Für Brigitta Lenhard ist es ein Lebensmotto: „Man braucht ganz klare Ziele. Man darf aber nie die Fähigkeit verlieren, Ziele zu überdenken.“ Oberbürgermeisterin von Rastatt zu werden, hat die Unternehmerin und CDU-Fraktionsvorsitzende im Rastatter Gemeinderat nie auf dem Schirm gehabt, wie sie betont. Doch jetzt hat sich die 59-Jährige dieses neue Ziel gesetzt.
Eigentlich wollte sie mit der Ankündigung ihrer Kandidatur erst nach dem Bürgerentscheid zum Klinikum-Standort an die Öffentlichkeit treten. Doch wie es eben so ist: Aus ihren Gesprächen im engeren Umfeld sickerte ihre Absicht durch. Auf Nachfrage dieser Redaktion bestätigt sie ihren Willen, am 24. September antreten zu wollen. Spätestens als offiziell wurde, dass Bürgermeister Raphael Knoth (CDU) nicht ins Rennen um die Nachfolge von Hans Jürgen Pütsch (CDU) einsteigt, sei in ihr der feste Wille gereift, zu kandidieren.
Seit 2015 führt sie die stärkste Gemeinderatsfraktion
Und warum? „Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich brenne für diese Stadt“, sagt Lenhard. Wenn man so will, sitzt die gelernte Sparkassenbetriebswirtin bereits seit acht Jahren an einem wichtigen politischen Schalthebel. 2013 war sie in den Gemeinderat gewählt worden; 2015 übernahm sie den Vorsitz der stärksten Fraktion.
Doch was den Gestaltungsspielraum in dieser Position angeht, klingt Brigitta Lenhard eher ernüchtert. Sie habe in den acht Jahren zwar „viel gelernt“. Aber sie musste auch die Erfahrung machen: „Die meisten Impulse kommen von der Verwaltung. Und wir werden oft überfahren.“
Was sie besonders stört: „Viele Dinge in Rastatt gehen zu langsam.“ Jüngstes Beispiel: Beim Innenstadt-Dialog vor wenigen Tagen sei die Installierung von Trinkbrunnen im Zentrum angekündigt worden. „Darüber diskutieren wir schon seit drei Jahren“, kann sie nicht verstehen, dass die Idee nicht früher umgesetzt wurde. Oder Beispiel Martha-Jäger-Haus: „Wir warten auf Ideen“, mahnt sie die Entwicklung des zentralen Innenstadt-Grundstücks an.
Rastatt stärker als attraktiven Wohnort vermarkten
Dabei will sie längst nicht alles schlechtreden. „Rastatt kann stolz sein auf seine Schul- und Kindergartenlandschaft“, ist sie überzeugt. Dass die Barockstadt mittlerweile fast 51.000 Einwohner hat, zeigt aus ihrer Sicht, dass die Stadt „als attraktiver Wohnort wahrgenommen wird“.
Nur müsse die Stadt sich auch als Wirtschaftsstandort in der Technologieregion Karlsruhe besser verkaufen. Es wurmt die Unternehmerin, dass viele Existenzgründer im Raum Karlsruhe sich stärker Richtung Pfalz orientieren als in Richtung Barockstadt. Platz wäre noch genug, etwa hinter dem Bahnhof, meint sie.
Dass sie selbst zwar Unternehmerin ist, aber keine unmittelbare Erfahrung in einer öffentlichen Verwaltung hat, wertet Lenhard nicht als Manko: „Der Oberbürgermeister ist der oberste Dienstleister und Wirtschaftsförderer.“ Man könne auf eine Verwaltung mit Fachkräften setzen. Eine Verwaltungschefin müsse mit „Führungskompetenz, Visionen, Durchhaltevermögen und Weitsicht“ überzeugen, meint Lenhard.
Derartige Eigenschaften musste sie bisher schon an den Tag legen. Die Mutter einer mittlerweile erwachsenen Tochter übernahm nach dem Tod ihres Ehemanns die Geschäftsführung des Fitness- und Gesundheitscenters Gymnasion, das gerade sein 40-jähriges Bestehen feierte. Sollte sie die Wahl gewinnen, werde sie die Führung des Unternehmens abgeben. Dass in einer Verwaltung „andere Spielregeln“ als in einer Firma gelten, sei ihr klar. „Aber ein unternehmerischer Blick kann nicht schaden“, erklärt Lenhard.
Als Oberbürgermeisterin stärker sichtbar sein in der Stadt
Sie sieht sich als „überparteiliche“ Kandidatin. Schließlich müsse man als OB auch moderieren und sich zwischen verschiedenen Strömungen bewegen. Gleichzeitig macht sie selbstbewusst deutlich: „Eine CDU-nähere Kandidatin als die Fraktionsvorsitzende im Gemeinderat kann die CDU nicht finden.“
Als Oberbürgermeisterin wolle sie „sichtbarer“ werden als der jetzige Amtsinhaber, die Jugend mehr mitnehmen, sagt Lenhard. Online-Sprechstunden schweben ihr vor. „Man muss direkter mit den Menschen kommunizieren und sie mitnehmen.“ Bestes oder schlechtestes Beispiel: das Baustellenmanagement.
Auf die Fahnen schreiben will sie sich eine Belebung der Innenstadt. Notfalls müsse die Stadt an markanten Stellen selbst mit Immobilien- und Grundstückskäufen eingreifen. Unverständlich ist für sie, dass der „riesige Marktplatz“ nicht attraktiver bespielt werde, etwa mit Sitzmöglichkeiten und zusätzlicher Gastronomie an Markttagen.
Die Chancen des Tagestourismus sieht Lenhard, die selbst auch als Stadtführerin unterwegs ist, noch längst nicht ausgereizt. Sie plädiert für eine „kreativere Wohnraumpolitik“, etwa mit Dachausbauten oder Tiny-Häusern. Vernetzung mit anderen Kommunen und Bau einer Großsporthalle und eines Großspielplatzes sind weitere Stichworte.
An Zielen sieht die passionierte Marathon-Läuferin und Reiterin keinen Mangel. Mit der Rolle als Lokalmatadorin kann sie gut leben: „Ich sehe mich als Rastatterin für Rastatt.“