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Bedrohtes Ökosystem

Ortenauer Streuobstwiesen gehen immer mehr zurück: Tausende Tiere und Pflanzen in Gefahr

Paul Anselment aus Sasbach kümmert sich um eine der wenigen verbliebenen Streuobstwiesen in der Region. Der Bestand geht seit Jahren rasant zurück. Das Ökosystem ist damit in großer Gefahr.

Streuobstwiese ist immaterielles Kulturgut
Wichtiger Lebensraum: Die Obstbäume von Paul Anselment (links) stehen auf einer traditionellen Streuobstwiese, die immer seltener werden. Im Frühjahr 2021 erklärte die UNESCO Streuobstwiesen zum immateriellen Kulturgut. Foto: Roland Spether

Bienen summen, Vögel zwitschern, Bäume blühen: Die Biodiversität von Paul Anselments Streuobstwiese mit seinen „verstreut“ stehenden, alten Obstbäumen ist auf vielerlei Weise sichtbar, hörbar und greifbar. Die Bearbeitungsform „Streuobstwiese“ wurde im Frühjahr 2021 von der Unesco zum „immateriellen Kulturerbe“ erklärt.

Damit wurde auch deren Wert gewürdigt, den die Streuobstwiesen für den traditionellen Obstanbau mit alten Sorten, die Tier- und Pflanzenwelt und den Naturschutz haben. Mit dieser Auszeichnung wurde aber auch deutlich gemacht, dass es aus verschiedensten Gründen immer weniger Streuobstwiesen gibt und diese nachhaltig geschützt werden müssen. Viele Tiere verlieren ihren Lebensraum und stehen auf der „roten Liste“ bedrohter Arten.

Laut einer Erhebung des Ministeriums für Ländlichen Raum Baden-Württemberg (MLR) lag der Baumbestand im Ortenaukreis im Jahr 2005 bei 890.517 Streuobstgehölzen, was einem Anteil von neun Prozent der landesweiten Streuobstbestände entsprach, so das Landratsamt. Doch seit Jahrzehnten gehe der Bestand im großen Tempo zurück und wenn das so weiter gehe, seien im Jahr 2050 kaum noch nennenswerte Streuobstbestände in Baden-Württemberg vorhanden.

Streuobstwiesen haben eine jahrhundertelange Tradition

Die Streuobstwiesen sind ein klassisches Kulturgut der Landwirtschaft, sie haben eine jahrhundertelange Tradition und waren in früheren Zeiten in jedem Dorf vorhanden und beim Wohnhaus angelegt, denn sie dienten den Familien zur Selbstversorgung.

Daran kann sich Paul Anselment noch sehr gut erinnern, denn von Kartoffeln über Gemüse bis zum Obst wurde alles selbst angebaut, nur das Nötigste wurde im Dorfladen gekauft und der organische Abfall wurde den Sauen gefüttert. Das Futter für Kühe und Schweine stammte ebenfalls von den Streuobstwiesen. Das mehrmals im Jahr frisch gemähte Gras kam in den Kuhstall und unter den Obstbäumen wurde von Kartoffeln bis zu Dickrüben alles Mögliche angebaut.

„Bei uns auf dem Bauernhof war das so, ich kann mich daran noch gut erinnern“, so Paul Anselment, der noch eine der wenigen Streuobstwiesen in der Region hegt und pflegt. Darüber ist Manfred Weber (Stadelhofen) von der Offenburger Gruppe des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu) sehr erfreut, zumal der Nabu sich stark für den Erhalt der Streuobstwiesen einsetzt. Denn eine dieser Wiesen kann bis zu 450 Pflanzenarten und insgesamt ungefähr 3.000 Tierarten beheimaten, was seinen Grund in vielfältig strukturierten Lebensräumen habe. Wenn es schon intensiven Obstbau geben müsse, dann wäre es gut, alte Bäume etwa in den Randbereichen stehen zu lassen, betont Weber.

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Unterschlupf für Tiere

Auf der Streuobstwiese von Pauls Anselment stehen zum einen verschiedene Bäume wie Kirschen, Zwetschgen, Äpfel und Mirabellen, zum anderen sind dies teils über 40 Jahre alte, hochstämmige Bäume, die mit ihren weit ausladenden Ästen, Höhlen und Ritzen perfekten Unterschlupf für Tiere aller Art bieten. Doch die Logik ist einfach: Je weniger Lebensraum desto weniger Tiere und diese Dynamik wurde durch den zunehmenden Flächenverbrauch für Straßen, Häuser und Industriegelände sowie die Intensivierung der Landwirtschaft gerade auch im Bereich des Obstanbaus beschleunigt.

Doch wo die alte Kulturlandschaft mit den hochstämmigen, großkronigen Obstbäumen verloren geht, wird es auch keine alten, robusten und an die jeweilige Region angepassten Obstsorten mehr geben. Dann werden mehr und mehr Äpfel aus Chile, Neuseeland und Südafrika eingeflogen, obwohl es heimische Sorten in Hülle und Fülle und ganz spezielle wie die Kultur- und Winterapfelsorten „Goldparmäne“ oder „Boskop“ gibt. „Die lassen sich sehr gut lagern und schmecken sehr gut“, macht Weber deutlich.

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