
Der Mann aus Bernau im Schwarzwald hat es auf den Punk gebracht: „Wenn ich mit dem ÖPNV zu dieser Veranstaltung hier in Rastatt hätte kommen wollen, hätte ich zwei Übernachtungen gebraucht.“
Bei einem Mobilitätskongress im Landratsamt haben sich diesen Donnerstag Vertreter aus Politik und Nahverkehrsbranche mehrerer Bundesländer ausgetauscht, an der Spitze Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne).
Worum es ging? Der Öffentliche Nahverkehr im ländlichen Raum muss – und soll – besser werden. Besonders im Fokus: Die Zukunft des Busverkehrs.
Land will ÖPNV-Fahrgastzahlen bis 2030 verdoppeln
Das Thema drängt. Und damit hat nicht nur das Bild des abgehängten Bewohners einer kleinen Gemeinde auf dem Land zu tun, sondern auch jenes von abgeschmolzenen Gletschern und ausgetrockneten Bachläufen.
Um dem Klimawandel entgegenzutreten, so Hermann, bedürfe es der Verkehrswende, und dazu wiederum brauche es einen attraktiveren, zuverlässigen und differenzierten Busverkehr im ländlichen Raum.
Wie sonst soll man einen Teil der Menschen überhaupt zum Umsteigen bewegen können? Ehrgeizig: Das Land hat sich die Verdoppelung der ÖPNV-Fahrgastzahlen bis 2030 auf die Fahnen geschrieben.
Dafür muss indes noch an vielen Stellschrauben gedreht werden. Für eine schnelle Umsetzung sieht der Rastatter Landrat Christian Dusch (CDU) die Eckpfeiler als „noch nicht ganz tragfähig“ an.
Geld für öffentluchen Verkehr muss aus allen Ebenen kommen
Er weist auf Finanzierung, Verwaltungsaufwand, Personalbedarf und vor allem auch die noch mangelnde Infrastruktur im Schienenbereich hin. Immer wieder kommt man auf das Thema Geld. Kommunale, Landes- und Bundesebene müssen kooperieren, sagt Hermann. Heißt: Aus allen Ebenen müsse mehr Geld in den öffentlichen Verkehr fließen.
Der Minister will unter anderem mit einer „Mobilitätsgarantie“ einen halbstündigen Bustakt im ländlichen Raum ermöglichen – was bedeutet, dass man auch mehr Fahrzeuge benötige. Er will „einfache und verständliche Tarife und Tickets“ und einen ÖPNV, der auch schnell genug ist – Vorfahrt für Busse, eine Beschleunigung auch zu Lasten des Autoverkehrs.
Konkret soll das landesweite Jugendticket im März 2023 kommen, ein Check-in/Check-out-Programm, etwa per Handy, soll Nutzer immer zum besten Preis leiten – „das wollen wir ab Spätherbst einführen“. Und in den nächsten Tagen starte eine Ausschreibung, bei der sich Landkreise für die Förderung sogenannter On-Demand-Systeme (also ÖPNV-Angebote nach Bedarf) bewerben können.
Solches unter anderem hat der Landkreis Rastatt vor, als Teil eines hierarchisch konzipierten Netzlinienverkehrs. Dezernent Mario Mohr spricht vom „Rastatter Modell“, das möglichst über die Region hinaus Strahlkraft entwickeln soll.
Hauptmerkmal sei eine konsequente Ausrichtung und Anbindung der Buslinien auf den Schienenverkehr, und zwar mit Regiobussen, einem Haupt-Busliniennetz und weiteren Anschlüssen „on demand“ – hier will man das System der Anruf-Linien-Taxis (ALT) wenn möglich flexibler ausgestalten.
Wir bauen ein verlässliches, stringentes System aus.Mario Mohr, Dezernent
Dies war zuletzt auch im Rastatter Kreistag zu hören: Dass vor allem „der Verkehr der letzten Meile“ verbessert werden müsse, zum Beispiel von Bahnhöfen, die sich oft in Randlagen befinden, hinein ins Wohngebiet.
Zudem werde die Einführung autonomer Fahrsysteme geprüft. Per Smartphone-App den fahrerlosen Minibus anfordern: So wurden zum Beispiel in Karlsruhe-Weiherfeld bereits autonome Shuttles getestet.
„Wir bauen ein verlässliches, stringentes System aus“, verspricht Mohr. Mit im Plan: Der Elsass-Baden-Bus. Der soll – „hoffentlich“, so der Dezernent – ab Dezember auf der Straße sein.