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Auswirkungen des Ukraine-Kriegs

Gibt es Durmersheimer Erdbeeren bald nur noch aus dem Folientunnel?

Der Ukraine-Krieg wirkt sich auch auf landwirtschaftliche Betriebe in der Region aus, zum Beispiel auf die Erdbeerbauern Rolf und Simon Enderle aus Durmersheim.

Die Erdbeerernte ist voll in Gang: Rolf (links) und Simon Enderle im Folientunnel.
Die Erdbeerernte ist voll in Gang: Rolf (links) und Simon Enderle im Folientunnel. Foto: Anja Groß

Erdbeeren wohin das Auge reicht: Simon Enderle führt den Durmersheimer Erdbeerhof Enderle in dritter Generation zusammen mit Vater Rolf. Erdbeeren sind das Hauptprodukt.

In Zeiten von Corona, Klimawandel, Kostensteigerungen und steigendem Mindestlohn ist das eine Herausforderung.

Darüber, was das alles für die Früchte und die Erdbeer-Kunden bedeutet, haben die beiden mit unserer Mitarbeiterin Anja Groß gesprochen.

Herr Enderle, endlich ist es warm – da strahlt der Erdbeerbauer?
Rolf Enderle

Ja, denn bei diesem Wetter können die Erdbeeren ideal reifen und schmecken dann auch gut.

Wie viele Sorten bauen Sie an?
Simon Enderle

Insgesamt liegt unsere Betriebsgröße bei 190 Hektar. Der Erdbeeranbau schwankt immer so zwischen 13 und 15 Hektar Anbaufläche für derzeit 14 Sorten. Davon sind sechs Sorten neu zum Test. Es ist wie beim Wein: Nicht jede Sorte wächst auf jedem Boden gleich gut. Eine davon ist die Twist. Bei den Selbstpflückern werden wir austesten, wie sie ankommt.

Alles wird momentan teurer – auch die Erdbeeren?
Simon Enderle

Dieses Jahr noch nicht. Wir liegen preislich ähnlich wie 2021. Ich gehe davon aus, dass das erst nächstes Jahr durchschlagen wird. Dabei ist natürlich immer die Frage, wie viel Preissteigerung man weitergeben kann, oder ob die Leute dann woanders beziehungsweise weniger Erdbeeren kaufen.

Aber die Preissteigerungen aufgrund des Ukraine-Kriegs belasten Sie doch sicher auch?
Simon Enderle

Ja, aber momentan wirkt sich das noch nicht so drastisch aus, weil man ja schon gepflanzt und eingekauft hatte, viele Kosten sind schon weg. Für nächstes Jahr gehe ich von Kostensteigerungen im sechsstelligen Bereich aus. Papier ist teurer, das merken wir bei den Erdbeerschälchen. Diesel ist teuer, den brauchen wir zum Bewässern. Hinzu kommt dann noch der steigende Mindestlohn.

Ist Erdbeeranbau dann noch lohnend?
Rolf Enderle

Für uns wird die Herausforderung darin bestehen, weiterhin hohe Qualität zu produzieren, aber bei den Produktionskosten einzusparen. Keinesfalls wollen wir auf ertragreichere, aber qualitativ nicht so hochwertige Sorten umstellen.

Wie kann das gelingen?
Simon Enderle

Der sogenannte geschützte Anbau im Folientunnel, den wir schon auf einem Drittel unserer Anbaufläche betreiben, wird sicher an Bedeutung gewinnen. Die Folie streut das Licht und schützt die Pflanzen vor Sonnenbrand, aber auch vor Hagel, Regen, Frost. Wir haben dabei rund fünf bis sieben Prozent mehr Ertrag und viel weniger Ausfall durch Fäulnis. Und es ist natürlich auch für die Arbeitskräfte interessanter, weil sie nicht so sehr der Witterung ausgesetzt sind.

Folienanbau im Tunnel, da blutet Umweltschützern das Herz, oder?
Simon Enderle

Jein. Wir brauchen dadurch weniger Pflanzenschutzmittel, denn durch Folie wächst kein Unkraut und es verdunstet kein Wasser. Dadurch sparen wir Tausende von Litern Diesel im Jahr für die Bewässerung. Wenn man Pro und Kontra betrachtet, spricht vieles für den Tunnelanbau.

Puristen behaupten aber, die Früchte aus dem Folienanbau würden nicht so gut schmecken.
Simon Enderle

Wenn wir perfektes Wetter haben, sind die Freilandfrüchte bestimmt besser. Aber wenn das Wetter unbeständig ist, sind die aus dem Tunnel besser, weil die klimatischen Bedingungen konstant bleiben. Im Tunnel regnet es nicht.

Bleibt die Folie dann im Boden?
Rolf Enderle

Nein, die wird so sauber wie möglich rausgewickelt und kommt dann zu einem Recyclingbetrieb.

Wie gewährleisten Sie den von Ihnen propagierten nachhaltigen Anbau?
Rolf Enderle

Auf den Erdbeerfeldern haben wir normalerweise ein Jahr Erdbeeren und zwei, drei Jahre Gründüngeranbau und dann wieder Erdbeeren. So gelingt die Stickstoffanreicherung im Boden. Zudem ist ein Vorteil vom Tunnelanbau, dass man bei Milben- oder Blattlausbefall Nützlinge einsetzen kann, statt zu spritzen, und weniger Wasser benötigt. Durch den Anbau von Blühflächen fördern wir Nützlinge und Bestäuberinsekten.

Auch Sie als landwirtschaftliche Erzeuger haben mit dem Klimawandel zu kämpfen. Wie reagieren Sie?
Simon Enderle

Durch den Anbau von Sorten, die Hitze besser vertragen wie Clery. Zudem haben wir die Pflanzrichtung der Erdbeeren von Ost-West nach Nord-Süd gedreht. Das heißt, die Sonne scheint nicht den ganzen Tag auf eine Stelle der Pflanze. Denn eine Erdbeere mit Sonnenbrand können Sie wegwerfen. Zum anderen pflanzen wir jetzt auf Erdbeerdämmen, also auf Folie, und legen einen Tropfschlauch drunter. So gelangt das Wasser besser an die Pflanze, wir brauchen weniger Wasser und müssen mit weniger Druck bewässern, was Diesel spart. Und es bildet sich keine Staunässe.

Salat, Erdbeeren, was bauen Sie noch an?
Simon Enderle

Haupterwerb sind die Erdbeeren. Ansonsten Salat, Kohlrabi und verschiedene Getreidearten. Und wir fangen am Wochenende an mit der Kartoffelernte auf einer kleinen Fläche. Wir sind wohl mit die Ersten in Deutschland, die Frühkartoffeln ernten.

Soll das ein neues Geschäftsfeld werden?
Simon Enderle

Nein, wir wollen die mit den Erdbeeren ab Hof anbieten, aber nicht in großem Stil auf Kartoffeln umsteigen.

Wo und an wen verkaufen Sie Ihre Erdbeeren?
Rolf Enderle

Den kleineren Teil vermarkten wir selbst ab Hof und an Erdbeerständen in der Region. Der größte Anteil geht an den Obstgroßmarkt in Oberkirch, der die Erdbeeren weiter vermarktet an den Einzelhandel.

Vergangenes Jahr beherrschte die Problematik der fehlenden Saisonarbeitskräfte aufgrund der Corona-Pandemie die Schlagzeilen. Wie sieht das aktuell aus?
Rolf Enderle:

Dieses Jahr hat sich das entspannt. Die Erntehelfer können so anreisen, wie wir sie benötigen. Letztes Jahr war es wichtig, dass sie einfach mal da waren. Denn jederzeit konnten sich irgendwelche Bedingungen ändern.

Wie viele Saisonarbeitskräfte sind bei Ihnen beschäftigt?
Simon Enderle

Aktuell sind es 43, diese Woche kommen noch mal 21, denn jetzt beginnt die Haupternte. Viele kommen schon seit Jahren und Jahrzehnten aus Rumänien zu uns. Das ist ein Vorteil für uns, denn die kennen die Abläufe. Beim Erdbeerpflücken kann man einiges falsch machen: Die müssen genau nach Größe sortiert werden. Für die Direktvermarktung wird vollreif gepflückt. Wenn es in den Handel geht, dürfen die Erdbeeren noch nicht vollreif sein, sonst sind die Früchte auch beim Anfassen zu empfindlich. So muss das jeden Tag beim Pflücken umgesteuert werden.

Wo bringen Sie die Erntehelfer unter?
Rolf Enderle

Wir haben Wohn- und mieten zusätzlich Sanitärcontainer.

Die Corona-Pandemie und nun der Ukraine-Krieg werfen ein Schlaglicht auf unsere Abhängigkeit vom Weltmarkt. Muss die Landwirtschaft umdenken und künftig eher Weizen oder Sonnenblumen anbauen?
Rolf Enderle

In der Rheinebene lohnt sich auf den leichten Böden der Getreideanbau nicht wirklich. Ich denke, wir müssen europaweit umdenken und schauen, dass wir unabhängiger werden sowohl von der Energie als auch in Sachen Anbau. Aber das kann nur der Staat steuern. Wir sind sehr abhängig von Düngemitteln aus der Ukraine und Russland, die Preise haben sich teilweise verfünffacht. Glücklicherweise brauchen Erdbeeren fast keinen Dünger, aber Getreide. Das aber müssen wir anbauen, weil wir Stroh für die Erdbeeren brauchen.

Ist PFC für Sie ein Thema?
Rolf Enderle

Glücklicherweise liegt Durmersheim nicht im Einzugsbereich der Grundwasserfahne und die Landwirte hier haben nachweislich keinen PFC-belasteten Kompost eingesetzt.

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