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Stadt sieht keinen Spielraum für Verbot

1.000 Teilnehmer angemeldet: Gegner der Corona-Maßnahmen rufen zur Großdemo in Rastatt auf

Die Bilder vom Canstatter Wasen haben für Aufsehen gesorgt: Jetzt haben Gegner der Corona-Maßnahmen auch in Rastatt zu einer Großdemonstration aufgerufen. Die Stadtverwaltung sieht keinen Spielraum für ein Verbot. Aber es soll eine Auflage geben, die den meisten Teilnehmern nicht schmecken dürfte.

Kundgebung und „Spaziergang“: Von dem Platz vor der Ottersweierer Wallfahrtskirche Maria Linden ziehen die Demonstranten in Richtung Ortsmitte.
„Schneedemo“ in Ottersweier: Die Initiatoren der Kundgebungen im südlichen Landkreis rufen jetzt zur Protestaktion in Rastatt auf. Foto: Stefanie Prinz

Mehrere Initiativen wollen am Samstag, 10. April, in Rastatt gegen die Anti-Corona-Maßnahmen demonstrieren. Drei Frauen haben eine Veranstaltung mit 1.000 Teilnehmern angemeldet.

Der Demo-Aufruf ist überschrieben mit dem Titel: „Freiheit und Selbstbestimmung für unsere Kinder!“ Die Stadt prüft derzeit, unter welchen Auflagen die Demo über die Bühne gehen kann. Ein Verbot hält die Verwaltung nicht für möglich.

Wer die Frauen sind, gibt die Stadt aus Datenschutzgründen nicht bekannt. Eine der Initiatorinnen hat sich online aber selbst zu erkennen gegeben. Auf Facebook rief Sandra Bruckner Ende vergangener Woche zur „Großdemo in Rastatt mit Aufzug“ am Samstag um 14 Uhr in der Grünanlage an der Richard-Strauß-Straße auf. Außerdem ist ein Zug über Berliner- und Richard-Wagner-Ring geplant.

Die „Schneedemos“ schwappen nach Rastatt

Bruckner tritt auch als Organisatorin der sogenannten „Schneedemos“ auf. Diese Kundgebungen nahmen im Winter ihren Anfang auf Unterstmatt und finden seit mehreren Wochen immer sonntags in Ottersweier statt. Auf dem digitalen Plakat für die Veranstaltung in Rastatt sind weitere Initiativen aus Offenburg und Lahr aufgeführt.

Über den Kurznachrichtendienst Telegram lädt auch Marco Kurz zu der Demo ein. Kurz ist Gründer des rechtsgerichteten „Frauenbündnis Kandel“, von dem er sich inzwischen losgesagt hat, sowie von „Widerstand Offenburg“. Bei einer Kundgebung in Kassel im März hatte Kurz einen Fotografen getreten und geschlagen.

Außerdem hat er aus Sicht der Koblenzer Generalstaatsanwaltschaft eine Richterin bedroht, indem er in einer E-Mail von einem möglichen Wiedersehen bei einem „netten Plausch auf der Terrasse“ schrieb. Die Formulierung bezog sich auf den Mord an Walter Lübcke, stellte Generalstaatsanwalt Jürgen Brauer fest. Die Staatsanwaltschaft hat Klage erhoben, die Entscheidung über ein Verfahren am Amtsgericht Landau steht noch aus aus.

Wegen Corona keine große Gegendemonstration in Rastatt geplant

Vor diesem Hintergrund will sich in Rastatt ein breites Bündnis gegen den Aufmarsch stellen. Allerdings ist das nicht unbedingt wörtlich zu verstehen. Laut Ute Kretschmer-Risché, einer der Initiatorinnen des Netzwerks, sind verschiedene Aktivitäten geplant, eine große Gegendemonstration gehört aber nicht dazu. „Das ist aus Gründen des Infektionsschutzes heikel“, sagt sie.

Nicht die Regeln sind der Feind. Corona ist der Gegner.
Ute Kretschmer-Risché, Initiatorin des Netzwerks

In den vergangenen Tagen hätten sich Vertreter aus Wirtschaft, Politik, Vereinen, Kirchen und Kultur zusammengeschlossen. Die Demo-Ankündigung sei dafür zwar der Anlass gewesen, inhaltlich gehe es aber um mehr als nur eine Gegenstimme zu dem Aufmarsch: „Uns ist wichtig: Wie bekommen wir Corona und die Folgen in den Griff?“ Ute Kretschmer-Risché sagt: „Nicht die Regeln sind der Feind. Corona ist der Gegner.“

Landtagsabgeordnete vermuten andere Beweggründe bei Organisatoren

Wen Bruckner als Gegner ansieht, macht sie online deutlich. Einen Demo-Aufruf für Ottersweier im März formulierte sie mit den Worten: „Zeigen wir den rücksichtslosen und korrupten Volksverdrehern, was wir von ihnen halten.“ Eine Anfrage unserer Redaktion zu den Demo-Plänen in Rastatt ließ sie unbeantwortet. Am Wochenende hatte sie via Facebook-Post verkündet, nicht mit der Presse sprechen zu wollen.

Es geht um die Destabilisierung der parlamentarischen Demokratie.
Thomas Hentschel, Landtagsabgeordneter

Angesichts des Vokabulars der Protagonisten ist sich der Grünen-Landtagsabgeordnete Thomas Hentschel sicher, dass die Initiatoren die Kritik an den Anti-Corona-Maßnahmen politisch instrumentalisieren. In Wirklichkeit gehe es um „die Destabilisierung der parlamentarischen Demokratie“.

Hentschel würde es begrüßen, wenn die Stadt Rastatt die Veranstaltung untersagen würde. Der Jurist sieht aufgrund der hohen Infektionszahlen dafür die Voraussetzungen gegeben. „Das Infektionsschutzgesetz und die Corona-Verordnung des Landes ermöglichen eine derartige Vorgehensweise“, sagt Hentschel.

Versammlungen könnten demnach verboten werden, sofern der Schutz vor Infektionen anderweitig, insbesondere durch Auflagen, nicht erreicht werden könne. Solche Verbote hätten auch schon vor Gericht Bestand gehabt.

Maskenpflicht für Teilnehmer bei Demonstration in Rastatt

Nach den Ereignissen in Stuttgart am vergangenen Samstag sind Kommunen und Behörden alarmiert. Rund 15.000 Demonstranten hatten sich auf dem Cannstatter Wasen versammelt, größtenteils ohne Masken und Mindestabstand. Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) kündigte an, prüfen lassen zu wollen, ob solche „gefährlichen Veranstaltungen“ in der Corona-Pandemie erlaubt werden müssten.

Der Rastatter CDU-Landtagsabgeordnete Alexander Becker hat das Innenministerium um eine entsprechende Einschätzung für die geplante Demo am Samstag gebeten, aber noch keine Antwort erhalten. Das Rastatter Ordnungsamt sieht allerdings keinen Spielraum für ein Verbot.

Da die Veranstalter zum ersten Mal eine Kundgebung in Rastatt angemeldet hätten, gebe es keine negativen Erfahrungen. „Auch die Gefahreneinschätzung der Polizei gibt das nicht her“, sagt Rathaus-Pressesprecherin Heike Dießelberg. Die Abstände auf der 35.000 Quadratmeter großen Wiese könnten eingehalten werden. Die Stadt wolle in Kooperation mit dem Gesundheitsamt aber auf eine Maskenpflicht pochen.

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