Als hätte es noch eines Beweises für die Sinnhaftigkeit der Aktion bedurft: „Arschloch“ brüllt ein ungehaltener Autofahrer ganz laut aus dem Fenster, als sich der lange Konvoi mit rund 35 Radfahrern auf der viel befahrenen Hauptstraße in Lichtenau bewegt. Der Mann konnte nicht Überholen! Die Lichtenauer Grünen hatten am Samstag eingeladen - und zwar zur Poolnudel-Radtour durchs Städtle.
Poolnudel? Jürgen Wäldele, einer der Organisatoren klärte den Reporter des Acher- und Bühler Boten am Beginn der Tour auf. Montiert man nämlich so eine Schwimmhilfe so ans Rad, dass sie zur Fahrbahn hin richtig übersteht, sind markiert das genau den von der neusten Gesetzgebung vorgeschriebenen Abstand, den die motorisierten Verkehrsteilnehmer beim Überholen des Radlers einhalten müssen - 1,50 Meter.
In der Stadt wird es oft gefährlich
Der Aufruf der Grünen zu dieser samstäglichen Radrunde fand großes Gehör: Knapp 40 Teilnehmer - vom Kindergartenkind im Fahrradanhänger bis zur Seniorin fanden sich auf dem Parkplatz in der Sommerfeldstraße ein. Unter ihnen die elfjährige Alena. Sie radelt regelmäßig zur Schule nach Rheinbischofsheim, kennt also die Problempunkte in der Radweg-Infrastruktur ihrer Heimat. Einer sei die Einmündung der Sommerfeld- in die Hauptstraße. Generell wünsche sie sich mehr Aufmerksamkeit von Autofahrern gegenüber den Radfahrern. Rudolf Turad, der mit seinem Kollegen Michael Frietsch den Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) vertrat, unterstrich das voll und ganz, bezeichnete die Poolnudel-Tour als „wichtige Aktion.“
Obwohl immer mehr Menschen Rad fahren, gehört dem Auto weiter sehr viel vom Straßenraum. Anschauungs-Unterricht gibt es gleich an der Kreuzung von Nato-Straße und Kurt-Wild-Straße, dort wo es ins Gewerbegebiet geht. Es gibt nur auf einer Seite einen Radweg, und für einen zweisitzigen Kinderanhänger ist der dazu noch viel zu schmal. Und dann Scherzheim. Im Ort werden die Radfahrer auf die Hauptstraße gezwungen. Sie entspricht der Zeitgeist, als die Fahrbahnen nicht breit genug sein konnten. Katrin Korth, die die Grünen der Region Bühl vertritt und in Scherzheim wohnt, spricht später davon, dass Lichtenau ein „absoluter Angstraum für Radfahrer sei.“
Unterwegs wird deutlich warum: Denn lange vor dem unbeherrschten Zeitgenossen, der sich justiziabel äußert, zeigt erst einmal der Pilot eines dicken Ami-Pickup mit der Akustik des bollernden Achtzylinders, was von der Radkolonne hält. Als die Truppe nach links abbiegt, rauscht der Mann mit mächtigem Druck aufs Gaspedal der neuen Freiheit entgegen. Die zahlreichen Kinder und Senioren, die mitfahren, stören ihn anscheinend wenig. Dass kurz darauf eine ältere Dame in einem typischen Rentnerfahrzeug ähnliche Allüren zeigt, stimmt nur noch verwundert.
Bürgermeister sieht Verbesserungsbedarf
„Als fitter, erwachsener Radfahrer kann man sich unter Extremsituationen in der Stadt bewegen. Aber was machen Kinder und Senioren?“, fragt der vierfache Familienvater Jürgen Wäldele, auch dafür wolle die Aktion sensibilisieren. Nach gut eineinhalb Stunden ist das Ziel erreicht, für die Kinder und für alle, die den Fragebogen ausgefüllt haben, gibt es Eis. Und die Organisatoren, will heißen damit die Lichtenauer Grünen, sind angesichts der Resonanz zufrieden.
Für Bürgermeister Greilach ist klar, die drei Planungen, die in Sachen Radfahrer-Sicherheit laufen, müssen zum Ziel kommen. So soll der Einmündungsbereich an Mooser Straße und Hauptstraße entschärft werden, eine Ampel wäre laut Greilach eine Möglichkeit.
Es war ein weiterer „Haltepunkt“ auf der Tour. In der Ortsdurchfahrt Scherzheim sieht der Bürgermeister sichere Querungsmöglichkeiten und eine Tempobremse als wichtig an. Nicht zuletzt bestehe im Bereich Schule/Benshurststraße Handlungsbedarf. Da habe sich die Situation durch die Straße ins Neubaugebiet Warrett III deutlich verschärft.
Die Grünen jedenfalls wollen dran bleiben, um in Lichtenau für die Radfahrer bessere Bedingungen zu schaffen. In einem Jahr steht die nächste Radtour an, so Lichtenaus Grünen-Chefin Evelyn Tilsner, dann wolle man sehen, was sich getan hat.