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Verdacht auf fahrlässige Tötung

„Schwere Mängel“ im Haus Paulus: Landratsamt Rastatt verlegt Bewohner und stellt Strafanzeige gegen Kursana

Bei einem Corona-Ausbruch im Pflegeheim Haus Paulus in Rastatt sind 15 Menschen gestorben. Schon kurz danach erhoben Angehörige Vorwürfe gegen den Betreiber. Jetzt hat auch das Landratsamt Rastatt Strafanzeige gegen die Kursana GmbH gestellt.

Eingangsbereich des Hauses Paulus im Rastatter Doerfel.
Bei einem Corona-Ausbruch im Pflegeheim Haus Paulus in Rastatt sind 15 Menschen gestorben. Schon kurz danach erhoben Angehörige Vorwürfe gegen den Betreiber. Jetzt hat auch das Landratsamt Rastatt Strafanzeige gegen die Kursana GmbH gestellt. Foto: Frank Vetter

Die Vorwürfe wiegen schwer, und nun kommen sie nicht mehr nur von betroffenen Angehörigen, sondern auch von der Heimaufsichtsbehörde: Das Landratsamt Rastatt hat im Zusammenhang mit dem Corona-Ausbruch im Pflegeheim Haus Paulus Strafanzeige erstattet. Es bestehe Verdacht „der Erfüllung gleich mehrerer Straftatbestände gegen verschiedene Personen des Trägers Kursana GmbH“ – bis hin zur fahrlässigen Tötung. Die Behörde hat eine Teilschließung angeordnet.

In dem Haus war es kurz nach Weihnachten zu einem schweren Corona-Ausbruch mit 15 Toten gekommen. Das Virus war zunächst in einem Wohnbereich ausgebrochen, hatte sich aber schnell im gesamten Haus verbreitet. Insgesamt infizierten sich 55 der aktuell noch 79 Bewohner. Das Landratsamt macht dafür eine „mangelhafte Anwendung der Hygieneregeln“ und die „Nichteinhaltung bestehender Hygienestandards“ verantwortlich.

In der Einrichtung hat es laut Landratsamt auch „gravierende Versäumnisse und schwerwiegende Mängel“ in allen Bereichen der Grund- und Behandlungspflege sowie im Medikamentenmanagement gegeben. Die Kreisbehörde sieht daher unter anderem Anhaltspunkte für die Straftatbestände der fahrlässigen Tötung, Körperverletzung und unterlassenen Hilfeleistung. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden habe die Ermittlungen aufgenommen.

Seit Beginn des Ausbruchs seien von den derzeit 79 Bewohnern 55 positiv auf das Corona-Virus getestet worden. „Im Zuge mehrerer Heimbegehungen im Januar 2022“ habe man „zum Teil gravierende Mängel im Bereich der pflegerischen Versorgung der Bewohner festgestellt“.

Im Übrigen auch unabhängig des Infektionsgeschehens und dessen strafrechtlicher Aufarbeitung, wie es in der Pressemitteilung heißt. Und weiter: „Trotz der intensiven Begleitung und Beratung durch die Behörden mussten hierbei anhaltende schwere Mängel festgestellt werden.“

Akut gefährdete Bewohner müssen verlegt werden.
Benjamin Wedewart, Pressesprecher Landratsamt

Das Landratsamt Rastatt hat daher „mit sofortiger Wirkung“ mehrere Maßnahmen im Wege einer heimrechtlichen Anordnung getroffen: Dazu gehöre neben dem weiter geltenden Aufnahmestopp auch die teilweise Untersagung des laufenden Betriebs. „Bereits in dieser Woche müssen daher mehrere akut gefährdete Bewohner in andere Einrichtungen verlegt werden“, teilte Pressesprecher Benjamin Wedewart mit. Welche das sind, darüber gab es am Montagnachmittag noch keine Informationen.

Kursana lässt Anfrage unbeantwortet

Der Träger sei außerdem verpflichtet worden, den pflegerischen Zustand der Bewohner zeitnah durch einen externen Gutachter untersuchen zu lassen. Es sei daher nicht auszuschließen, dass die verfügte Teilschließung noch ausgeweitet wird.

Nach Bekanntwerden des schwerwiegenden Corona-Ausbruchs hatten Angehörige betroffener Patienten Vorwürfe gegenüber den Betreibern zum Beispiel wegen Verstoßes gegen Hygienevorgaben erhoben. Kursana hatte dies stets zurückgewiesen und betont, dass man „alle Hygienemaßnahmen nach RKI-Standard und in enger Abstimmung mit den Behörden“ umsetze.

Eine Anfrage unserer Redaktion zu der Strafanzeige des Landratsamts ließ das Unternehmen am Montag zunächst unbeantwortet.

Auch der Medizinische Dienst Baden-Württemberg hat das Haus Paulus überprüft

In einer Sondersitzung des Sozialausschusses des Landtags, die wegen des Falles anberaumt worden war, hatte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) die Impfquoten im Haus Paulus als einen der Hauptgründe für die verhängnisvollen Infektionen genannt.

Von den damals noch 13 Verstorbenen waren acht ungeimpft und zwei einfach geimpft, hatten eine zweite Impfung aber abgelehnt. Drei hatten den zweiten Stich erhalten, keiner war geboostert.

Unterdessen hat auch der Medizinische Dienst Baden-Württemberg, der im Auftrag der Pflegekassen die Qualität von Pflegediensten und -heimen überprüft, auf Anfrage unserer Redaktion bestätigt, im Haus Paulus eine „anlassbezogene Prüfung“ durchgeführt zu haben. Näheres wollte man indes mit Hinweis auf datenschutzrechtliche Vorschriften nicht mitteilen. Der Medizinische Dienst sei „ausdrücklich zur Verschwiegenheit verpflichtet“.

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