzentrationslager Dachau verschleppt. Wieder freigelassen, starb er 1941 im französischen Exil an den Folgen der erlittenen Misshandlungen.

Die Schwestern Jenny und Julchen Hammel betrieben in Freistett einst in der Rheinstraße ein Kaufhaus. 1940 wurden sie zuerst nach Gurs deportiert und von dort weiter in das Vernichtungslager Auschwitz gebracht.

Umrahmt wurde die von mehr als 200 interessierten Bürgern gut besuchte Feierstunde von Beiträgen von Schülerinnen und Schüler des Anne-Frank-Gymnasiums und der Realschule sowie von Redebeiträgen von Bürgermeister Michael Welsche und Angehörigen der Opfer.

Rheinau schlägt ein neues Buch der Erinnerungskultur auf.
Michael Welsche, Bürgermeister

Lothar Strack, der heute in einem der betroffenen Häuser lebt, bat um Entschuldigung für das was damals schreckliches passiert ist und wünschte sich die Verlegung weiterer Stolpersteine in Rheinau.

„Mit der Stolpersteinverlegung schlägt Rheinau ein neues Buch der Erinnerungskultur auf“, betonte Welsche, „denn die Erinnerung ist wichtig für die Gestaltung der Gegenwart und Zukunft, damit so etwas nicht wieder passiert.“

„Die Stolpersteinverlegung besiegelt die Tragik, die meinem Großvater widerfuhr, möge seine Seele hier Frieden finden“, sagte Isabelle Braunschweig, Enkeltochter von Leo Braunschweig, die sehr emotional versuchte, ihre Gedanken und Erinnerungen in Worte zu fassen.

„Es ist schwierig über jemanden zu sprechen, den man nie gekannt hat, aber ich weiß noch, wie schrecklich es war, ohne Großeltern aufzuwachsen.“ Sie berichtete, wie sie mit ihrem Vater Ernst Freistett besuchte und er ihr viel von seiner zerstörten Jugend und dem Leid der gegängelten Familien erzählt habe. „Ich konnte nicht verstehen, wie in einem so zivilisierten Land wie Deutschland so etwas Grausames passieren konnte, meine Familie, das waren doch Deutsche.“

„In diesem Haus in der Rheinstraße 5 kam mein Vater zur Welt“, erinnerte sich Carole Reich und fragte sich, „wie kam es, dass Jenny und Julchen nicht flohen oder dass man sie sie nicht aus Gurs herausholte. Man nennt es Schicksal.

Ein grausames Schicksal, und heute widerfährt ihnen ein kleines bisschen Gerechtigkeit, indem ihnen ein ewiges Denkmal vor dem Haus, in dem sie einst lebten, gesetzt wird.“ Ihr war es wichtig, den Teilnehmern der Feierstunde einen „Beutel der Erinnerung“ zu geben und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Rabbiner Claude Spinngarn, der ein Totengedenken nach jüdischem Ritus anstimmte, erklärte, warum die ideelle Steinverlegung so wesentlich ist.

Menschenrechte sollen heute und in Zukunft eingehalten werden

„Die Sitte, beim Besuch auf dem Friedhof einen Stein auf die Grabstelle zu legen, hat zum Einen einen prosaischen Grund. Steine sollten verhindern, dass wilde Tiere an den Leichnam herankommen. Zum Zweiten geschieht es aus Dankbarkeit gegenüber vergangenen Generationen für ihre Fürsorge und zum Dritten für die Zukunft, der sich alle Menschen jüdischen Glaubens persönlich verantwortlich fühlen.“

„Schicksale nachzuforschen ohne das es von einem Schulbauch vorgefiltert ist, ist schon etwas ganz Anderes“, bemerkte Abiturientin Leonie Schmidt und die Realschülerin Collien Fistikci ergänzte, „das weckt Emotionen, die die bloße theoretische Auseinandersetzung nicht hervorruft.“ Und alle waren sich einig: „Wir stehen dafür ein, dass die Menschenrechte heute und in Zukunft eingehalten werden.“

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