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Lost Place

Rentnerin verkauft das Inventar der Wagner-Kliniken in Sasbachwalden

Sabine Koch sortiert das Inventar der ehemaligen Wagner-Kliniken und legt in den Gebäuden täglich mehrere Kilometer zurück. Auch Lost-Places-Fotografen haben die ungenutzten Kliniken schon aufgesucht.

Ein Frau mit Brille steht hinter einem Tresen, an dem alte Bildschirme stehen. Im Hintergrund sind eine künstliche Palme und ein alter Kleiderständer zu sehen.
Sabine Koch hat sich vorgenommen, für möglichst viel Inventar eine neue Verwendung zu finden. Die alten Bildschirme wird sie wohl nicht loswerden. Foto: Michaela Gabriel

Dunkle Treppenhäuser, lange Gänge, ungezählte Türen. Und weit und breit kein Mensch – außer Sabine Koch. Die 64-jährige Sasbachwaldenerin werkelt täglich stundenlang ganz allein in den verlassenen ehemaligen Wagner-Kliniken. Seit Jahren ungenutzt, sind sie ein „Lost Place”, ein verlassener Ort. Mancher ist schon heimlich eingestiegen.

Von außen kennt die Gebäude jeder Bürger und jeder Tourist. Drinnen ist seit Jahren nichts mehr geboten. Kein Bade- und Kurbetrieb, kein Kneipp-Sanatorium und keine Schönheitsbehandlungen. Hier werden keine Senioren mehr gepflegt und keine Flüchtlinge mehr untergebracht.

Die Gemeinde hat den Komplex auf dem 15.000 Quadratmeter großen Areal erworben, um den passenden Investor dafür zu finden. Erst kürzlich stellte sie die Ideen vor, die Architekturstudenten dafür haben.

Inventar der Wagner-Kliniken vor dem Wegwerfen retten

Bis etwas Neues kommt, stellt sich die Frage, was aus dem Alten wird. In hunderten Zimmern gibt es jede Menge Inventar. Darum kümmert sich seit März fast jeden Tag Sabine Koch.

Bis zu 14.000 Schritte macht sie an einem halben Tag in den vielen Stockwerken und Gängen der Häuser Baden, Breisgau, Berlin, Karlsruhe und Ortenau.

Auf ihren kilometerlangen Wanderungen treppauf und treppab möchte sie so viele Dinge wie möglich vor der Müllhalde retten: Betten und Nachttische, Schreibtische und Stühle, Regale, Geschirr und vieles mehr.

Im Auftrag der Bürgermeisterin von Sasbachwalden unterwegs

„Frau Schuchter hat mich gefragt, weil ich mich mit Pflegebetten auskenne. Ich war 24 Jahre lang Hauswirtschaftsleiterin in einem Pflegeheim und bin seit kurzem in Rente”, erzählt Sabine Koch.

Dass sie im Auftrag der Bürgermeisterin das Inventar nicht nur verkaufen, sondern auch Gutes tun könne, sei für sie die goldrichtige Motivation gewesen: „Ich tu gern Gutes.” Außerdem könne sie Verschwendung nicht leiden. Schließlich habe sie als Kind erlebt wie es ist, fast nichts zu haben.

Das Papier, das sie in den Räumen fand, insgesamt fast drei Tonnen, holte neulich die Jugendfeuerwehr ab. Ein großes Tierheim in Osteuropa kann ausgediente Vorhänge und Federbetten brauchen, ein Krankenhaus in Kasachstan Wolldecken und mechanische Krankenbetten.

Das kann noch nicht alles weggeworfen werden.
Sabine Koch, Rentnerin

Wer braucht 280 gebrauchte Matratzen? Sabine Koch hat es herausgefunden: Sie können noch als Polster für Lkw-Hilfstransporte dienen. Von hunderten Nachttischlampen und Telefonen hat sie schon Kabel abgetrennt, damit die Rohstoffe wiederverwertet werden können: „Das kann noch nicht alles weggeworfen werden.”

Bürgermeisterin Sonja Schuchter (CDU) ist „sehr dankbar, dass sich Sabine Koch so engagiert“. Ziel sei es, Geld für die Gemeinde zu erwirtschaften und Gutes zu tun. Viele Menschen seien glücklich gewesen, ein gebrauchtes Pflegebett günstig erwerben zu können.

Der Verkauf solle noch bis in den Herbst fortgesetzt werden. Mit den Erlösen könne ein Kinderwanderweg angelegt und der Außenbereich der Schule umgestaltet werden. Der Verkauf der Wagner-Kliniken werde leichter, wenn die Gebäude größtenteils geräumt seien.

Nebenbei fängt sie in Eimern Wasser auf, das von den Decken tropft. Sie beobachtet Tapeten, die sich unter dem Einfluss der Feuchtigkeit lösen und kennt alle Stellen, an denen Fliesen lose sind.

Routinemäßig schließt sie auf ihren einsamen Wanderungen die Brandschutztüren hinter sich und dreht immer wieder Schlüssel um. Nicht aus Angst, sondern damit keiner ins Gebäude kommt und dann womöglich eingeschlossen wird.

Sie selbst ist vollkommen unerschrocken als einziger Mensch in den vielen Stockwerken und Häusern unterwegs: „Es ist nicht gruselig hier und es gibt auch nichts Ekliges. Ich hab nur ein Skelett gefunden und dem fehlt der Unterkiefer.”

Wagner-Kliniken sind Ziel für Lost-Places-Fotografen

Tatsächlich seien schon Leute heimlich in den Wagner-Kliniken unterwegs gewesen: Lost-Places-Fotografen, die ihre Fotos auf Instagram oder Facebook teilen. Verlassene Umkleiden, leere Labore, Therapie-Wannen hinter Duschvorhängen und ein moosbewachsenes Schwimmbecken sind für sie hochinteressant.

Zu den alten Solarien kommt vom ehemaligen Badebereich inzwischen niemand mehr: Sabine Koch hat die Wendeltreppe verkauft.

Service

Am Samstag, 7. August, ab 10 Uhr veranstaltet Koch einen Flohmarkt im ehemaligen Speisesaal der Wagner-Kliniken.

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