Von unserem Mitarbeiter Roland Spether
Feine Damen mit weißen Sonnenschirmen flanieren in Obersasbach. Kinder spielen fröhlich vor dem Anwesen derer von Röder und nebenan im Sanatorium Erlenbad fahren Pferdegespanne mit Kutschen vor, denn viele Gäste möchten sich eine Kur im renommierten „Badhotel“ gönnen. Dieses Bild einer idyllischen Sommerfrische mit Kurgästen von weither konnten die Obersasbacher vor 125 Jahren und älter erleben, als ihr kleiner Ort eine große Anziehungskraft mit heilsamer Wirkung hatte.
Denn seit 1817 erlebte das Hotel Erlenbad an der Landstraße zwischen Obersasbach und Lauf unter Betreibern wie Sebastian Ketterer, Carl Emil Peter und Carl Funk seine Blütezeit. Sogar Ihre Majestät Kaiser Wilhelm I. reiste öfters mit erlauchter Gesellschaft an, um den Geburtstag seiner Ehefrau Augusta zu feiern. „Der Kaiser küsste uns auf die Stirne, die Kaiserin lief stolz davon. Wir wurden sogar von den Kurgästen auf dieselbe Stelle geküsst, nur damit sie auch etwas vom Kaiser haben“, so die Erinnerungen von Lina Peter.
Sie war die Tochter von Carl Emil Peter und Elise Ludwig und überliefert, dass der Kaiser von 1871 bis 1875 viermal den Geburtstag der Kaiserin hier feierte, mit dabei waren Mitlieder der kaiserlichen Familie, Großherzog Friedrich I. mit seiner Gemahlin und Kronprinz Friedrich.
Das Mittagsmahl mit Spinat für die Kaiserin wurde um 13 Uhr kredenzt, danach fuhren die Gäste mit Landauer-Gespannen nach Allerheiligen, wobei ein Hofmarschall alles penibel vorbereitete.
Kleine und große Sünden
S´Kaisers kamen von Baden-Baden und am Hotel Erlenbad wurden sie mit Musik begrüßt, in der Regel war dies die Musikkapelle der Heil- und Pflegeanstalt Illenau. „Einmal durfte ich mit den Töchtern von Anton von Werner dem Kaiser einen Lorbeerkranz und der Kaiserin einen Blumenstrauß überreichen“, so Lina Peter.
Nachdem die „Fürstlichkeiten“ abgereist waren, versuchten die Kinder die Reste von der feinen Tafel zu „stibitzen“ und aus dem Glas des Kaisers zu trinken, ohne erwischt zu werden. Doch dies war eher ein harmloses Problem, denn die Mutter von Lina Peter war evangelisch und dies kam damals im tiefkatholischen Obersasbach einer Sünde gleich.
Selbst Pfarrer Franz Xaver Lender wetterte von der Kanzel und verbot seinen Schäfchen in das Hotel Erlenbad zu gehen, wo eine „Ketzerin“ wohne. In dieser schweren Not ging eine Freundin der Mutter zu Sophie von Harder, die eine weltoffene Frau und fromme Christin war, und bat um Hilfe. Diese stellte den Pfarrer zur Rede und fragte ihn, ob das seine ganze Nächstenliebe sei, der jungen Familie das Leben so schwer zu machen.
„Die Liebe allein ist das Leben, ihr Zauber macht das Dasein aus. Da ist unsere Heimat, wo wir am meisten lieben”, hinterließ Sophie von Harder. Sie wurde 1805 in St. Petersburg geboren, heiratete nach Recherchen von Uta Vogel vom Lindenhaus mit Lewis von Harder einen russischen Edelmann, Sohn von David von Harder, Leibarzt der russischen Zarin Katharina II. in St. Petersburg.
Nach der Geburt der zweiten Tochter wurde Sophie lungenkrank und die Ärzte rieten dringend zu einem Klimawechsel. In einer sechsspännigen Kutsche reiste die junge Frau mit Kind und Personal nach Deutschland und war von der Landschaft am Fuße der Hornisgrinde so angetan, dass sie hier leben wollte.
Ab 1835 wohnte sie mit ihrer Familie im Sasbacher Lindenhaus und dann im „Schwalbennest” und in der „Strohhütte” in Obersasbach. Es war ein offenes Haus für die Mitbürger und die Patienten der Illenau, denn Sophie von Harder nahm psychisch kranke Menschen bei sich aufnahm und praktizierte im modernen Sinn eine psychiatrische Familienpflege.