Während sich die Bäume herbstlich färben, führen die sinkenden Temperaturen bei Eltern und Lehrern zu besorgten Gesichtern. Denn im Kampf gegen das Coronavirus gilt in Schulen nach der Empfehlung des Umweltbundesamtes nun die „AHA + L“-Regel, wobei das zusätzliche L neben Abstand, Hygiene, Alltagsmaske für Lüften steht.
Das sollte am besten alle 20 Minuten für drei bis fünf Minuten geschehen. In den Pausen sollen die Klassenräume über die gesamte Dauer hinweg gelüftet werden.
Wohin mit Schal und Mütze?
Insbesondere bei Eltern wächst deshalb die Sorge um die Gesundheit ihrer Kinder. Schal und Mütze werden für die Schüler neben Schulranzen, Heften und Mäppchen wohl zum Dauerbegleiter. Doch wohin mit den wärmenden Accessoires, wenn es nach der Lüftung wieder wärmer wird?
Ablageflächen sind oft rar. Und was wäre das für ein Tohuwabohu, müssten die Schüler alle 20 Minuten aufstehen, um Schals und Mützen zu holen? Diese Fragen stellte sich Christine Fischer, Mutter der achtjährigen Theresa, die im pfälzischen Neustadt an der Weinstraße in die Grundschule geht.
Dann war sie da, die zündende Idee: der Schul-Stuhlrucksack. „Da ich erwerbstätig bin, habe ich meine Mutter gefragt, ob sie Zeit und Lust hat, Säcke zu nähen, die über den Stuhlrückenlehnen hängen und auf der anderen Seite eine Tasche haben, in der die Schüler ihre Mützen und Schals verstauen können“, erzählt Fischer.
Die Idee sei auf großen Beifall in einer Sitzung des Elternbeirats gestoßen, sagt Schulleiterin Birgit Braunstein. Auch sie freut sich darüber, dass mit den Stuhlrucksäcken das schon vor Corona-Zeiten bestehende Ärgernis von auf dem Boden herumliegenden Schals und Mützen nun bald behoben sein wird. Die Kosten von etwa fünf Euro pro Sack trägt der Förderverein.
20 Rucksäcke in drei Tagen
Mit dem Okay der Schulleitung machte sich Mutter Marianne Fischer dann sogleich an die Arbeit: Muster entwerfen, Stoffe aussuchen, zuschneiden, bügeln, nähen. Drei Tage saß die 73-Jährige an ihrer Nähmaschine, 20 Stuhlrucksäcke sind in der Zeit unter der auf- und absausenden Nadel entstanden.
Als ehemaliger Hauswirtschaftslehrerin ging Fischer das leicht von der Hand. Zu Beginn der Corona-Pandemie hatte sie bereits für die ganze Familie Mund-Nasenmasken genäht. Ein Handgriff also aus dem Effeff: 35 Minuten pro Rucksack benötigte die Seniorin.
Die Enkelin ist natürlich stolz auf die Oma.Marianne Fischer, Näherin der Stuhlrucksäcke
Die Klasse ihrer Enkelin ist nun versorgt, für die anderen 54 Grundschüler im 76 Kilometer entfernten Neustadt-Gimmeldingen hat Fischer die Stoffe schon einmal gekauft und zugeschnitten. Und für die Eltern oder Großeltern hat die Seniorin eine Anleitung mit Fotos erstellt, in der sie genau erklärt, wie die Säcke genäht werden. Zur Nähanleitung als pdf.
Rot, hell- und dunkelbraun, grau und kupferbraun sind die Farben der Rucksäcke, passend zu den Tieren, die den einzelnen Klassen zugewiesen sind: Marienkäfer, Affe, Bär, Zebra und Fuchs. Die Farbe sollte in jeder Klasse einheitlich sein, ein buntes Muster würde die Kinder zu sehr ablenken, ist sich Schulleiterin Braunstein sicher. „In den Klassenräumen ist es bunt genug.“
Pünktlich zum ersten Tag nach den pfälzischen Herbstferien hingen in Theresas Klasse die Säcke über den Stuhllehnen. „Die Kinder waren begeistert“, sagt Braunstein, „einige Mädchen haben auch Decken dabei, sogar die passen in die Tasche.“
Und die Enkelin? „Die ist natürlich stolz auf die Oma“, sagt Marianne Fischer. Wer das Handwerkszeug beherrsche, sei nicht abhängig von dem, was es zu kaufen gebe, sondern könne etwas Individuelles herstellen: „Man hat dann was, was sonst keiner hat.“ Ihre Enkelin wolle deshalb nun auch nähen lernen. Unter Omas Anleitung kann sie sich ihre Wünsche aus Stoff wie etwa einen Bikini für die Barbie vielleicht bald selbst erfüllen.