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Hilfe, wenn Familienmitglied stirbt

Durmersheimer Verein Helping Hands knüpft Netzwerk zur Trauerbewältigung

Klaus Bothe saß in einem der Flugzeuge, die am 11. September 2001 im World Trade Center explodierten. Seine Familie gründete in Durmersheim einen Verein. Dessen Ziel ist es, anderen betroffenen Familien zu helfen, die ein Elternteil verloren haben.

 Vereinsvorsitzende sitzt an einem Tisch
Wegbegleiterin in schwierigen Lebensphasen: Katja Bothe will mit ihrem Verein Familien helfen, die ein Elternteil verloren haben. Foto: Stefan Maue

Wenn Lara Geburtstag hat, dann beginnt die alljährliche Feier immer um 15.03 Uhr. Aber warum? Die Antwort ist gleichermaßen traurig wie erschütternd. In New York ist es dann 9.03 Uhr.

Und genau zu dieser Zeit geschah im Jahr 2001 das Unfassbare: Das zweite Flugzeug explodiert im Südturm des World Trade Centers. Darin sitzt Klaus Bothe, der an diesem Tag geschäftlich in den USA unterwegs ist.

Die Geburtstagsfeier beginnt immer um 15.03 Uhr

Kurz vorher hatte er noch mit Lara telefoniert, die zuhause in Linkenheim gerade ihren dritten Geburtstag feierte. „Am Anfang war nicht klar, ob mein Mann sich wirklich an Bord befand“, erinnert sich Bothes Ehefrau Katja, die mittlerweile in Durmersheim wohnt.

Erst am späten Abend gab es durch eine Mitteilung der Fluggesellschaft Klarheit, dass er auf der Passagierliste stand.

„Ich habe lange gebraucht, um die ganzen weltpolitischen Zusammenhänge rund um 9/11 zu realisieren“, sagt Katja Bothe. Dank einer riesigen Welle der Unterstützung und Hilfsbereitschaft sei es im Laufe der Jahre gelungen, den erlittenen Verlust des Vaters und Ehemannes zu verarbeiten.

Dabei ist eine Konstante geblieben: „Wir haben den Kindergeburtstag von Lara auch danach regelmäßig gefeiert, meist mit Motto-Partys, aber eben immer erst ab 15.03 Uhr“, erklärt so Katja Bothe. Und je älter die Tochter wurde, desto mehr habe sie sich Gedanken gemacht, was am 11. September eigentlich geschehen war.

Tochter Lara will alle Länder dieser Welt bereisen

Mittlerweile steht Lara kurz vor ihrem 25. Geburtstag und lebt in London. Sie studierte nach Zwischenstationen in Ohio, Finnland und Hamburg in England Musikmanagement und arbeitet freiberuflich für eine Agentur, die vorwiegend Festivals und Musik-Events organisiert.

„Ihr Traum ist es, einmal eine eigene Band zu managen und alle Länder dieser Welt zu bereisen“, erzählt Katja Bothe. Auch Ehemann Klaus sei ein begeisterter Freund von Reisen, Konzerten und Festivals gewesen.

Wir wollen in Durmersheim mehr Präsenz zeigen.
Katja Bothe, Vereinsvorsitzende

Die riesige Anteilnahme und Unterstützung durch Verwandte und Freunde bei der Bewältigung der Trauer habe Lara dazu veranlasst, selbst eine Initiative zu entwickeln. Deren Ziel ist es, anderen Familien zu helfen, die ihrerseits den Verlust eines Elternteils zu ertragen hatten.

So entstand die Idee, den Verein Helping Hands in Durmersheim zu gründen. Im Mai 2020, mitten in der Corona-Zeit, war es soweit. „Die Gründungsversammlung geschah nur im online-Format“, sagt Katja Bothe, die auch den Vorsitz übernommen hat.

Aus den ursprünglichen acht Gründungsmitgliedern sind mittlerweile 13 geworden – allesamt aus dem Freundes- und Bekanntenkreis.

Wunsch ist der Aufbau einer Trauergruppe speziell für Kinder

Nun sollen es aber noch mehr Mitglieder werden und ein größeres Netzwerk entstehen. Eine Anwältin zählt unter anderem dazu, eine Seelsorgerin, ein Unternehmen, das Grabstelen herstellt oder auch eine Trauerbegleitung.

Katja Bothe vermisst in der Region eine Trauergruppe speziell für Kinder, die einen familiären Schicksalsschlag erlebt haben. Mittelfristig kann sie sich vorstellen, selbst eine solche Gruppe ins Leben zu rufen.

Helping Hands wolle etwa betroffenen Familien auch bei finanziellen Problemen und der Bewältigung bürokratischer Arbeit helfen, ebenso wie beim Besuch von Freizeitparks oder Events, um ein wenig Ablenkung von dem Schicksalsschlag zu verschaffen.

Die Gründungsversammlung geschah nur im Online-Format
Katja Bothe, Vereinsvorsitzende

Nicht nur die Fernsehdokumentation über das Schicksal der Familie Bothe und zahlreiche Interviewanfragen führten zu dem Entschluss, den Verein noch bekannter zu machen. „Wir wollen auch in Durmersheim mehr Präsenz zeigen, etwa bei Straßenfesten und anderen Gelegenheiten“, sagt Katja Bothe, die im Übrigen jedem dazu rät, frühzeitig ein Testament zu verfassen und Vollmachten zu erteilen.

Zwei lose Anfragen zur Hilfe habe der Verein schon verzeichnet, aber oft sei da noch eine Hemmschwelle zu spüren, sagt sie. Die Konsequenz: „Wir müssen selbst noch mehr Möglichkeiten finden, mit betroffenen Familien in Kontakt zu treten.“

Eigentlich wollte Tochter Lara zum 20. Todestag ihres Vaters 2021 ein besonderes Festival in Frankfurt planen – weil dort viele der späteren Opfer des Attentats abgeflogen waren. Wegen Corona allerdings wurde die Veranstaltung abgesagt. Nun soll es möglicherweise zum 25. Todestag 2026 unter Beteiligung des Durmersheimer Vereins realisiert werden.

Momentan unterstützt Helping Hands eine Familie in Weingarten, in der der Vater an ALS gestorben ist. Über 2.000 Euro seien gesammelt worden, um der kleinen Tochter zu helfen, sagt Katja Bothe – in der Hoffnung, die Basis an Spenden, Sponsoren und Freunden, mit denen der Verein Gutes tun will, noch weiter zu verbreitern.

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