Das Ortenau Klinikum wird auch in den kommenden beiden Jahren tiefrote Zahlen schreiben. Die immer höher anbrandenden Verluste machen vielen Kreisräten die Zeit bis zur Umsetzung der Agenda 2030 lang. Mittlerweile mehren sich die Forderungen, doch bereits früher und entschiedener auf die Kostenbremse zu treten.
Wie die Streichliste auch angesichts sinkender Patientenzahlen aussehen könnte, das ist offen. Doch die vorzeitige Schließung einzelner Standorte ist eine offenkundige Option.
Wie schnell und wie tief geschnitten werden muss, hängt auch von Corona ab und davon, ob und in welchem Umfang die Politik nochmals helfen will und wird. Wie sehr das Virus das finanzielle Gefüge der Kreiskliniken erschüttert, zeigen die aktuellen Zahlen. Demnach hat der Klinikverbund im Jahr 2019 einen Bilanzverlust von elf Millionen Euro eingefahren, im Corona-Jahr 2020 sind es 29 Millionen. Trotz aller Bundeshilfen.
Zahlen freundlicher als die Realität
Für die kommenden beiden Jahre rechnet Klinik-Geschäftsführer Christian Keller mit einem Minus von 14 und 12,6 Millionen Euro – und betont: „Die Planung war so schwierig wie noch nie.“ Hinzu kommt: Diese Zahlen sind freundlicher als die Wirklichkeit. Denn der tatsächliche Fehlbetrag aus dem laufenden Betrieb summiert sich in den kommenden beiden Jahren auf mehr als 44 Millionen Euro und liegt 2020 bei rund 39 Millionen.
Die Kostenerstattungen für die Einnahmeausfälle der Häuser in der zweiten Corona-Welle sind bisher eher überschaubar. Vermutlich, so Keller, werde es wohl nur Geld für Lahr und Offenburg geben, „und auch das nur unter bestimmten Voraussetzungen“. Zentrale Frage sei jetzt: „Wie lange geht Corona, und was bekommen wir dafür?“
Vollbremsung wegen Corona
Im Zehnjahreszeitraum bis zur Umsetzung der Agenda 2030 werden sich die Verluste auf rund 280 Millionen Euro addiert haben, vorausgesetzt, das Klinikum muss nicht noch einmal eine Vollbremsung wegen Corona hinlegen. Das geschah in diesem Frühjahr – mit einschneidendem Ergebnis. Christian Keller rechnet damit, dass die Zahl der Patienten im zu Ende gehenden Jahr ein Fünftel unter Plan liegen wird und hofft, dass die Pandemie die Häuser bald aus ihre Klammergriff entlässt.
Doch auch ohne Corona werden die Fallzahlen sinken. Keller rechnet nach einem Gespräch mit den Chefärzten mit rund einem Prozent weniger im kommenden Jahr. Ohne Corona-Effekte. Dem stehen notwendige Investitionen gegenüber – in eine neue Notaufnahme in Lahr, einen weiteren OP in Offenburg und auch in flächendeckendes WLAN, um medizinische Abläufe einfacher dokumentieren zu können. Das alles hat Folgen wie den Anstieg der Verschuldung um 38 Millionen Euro im kommenden Doppelhaushalt. „Das macht mir Sorgen“, unterstreicht Keller.
Fraktionen reagieren alarmiert
Nicht nur ihm. Auch die Fraktionen reagieren zunehmend alarmiert auf die sich immer weiter zuspitzenden Zahlen. „Die Sorgenfalten wären noch größer, wenn wir nicht frühzeitig mit der Agenda 2030 begonnen hätten“, sagt Torsten Erny (CDU). Für die Freien Wähler verspürt Valentin Doll „richtig Schmerzen beim Blick auf den Wirtschaftsplan“.
Dolls Fraktion wollte umgehend Konsequenzen ziehen und beantragte, die Arbeitsvergabe für einen neuen OP in Ettenheim von der Tagesordnung zu nehmen. Das lehnte die große Mehrheit der Räte ab, doch der Grundton der in den kommenden Monaten zu erwartenden Debatte ist gesetzt. „Keine Tabus“ hatten die Freien Wähler bei der Suche nach Einsparungen eingefordert. Und die Debatte am Donnerstag machte deutlich, dass diese Haltung zunehmend mehrheitsfähig wird.
Kreis unter Druck
„Es gibt erhebliche Handlungsbedarf, Doppelstrukturen, fehlende Auslastung“, bekannte Alfred Baum von den Grünen. Mit diesen Zahlen „können wir auf Dauer nicht weitermachen“. Kreis und Klinik seien unter erheblichem Handlungsdruck.