Besitzern und Mietern von Wohnungen in Gewerbegebieten droht großes Ungemach, sofern sie nicht mit dem Betrieb verbunden sind, zu dem die Immobilie gehört oder gehörte. Das Landratsamt und die Gemeinde scheinen jedenfalls fest entschlossen, illegale Wohnnutzungen in Gewerbegebieten nicht mehr zu dulden. Das schon oft beklagte Problem soll rigoros aus der Welt geschafft werden. Dieser Eindruck war am Mittwoch in der Sitzung des Gemeinderats zu gewinnen, der dem Vorhaben mit einstimmigen Beschluss Rückendeckung gab.
Begonnen werden soll in den Gewerbegebieten „Nordwest“ und „Rottlichwald, Brünnelsäcker“. Dort sollen sich nach Darstellung des Ortsbauamtes die Missstände sehr gehäuft haben. Der Sitzungsvorlage zufolge wurde die unerwünschte Entwicklung durch eine Besonderheit in den Bebauungsplänen beider Gebiete begünstigt, die eine Abgrenzung zwischen Wohnhäusern und Betriebsgebäuden vorsehe. Inzwischen seien viele Grundstücke geteilt und die Wohnhäuser als separaten Liegenschaften verkauft worden. Von Betrieben losgelöstes Wohnen verstoße gegen die Baunutzungsverordnung, wurde in den Erläuterungen klar gemacht .
Als Folge dieser zunehmenden Umwandlung gingen neue Wohnungsinhaber gegen Arbeitslärm vor. Sie forderten „Ruhe vor den gewerblich tätigen Nachbarn“. Wie der Verwaltungsvorlage zu entnehmen war, wurde seit September letzten Jahres schon dreimal in nichtöffentlichen Gemeinderatssitzungen über die Thematik beraten. Zweimal habe der Leiter der Baurechtsbehörde des Landratsamtes teilgenommen, merkte Bürgermeister Andreas Augustin an.
Darüber hinaus ließ sich die Gemeinde von einem Fachanwalt beraten. Dessen Einschätzung war als Brief in den Sitzungspapieren enthalten. Daraus ging hervor, dass eine Umstufung der beiden Gewerbegebiete in Mischgebiete oder allgemeine Wohngebiete erwogen wurde. Diese Wege, das Wohnproblem zu lösen, seien aber rechtssicher nicht gangbar, solange im Gebiet noch Gewerbe vorhanden sei, schrieb der Jurist. Betroffene Firmen hätten einen „Abwehranspruch“ gegen Änderungen des Gebietscharakters. In diesem Sinne urteile der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg bei Fällen dieser Art „durchaus strikt“.
Das Landratsamt kam mit Verweis auf das Baugesetzbuch zu dem Schluss, dass eine reine Wohnnutzung ohne Gewerbebezug „formell und materiell rechtswidrig“ sei. Solche Verstöße kämen in beiden Plangebieten „zahlreich“ vor. In Anbetracht der klaren Rechtslage und zum Funktionserhalt der Bebauungspläne müsse gegen die illegalen Nutzungen vorgegangen werden, war einem Aktenvermerk zu entnehmen.
Die Behörde kündigte an, dass sie die betreffenden Eigentümer beziehungsweise Mieter über die Rechtslage in Kenntnis setzen und auffordern wolle, die Wohnnutzung einzustellen. Nach Ablauf einer Anhörungsfrist sei eine förmliche Nutzungsuntersagung vorgesehen. Auf Sofortvollzug von Amts wegen wolle man aber verzichten. Widerspruch und Anfechtungsklagen bekämen somit aufschiebende Wirkung, stellt sich das Landratsamt offenbar auf juristische Gegenwehr ein.
Wir werden mit Härte rangehen.Werner Hermann, Gemeinderat
Außerdem seien Duldungen vorstellbar, etwa wenn es sich bei Bewohnern um ehemalige Berechtigte handele. Die Duldungsdauer solle auf höchstens fünf Jahre begrenzt werden. Augustin hob hervor, dass Bewohner, deren Wohnstätte mit ihrem Gewerbe verbunden sei, nichts zu befürchten hätten. Korrekte Nutzungen würden auch künftig erlaubt sein. Der Diskussionsbedarf des Gemeinderats schien in den vorausgegangenen nichtöffentlichen Besprechungen gestillt worden zu sein. Nach kurzen Einführungen durch Ortsbaumeister Hans-Martin Braun und Bürgermeister Augustin meldete sich lediglich Werner Hermann (SPD) zu Wort. Man sei sich mit dem Landratsamt einig, Missstände nicht weiter zu tolerieren. Man werde „mit Härte rangehen“, könne es aber nicht bei den beiden Gebieten belassen. Zug um Zug müsste alle Gewerbegebiete überprüft werden, meinte Hermann. Gegenrede gab es.
Das Ratsgremium bekundete (bei einer Enthaltung) durch einstimmigen Beschluss sein Einverständnis mit der beschriebenen Vorgehensweise. Braun hatte schon zu Beginn angedeutet, welche drastische Folgen das Vorhaben für Käufer von Wohnungen in Gewerbegebieten haben könnte: enormen Geldverlust.