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Protest gegen Praxissterben

Am Mittwoch könnten Hausarztpraxen in Rastatt geschlossen bleiben

Wenn bundesweit Praxen zum dritten Mal geschlossen bleiben, wollen nun auch Vertreter aus der Rastatter Region mitmachen. Vor Ort wirft man der Politik vor, dass sie der niedergelassenen Ärzteschaft Steine in den Weg legt.

Ein Zeichen setzen: Am Mittwoch werden Arztpraxen bundesweit ihre Türen geschlossen lassen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Auch einige Praxen in der Rastatter Region wollen sich beteiligen.
Am Mittwoch werden Arztpraxen bundesweit ihre Türen geschlossen lassen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen. Foto: Symbolfoto/Patrick Pleul/dpa

Um die Rastatter Hausarztpraxen war es in den vergangenen Jahren leise. Hinter ihren Wänden wurden zwar die Corona-Krise bewältigt und immer weitere Herausforderungen bekämpft. Die massiven Probleme, vor denen die Praxen – und mit ihnen unser ganzes Gesundheitssystem – stehen, drangen jedoch kaum nach außen. Das soll sich nun ändern, unter anderem durch einen Protesttag am kommenden Mittwoch.

„Wir können das nicht einfach totschweigen“, sagt der Vorsitzende der Ärzteschaft im Landkreis Rastatt, Jürgen Schönit. „Das“ steht für vieles, was in seinen Augen falsch läuft, für ein Problem, das noch immer nicht richtig angepackt wurde – und schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen kann: Immer mehr Ärzte schließen ihre Praxen, zu wenige kommen nach.

„Wenn einer nach dem anderen aufhört, merken das erst mal nicht viele Menschen“, sagt Schönit. Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem die Versorgung gefährdet ist.

Bisher nahmen Rastatter Ärzte nicht am Protest teil

Die Probleme zeichnen sich schon seit Jahren ab. In den vergangenen hätten die Ärzte der Region sich zwar mit Protesten zurückgehalten, „aber das macht es ja nicht besser, oder?“, fragt Schönit. Darum soll am Mittwoch ein Zeichen gesetzt werden.

„Streiken dürfen wir nicht“, erklärt er. Das Streikrecht ist Vertragsärzten verwehrt, eine Klage diesbezüglich sei aktuell aber vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig. Darum wird der Mittwoch nicht zum Streik-, aber zum Protesttag. Es ist zwar der dritte in den vergangenen Wochen, aber womöglich der erste, an dem nun auch vermehrt Ärzte aus der Region um Rastatt teilnehmen.

Zumindest hat Schönit von relativ vielen Kollegen diese Rückmeldung erhalten. Eine Praxis hat sich bereiterklärt, den Notdienst zu übernehmen, die anderen bleiben zu. Der Protest wurde vom Mediverband mitorganisiert und ist als bundesweite Aktion geplant, in der nicht nur der ausbleibende Nachwuchs im Fokus stehen soll, sondern auch die Umstände, die den Praxen ihren Alltag erschweren.

Über 90 Prozent aller medizinischen Leistungen finden in Arztpraxen statt, betont Schönit. Und dennoch habe sich die Situation der niedergelassenen Ärzte „in den letzten Jahren weniger gut entwickelt“, bilanziert er.

Verantwortlich dafür seien größtenteils politische Entscheidungen, die an Stellen getroffen würden, die weit vom praktischen Geschehen entfernt sind.

Mancher geht früher als geplant in den Ruhestand

Ein Beispiel: Ein Verbandsstoff, den die Praxis nutzt, wird nicht mehr als erstattungsfähig eingestuft. Das wird den behandelnden Ärzten jedoch nicht mitgeteilt, sondern nur in einer Auflistung angepasst. Werden die nicht mehr gestützten Produkte weiterhin verwendet, so muss der betroffene Arzt später selbst für die Kosten aufkommen.

Das trifft auch auf Medikamente sowie andere Therapieformen zu. „Da kommen schon mal Hunderte oder sogar Tausende Euros zusammen, die Ärzte dann nachträglich zahlen müssen“, weiß Schönit. Das gehe ganz vielen Kollegen so und bringe zusätzliche Frustration.

Auch die elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAU), die ab dem kommenden Jahr von den Arztpraxen direkt an Arbeitgeber weitergeleitet werden sollen, seien „zunächst mal eine schöne Idee, die praktisch aber einfach nicht funktioniert“.

Schon die Übermittlung der Krankmeldung an die Krankenkassen, die auch heute schon erfolgt, sei so fehlerhaft, dass Schönit zeitweise auch schon ganz auf das Programm verzichtet hat. Viele der neuen EDV-Lösungen, die den Praxisalltag vereinfachen sollten, funktionierten nicht nur so schlecht, dass sie keine Entlastung bringen.

„Mit der ganzen Telematik wird eine große Verbesserung im Gesundheitswesen propagiert, bisher haben wir aber noch keinen Nutzen davon gehabt“, sagt Schönit. Am meisten stört den Arzt, dass diese Veränderungen „uns einfach übergestülpt werden, ohne dass wir gefragt werden“. Der Mehraufwand schrecke einige seiner Kollegen ab, und sorge dafür, dass sie früher als geplant in den Ruhestand gingen.

„Die Situation in Rastatt ist noch nicht katastrophal“, sagt Schönit. Dennoch seien deutliche Engpässe, wie es sie beispielsweise bei Kinderärzten in der Region um Offenburg oder auch bei Gynäkologen in der hiesigen Region bereits gibt, abzusehen.

„Da ist definitiv die Politik gefragt“, meint Schönit. Je mehr diese reglementiere und Dinge vorschreibe, desto schwieriger werde es für die Ärzte, desto mehr zögen sich zurück und desto unattraktiver werde der Beruf. Auf die Frage, ob Schönits eigene Praxis noch weitere Patienten aufnehmen könne, wenn immer mehr Ärzte in der Region sich zurückzögen, hat der Arzt eine klare Antwort: „Definitiv nein.“

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