
Historische Ereignisse gab es in Rastatt schon so einige: den Rastatter Frieden, den Rastatter Kongress, das Ende der Badischen Revolution beispielsweise. Am 15. Oktober 2023 wird ein weiteres hinzukommen: Rastatt ist die erste Stadt, in der nach einer entsprechenden Reform ein OB in einer Stichwahl gewählt wird. Bisher hatte es stets Neuwahlen gegeben, wenn es im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten geschafft hatte, die absolute Mehrheit zu erreichen. Dazu konnten sich dann sogar noch neue Bewerber melden.
Im Rennen um den Chefposten im Rastatter Rathaus sind noch Monika Müller (49, SPD) und Michael Gaska (36, parteilos) Die beiden hatten im ersten Wahlgang am 24. September von fünf Kandidaten die meisten Stimmen geholt, Müller 38 Prozent und Gaska 30,8 Prozent. Keiner erreichte jedoch die für einen Wahlsieg erforderliche absolute Mehrheit.
Beim BNN-Forum zur OB-Stichwahl in Rastatt bleibt der Ton moderat
Somit ging der Wahlkampf in eine dreiwöchige Verlängerung. Der Ton sei rauer geworden, hatten beide Kandidaten bereits im Vorfeld des BNN-Forums am Mittwochabend in der Badner Halle festgestellt. Bei diesem allerdings blieb der Ton moderat, denn es ging vor allem um Sachfragen. Und darum, einige Dinge geradezurücken und Persönliches über die Kandidatin und den Kandidaten zu erfahren.
Warum Monika Müller ihre Niederlage bei der OB-Wahl 2008 in Nagold bislang nicht erwähnte, will Egbert Mauderer wissen. „Weil sie so lange zurückliegt, dass ich das nicht mehr relevant finde“, erwidert die.
Und kandidiert sie in Rastatt als OB, weil ihre Wiederwahl als Dezernentin in Wolfsburg 2026 mit einem CDU-OB und einer nur kleinen SPD-Fraktion gefährdet sein könnte? „Ich habe diesbezüglich keinerlei Signale erhalten“, sagt Müller unaufgeregt und kontert, die Frage sei sowieso hypothetisch, „weil ich ja hier in Rastatt am Sonntag gewählt werde“.
Ob er Führungserfahrung hat, das sei ein großes Thema auch bei den Leserfragen, wendet sich Holger Siebnich an den promovierten Betriebswirt Michael Gaska. „Beim St. Galler Family Office Forum arbeiten 20 Menschen für mich“, sagt der. Bei Start-ups habe er mit Teams von 15 bis 25 Menschen gearbeitet.
Und auch der in der Stadt kontrovers diskutierte Onlineshop Gaskas, über den er einen von ihm entwickelten Schuh vertreibt, wird angesprochen. „Macht ein Onlineshop eine Innenstadt lebendiger?“, spielt Siebnich auf eines von Gaskas Wahlversprechen an.
Der betont, das sei keine reine Onlinevermarktung gewesen, sondern man habe in der Schweiz Pop-up-Stores in 1-A-Lagen angemietet. Somit könne er Erfahrungen aus Onlinehandel und stationärem Handel vorweisen.
Immer wieder applaudiert das Publikum in der Badner Halle
Immer wieder applaudiert das Publikum in der Badner Halle – ungefähr gleich intensiv bei beiden Kandidaten. Die wirken unaufgeregt. Wer harte Attacken auf den Gegner erwartet hat, wird enttäuscht. Es bleibt eher bei subtilen Spitzen.
Allerdings bringt Gaska immer wieder das Thema von Müllers Parteizugehörigkeit zur Sprache. Auf die Frage, warum er meint, seine Parteiunabhängigkeit im Wahlkampf so besonders unterstreichen zu müssen, erklärt er: „Parteien haben nicht das exklusive Recht zur politischen Willensbildung; deshalb finde ich es wichtig, darauf hinzuweisen, dass es diese Alternative gibt, sich für so ein Amt zu engagieren, nämlich ohne Partei- und Fraktionszwang zu unterliegen.“
Müller wiederum betont, sie sei „nicht SPD-hörig“ und: „Man trägt bestimmte Werte gemeinsam, aber ich habe gute Erfahrungen mit der Zusammenarbeit über alle Parteigrenzen hinweg.“
Für sie sei es „eher überraschend“, dass das Thema in Rastatt eine so große Rolle spielt und stellt richtig, dass es für einen Oberbürgermeister keinen Fraktionszwang gibt, denn man ist nicht in der Fraktion. Zudem „fühle ich mich sehr unabhängig und werde es auch weiterhin bleiben“.
Klare Meinung zur Frage der Flüchtlingsunterbringung
Zur derzeit in der Stadt heiß diskutierten Frage der Flüchtlingsunterbringung vertreten beide Kandidaten eine klare Meinung: Es wäre „völlig unangemessen“, 120 Flüchtlinge in Rauental unterzubringen, sagt Müller. Der Ort habe dafür nicht die Infrastruktur und das Verhältnis zur Bevölkerungszahl wäre nicht ausgeglichen.
„Ich finde das Vorgehen äußerst unglücklich und würde es so nicht mittragen“, verspricht sie, zunächst Bürgerversammlungen abzuhalten. „120 alleinreisende Männer, da kann ich verstehen, dass man sagt, die will ich nicht in meiner Nachbarschaft haben“, plädiert sie für ein Vorgehen mit Augenmaß.
Gaska lehnt Containerlösungen eher grundsätzlich ab, auch in Rauental, „so lange wir Alternativen haben“. Die sieht er darin, zunächst Leerstände zu finden und zu aktivieren, eventuelle Häuser zu renovieren, um eine dezentrale Unterbringung wie beispielsweise in Ötigheim zu ermöglichen, sagt er. Abschreckendes Beispiel sei der Waldseeplatz in Baden-Baden.
In diesem Zusammenhang angesprochen auf Leserbriefe, die er in der Vergangenheit verfasst hatte, erklärt Gaska: „Es wird keinen sozialen Frieden in Rastatt geben, solange wir die einen an die Hand nehmen und die anderen nicht.“ Das sei vor sieben Jahren ähnlich gewesen wie jetzt gerade und auf diese Diskrepanz habe er aufmerksam machen wollen.
Beim Thema Klimaschutz setzen beide Kandidaten auf die Entsiegelung von Flächen in der Innenstadt, Bürokratieabbau bei Anträgen für PV-Anlagen und die Prüfung von Geothermie. Gaska schlägt zudem Fassadenbegrünungen vor und will mit dem Historischen Rathaus anfangen. Müller denkt an städtische Förderprogramme, um PV-Anlagen an Balkonen oder auf Garagen zu fördern. Eindeutig sprechen sich beide gegen Schottergärten aus.


Bei den Leserfragen, die Co-Moderator Moritz Hirn stellt, kommt erneut das Thema Kombibad aufs Tapet. Ihre Aussage beim letzten Wahl-Forum der BNN, sie wolle mit dem Rat diskutieren, ob man dazu einen Bürgerentscheid anregt, revidiert Monika Müller diesmal.
Sie habe viele Signale aus dem Gemeinderat und von Vereinen erhalten, dass man dieses Thema nicht mehr aufschnüren wolle, sondern so schnell wie möglich im neuen Bad schwimmen wolle. Allerdings dämpft sie hier die Erwartungen: Es werde nach ihrer Erfahrungen mit Bauprojekten dieser Dimension wohl 2028 werden, bis man die ersten Bahnen im Hallenbad ziehen kann.
Leserfragen zu Kombibad und Klinikum
„Die Leute wollen so schnell wie möglich eine Schwimmmöglichkeit; dafür stehe ich im Falle meiner Wahl“, verspricht auch Gaska und betont mit einem kleinen Seitenhieb: „Ich halte mich an jeden Gemeinderatsbeschluss.“ Monika Müller erwidert: „Manchmal muss ein OB widersprechen, wenn er denkt, die Ratsentscheidung ist für die Stadt nicht richtig; das würde ich auch für mich in Anspruch nehmen.“
Michael Gaska wiederum wird unterstellt, er sei gegen den Bau des Klinikums am Münchfeldsee. Das bestreitet er und sagt, er habe im Stadtviertel vielmehr einen transparenten Prozess mit Bürgergesprächen versprochen. Auch Müller will das Thema Klinikum nicht neu aufmachen. Und Bürgerversammlungen halte sie bei Großprojekten für unausweichlich.
Deutlicher werden beide Kandidaten an diesem Abend auch auf die Frage nach den Wahlkampfkosten. Von 25.000 bis 30.000 Euro aus eigenen Ersparnissen spricht Monika Müller. Michael Gaska erklärt, einen Euro pro Einwohner, also 51.000 Euro, müsse man heutzutage für einen OB-Wahlkampf aufwenden. Er finanziere das ausschließlich aus Erspartem, erhalte keine Spenden.
Bei der Frage, was sie am anderen schätzen, gibt es dann noch mal einen kleinen Schlagabtausch. „Sie ist ein Familienmensch genau wie ich, und ihre Loyalität zur SPD“, sagt Gaska über die Gegenkandidatin. Müller kontert, das mit der Loyalität würde sie gerne selber beurteilen. Seinen Optimismus „und dass Sie Rastatt im Herzen tragen wie ich auch“, das schätze sie an ihm.
Was Angebote für Jugendliche angeht, stellt Müller fest, dass diese gerade in den Ortsteilen fehlten. Sie wolle dort Jugendforen veranstalten, um herauszufinden, was genau die jungen Leute wollen. Unter anderem will sie für deren Einbindung in die Vereinslandschaft werben – wie auch Gaska. Dabei könne ein Rastatter Kultur- und Sportpass helfen, den er als OB einführen wolle: In Höhe von 50 Euro für Jugendliche ab 16 Jahren.
Für Senioren wollen beide Kandidaten Angebote entwickeln, die die älteren Menschen nicht separieren, sondern bei denen sich Alt und Jung begegnen – auch an Freiluftsportanlagen (Gaska) beziehungsweise einer mobilen Bewegungslandschaft auf dem Markt (Müller). Gaska denkt unter anderem zudem an Tagesstätten in den Ortsteilen, in denen sich Senioren für Senioren engagieren, Müller könnte sich Seniorenwohnungen über Kitas vorstellen.
Über die Themenblocks hinweg werden die Redezeiten gemessen. Am Ende sind sie fast ausgeglichen. Müller hat 22:19 Minuten auf dem Zeitkonto, Gaska 20:55 Minuten. Dann kommen jeweils einminütige Schlussplädoyers.
Dabei hält Gaska fest, dass er nach den Gesprächen mit den Rastattern „drei Notizbücher“ voll mit Dingen habe, die diese bewegten. Er wolle in gemeinsamer Arbeit mit Freude Haken an diese Punkte setzen. Müller möchte die 51.000 Menschen in Rastatt „jeden Tag für die Stadt begeistern“ und sich mit ihrer Erfahrung und Ideen dafür einsetzen, dass diese sich wohlfühlen können.
Service
Rund 38.000 Rastatter sind am Sonntag, 15. Oktober, bei der OB-Stichwahl wahlberechtigt. Die BNN berichten bereits vor Schließung der Wahllokale am Abend mit einem Liveticker auf www.bnn.de. Mit einem vorläufigen Endergebnis wird gegen 19 Uhr gerechnet.