
Der Verkehr ändert sich, und damit auch die Aufgaben der Polizei. Im vergangenen Jahr starben sieben Radfahrer auf den Straßen der Kreise Ortenau, Rastatt und Baden-Baden. Das sind erstmals mehr als Motorradfahrer im selben Zeitraum.
Bei den Motorrädern waren hingegen „nur“ sechs Todesopfer zu beklagen. „Der Radverkehr macht uns Sorgen“, sagte Polizeipräsident Jürgen Rieger bei der Vorstellung der Unfallstatistik des Präsidiums in Offenburg.
Dies auch, weil vielleicht mancher Radfahrer noch leben könnte. Hätte er nur einen Helm getragen. Drei von vier tödlich verletzten Radfahrern waren ohne den entsprechenden Schutz unterwegs, bei den drei getöteten Pedelec-Fahrer war einer ohne Helm gestürzt, sagt Günther Preis, Leiter der Verkehrspolizeidirektion.
Besonders auffällig ist hier die Gruppe der Senioren.Günther Preis, Leiter Verkehrspolizeidirektion
Die Polizei sieht hier Handlungsbedarf, vor allem, weil viele ältere Menschen mit dem Pedelec, also dem Fahrrad mit Elektroantrieb, unterwegs sind.
„Daran muss man sich gewöhnen, das hat eine andere Fahrphysik“, appelliert Preis an die Fahrerinnen und Fahrer, vor allem bei einem neuen-E-Bike umsichtig zu sein: „Man sollte sich gescheit einweisen lassen oder auch mal ein Sicherheitstraining belegen.“
16.368 Verkehrsunfälle wurden im Bereich des Präsidiums im vergangenen Jahr aktenkundig, bei knapp 2.500 davon wurden Menschen verletzt oder getötet. Allerdings: In fast 9.000 Fällen wurde die Polizei zu Blechschäden und anderen Kleinstunfällen gerufen.
Das sind deutlich mehr Unfälle als im Corona- und Lockdown-Jahr 2021. Doch weil die Straßen da oft wie ausgestorben waren, vergleicht die Polizei ihre Zahlen mit dem Vor-Corona-Jahr 2019. Auch hier sieht es gut aus. Die Zahl der Unfälle ging um 11,8 Prozent zurück, besonders stark in Baden-Baden mit einem Minus von 15,3 Prozent.
2.428 Verletzte bedeuten ein Minus von sechs Prozent, die Zahl der getöteten Verkehrsteilnehmer allerdings verharrt mit 28 auf einem vergleichsweise stabilen Plateau nach deutlichen Rückgängen in den Jahren seit 2014. Nicht wirklich neu: Geschwindigkeit, Vorfahrtsverletzungen und zu geringer Abstand rangieren weiter auf den ersten drei Plätzen bei den Unfallursachen.
Der Radverkehr macht uns Sorgen.Jürgen Rieger, Polizeipräsident
Auch der Alkohol ist weiter Thema. Bei 438 Unfällen war er im Spiel, das sind acht Prozent mehr als 2019. 172 Menschen wurden verletzt, vier bei Alkoholunfällen getötet. „Besonders auffällig ist hier die Gruppe der Senioren“, sagt Günther Preis, ohne freilich auf die Frage nach dem Warum allzu viel sagen zu können.
Einen Anstieg vermerkten die Statistiker im Polizeipräsidium auch bei Unfällen unter Drogen. Das Plus von 27 Prozent sei auch auf die bessere Schulung der Beamten zurückzuführen, denen die einschlägigen Symptome oft schon an der Unfallstelle auffallen.
Ein besonderes Augenmerk hat die Verkehrspolizei im vergangenen Jahr auch auf den Schwerverkehr gelegt. Das hat Gründe. Derzeit laufe eine umfassende Ermittlung wegen der Fälschung technischer Aufzeichnungen, also Tricksereien beispielsweise mit der Tachoscheibe. 30 Beschuldigte gibt es, so Günther Preis, „das geht schon in Richtung Soko-Arbeit“.
Schwerverkehr: 405.000 Euro Gewinne abgeschöpft
Wen die Polizei erwischt, der muss oft doppelt zahlen: einmal die üblichen Strafen nach der Straßenverkehrsordnung. Zum anderen aber auch die illegal erwirtschafteten Gewinne. Wer beispielsweise den Lastwagen überlädt, spart sich die zweite Fuhre. Den Gewinn muss er wieder abgeben. „Wir konnten im vergangenen Jahr 405.000 Euro auf diese Weise zurückholen“, sagt Preis.
Eine neue Herausforderung, aber auch neue Ermittlungsansätze sieht die Polizei in der technischen Aufrüstung der Fahrzeuge. Auf der einen Seite werden so die klassischen Spuren am Unfallort wie Brems- oder Schleudermarken unterdrückt.
Auf der anderen Seite aber stecken die Fahrzeuge inzwischen selbst voller Informationen über das Unfallgeschehen, abgelegt in verschiedenen Steuergeräten oder auch, je nachdem, als Kameraaufzeichnung direkt auf einem Speicherstick.
Polizei fahndet auch in den Steuergeräten
Auf solche Beweise greifen die Beamten bei schweren Unfällen immer öfter zu: „Die digitale Datenauswertung ist die Zukunft“, sagt Günther Preis.
Das kann mit der Hilfe des Herstellers passieren, oder auch ohne ihn. Dann wird auch schon einmal ein Steuergerät aus dem Wrack ausgebaut und ausgelesen. Voraussetzung: eine Anordnung durch die Staatsanwaltschaft.
Vor allem bei schweren und tödlichen Unfällen setze man dieses Instrument ein. „Es macht“, so sagt Preis, „keinen Spaß, wenn man vor einer Haustüre steht und der Familie eine Nachricht überbringt, die ihr ganzes Leben verändert.“ Eine der ersten Fragen der Angehörigen sei dann oft die, wer Schuld an dem Unfall trägt.