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„Werkzeugkasten“ gegen Gewalt

Wie eine Polizistin Kinder vor Gewalt schützen will

Tina Rastätter ist Kripobeamtin in Altersteilzeit. Mit einem Kurs bringt sie Kindern bei, wie sie sie richtig verhalten, und leistet so einen Beitrag zur Vorbeugung von sexualisierter Gewalt.

Tina Rastätter
Tina Rastätter ist Kripobeamtin. Sie bringt Kindern bei, wie sie sie richtig verhalten. Sie leistet einen Beitrag zur Vorbeugung sexualisierter Gewalt. Foto: Yvonne Hauptmann

Ein älterer Herr spricht einen Neunjährigen an, er möge ihm helfen, die Einkäufe ins Haus zu tragen, es winke auch eine Belohnung. Soll der Junge dem Mann, den er flüchtig aus der Nachbarschaft kennt, helfen oder soll er es lieber lassen? Eine knifflige Frage.

„Viele Kinder wissen nicht, wie sie sich in so einer Situation verhalten sollen, sind im Zwiespalt, weil sie helfen wollen. Dabei liegt die Antwort auf der Hand“, meint Tina Rastätter. Um den Kindern beim Finden der richtigen Entscheidung zu helfen, ist die Kripobeamtin in Altersteilzeit mit ihrem Kurs „Werkzeugkasten für alle Fälle“ in der Region unterwegs.

Zusammen mit einer Kollegin und einem Kollegen, ebenfalls Polizisten, besucht die Durmersheimerin Grundschulen der Region, etwa in Rheinstetten. Manchmal wird der „Werkzeugkasten“ auch auf Einladung von Vereinen ausgepackt – etwa am 24. Juni beim Turnverein Au am Rhein.

Sechs Stunden dauert der Kurs, in der Regel findet er verteilt auf mehrere Vormittage statt. „Wir haben das Programm im Lauf der Jahre entwickelt“, sagt Tina Rastätter.

„Im Prinzip geht es darum, Kindern Werkzeuge an die Hand zu geben, um Sicherheit in bestimmten Situationen zu erlangen.“ Anders als oft vermutet oder zu Hause vermittelt, würden Kinder bei Gewalttaten meistens nicht „geschnappt, geklaut und mitgenommen“, sie gehen ganz freiwillig mit den Tätern mit.

70 bis 80 Prozent der Täter kommen aus dem sozialen Nahbereich.
Tina Rastätter, Kripobeamtin

„70 bis 80 Prozent der Täterinnen und Täter kommen ohnehin aus dem sozialen Nahbereich der Kinder. Es ist also wichtig, ihnen beizubringen, was okay ist und was nicht.“

Kinder müssten laut Rastätter, die selbst vierfache Mutter ist, lernen, auf ihr Gefühl zu hören. Automatisch müsse in schwierigen Situationen ein Fragekatalog abgearbeitet werden: „Wissen Mama oder Papa, wo ich bin?“ sei beispielsweise eine der Fragen.

Pauschale Aussagen bringen nichts

Pauschale Aussagen wie „Nimm nichts von Fremden an“ brächten meist nichts. „Wenn an ein Geschenk keine Bedingung geknüpft ist, man nichts dafür tun muss, kann man es nämlich durchaus annehmen“, sagt Rastätter.

Ein wichtiger Bestandteil des Kurses sei auch, den jungen Teilnehmern zu vermitteln, an wen sie sich wenden können, wenn persönliche Grenzen überschritten werden – „wenn der Täter oder die Täterin im Elternhaus zu finden ist, muss es ja jemanden außerhalb geben, der einem Kind weiterhilft.“ Daher kooperiere man auch eng mit den Schulsozialarbeitern.

Keine Chance gegen Erwachsene

Arbeite man mit älteren Kindern zusammen, passe man das Programm entsprechend an.

„Denen muss man dann schon eher sagen, dass es nicht feige und uncool ist, einfach mal wegzurennen und laut um Hilfe zu rufen. Ein Kind hat gegen einen Erwachsenen körperlich keine Chance, das ist vielen nicht immer klar.

Am Ende des Kurses werden alle Elemente des „Werkzeugkastens“ schließlich noch einmal in praktischen Übungen wiederholt. „Da spielen wir mit den Kindern die verschiedenen Situationen konkret durch und lassen sie selbst entscheiden, wie sie sich im vorgespielten Fall richtig verhalten“, so die Polizistin.

Aber was ist denn nun das richtige Verhalten im Fall des älteren Nachbarn, der seine Einkäufe nicht selbst die Treppe hochtragen kann? Wäre es denn nicht ziemlich unhöflich, ihm zu sagen, dass man es nicht macht? „Nein, das wäre es nicht“, betont Tina Rastätter.

„Man darf natürlich immer helfen, aber nur vor Ort. Bei uns lernen die Kinder, dass sie in so einem Fall nicht mit in den Hausflur gehen sollen. Sie können aber trotzdem helfen: Indem sie einen Erwachsenen bitten, dem älteren Herrn mit den Einkäufen behilflich zu sein.“

Service

Der Kurs „Werkzeugkasten für alle Fälle“ wird am Samstag, 24. Juni, in Form eines ganztägigen Seminars von 9. bis 11.30 Uhr sowie von 12.30 bis 15 Uhr in den Räumlichkeiten des TV Au am Rhein angeboten. Teilnehmen können Kinder von neun bis elf Jahren. Es gibt noch wenige freie Plätze. Anmelden kann man sich unter tv-auamrhein@t-online.de. Kosten: 25 Euro pro Kind.

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