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Gutes Wetter ließ Wespen-Brut gedeihen

Experte erklärt, warum es „Unmengen an Wespen” gibt

Von einer „Plage“ spricht Thomas Westermann zwar nicht. Dennoch lässt der ehrenamtliche Wespen- und Hornissenberater keinen Zweifel daran, dass es in diesem Jahr „Unmengen“ dieser Insekten gibt.

Wespennest im Apfelbaum
Kunstvoll aus eingespeichelten Holzfasern gefertigt: Etliche Wespen bauen kugelförmige Nester, die sie zum Beispiel wie hier an einem Apfelbaum aufhängen. Es gibt aber auch Arten, die ihre Nistplätze unterirdisch errichten. Foto: Ralf Joachim Kraft

Das Frühstück im Freien, das Kaffeekränzchen auf dem Balkon oder der Grillabend im Garten könnten so schön sein, gäbe es da nicht diese ungebetenen Gäste, die in diesem Sommer anhänglicher und auch aggressiver als sonst zu sein scheinen. Sie krabbeln frech über den Teller im Biergarten, belagern die Kuchentheken in den Bäckereien oder verfolgen kleine Kinder mit Eistüten.

Kaum sitzt man im Freien, kommen auch schon die Schwarz-Gelben mit der schmalen Taille angeflogen, sausen einem um die Ohren und nehmen nicht selten Tuchfühlung auf. Eine falsche Bewegung – und schon ist es passiert. Autsch.

Beim Rheinau Bäck in der Rastatter Kaiserstraße geht’s an diesem Morgen noch relativ entspannt an der Wespenfront zu. „In den letzten beiden Jahren war es wesentlich schlimmer, derzeit kommen höchsten zwei, drei gleichzeitig“, stellt Verkäuferin Malika Dortabaeva fest. Keine Probleme haben die Rastatter Eismacher-Brüder Cimino mit den auffälligen Fluginsekten.

Im „Gelato Go” verweist Inhaber Gino Cimino auf die „gut funktionierende Kühlkette“, die die Wespen von der Eistheke fernhält. Ivelin Ivanov, Kellner-Urgestein in der Schlossgaststätte, spricht zwar nicht von einer Plage, meint aber, dass es in diesem Jahr durchaus viele Wespen gebe

„Ich selbst habe keine Angst, aber manche unserer Gäste im Außenbereich fühlen sich schon von den Wespen gestört“, erzählt Ivanov, der zu erhöhter Vorsicht beim Essen und Trinken rät. Apropos: Durst, so sagt er, hätten auch die Plagegeister. „Sie trinken Wasser aus dem Brunnen.” Allerdings wüssten sie bei ihren Ausflügen zur Zapfanlage auch ein gutes Pils zu schätzen, scherzt er.

Fachmann vermeidet das Wort „Wespenplage“

Das Wort „Wespenplage“ nimmt auch Thomas Westermann nicht in den Mund, genauso wenig wie seine Kollegen aus dem Landratsamt in Rastatt. Wenngleich die Einschätzung der Experten je nach Ort durchaus unterschiedlich ausfallen kann. In der Ortenau zum Beispiel können Kammerjäger Thomas Anzlinger und weitere Fachleute „kein herausragendes Vorkommen” erkennen. In der Region Pforzheim berichteten die BNN unlängst von einem „Super-Wespenjahr”.

So weit möchte Thomas Westermann zwar nicht gehen. Doch auch er lässt keinen Zweifel daran, dass es in diesem Jahr „schiere Unmengen“ an Wespen gibt. „Sie sind im Moment sehr stark auf Nahrungssuche“, berichtet der Wespen- und Hornissenberater. „Im Moment geben sie noch einmal richtig Gas und fliegen dabei fast alles an, was da kreucht und fleucht.“

Mitte/Ende September werde sich die Lage beruhigt haben, gegen Winter hin sterben die Völker ab. Die überdurchschnittliche Wespenpopulation sei dem schönen Wetter seit Beginn des Jahres geschuldet, erklärt Westermann, der sich als einer von sieben Fachberatern des Landkreises Rastatt ehrenamtlich um den Wespen- und Hornissenschutz kümmert. Der 33-Jährige züchtet selbst Bienen und ist hauptberuflich in der Bühler Forstbezirksleitung als Forstingenieur in den Sachgebieten Förderung, Waldpädagogik und Waldschutz tätig.

Die Wespenvölker konnten sich durch die warme und trockene Witterung gut entwickeln.
Thomas Westermann, ehrenamtlicher Wespen- und Hornissenberater beim Landkreis Rastatt.

„Die Natur war nach einem milden Winter in diesem Jahr drei bis vier Wochen früher dran. Wir hatten ein sonniges Frühjahr. Die Königinnen starteten früh mit dem Nestbau, ihre Völker konnten sich durch die warme und trockene Witterung gut entwickeln“, berichtet der Experte von einem ähnlich guten Wespenjahr wie 2018. Aktuell erhalte er etwa fünf Anfragen pro Tag.

Sie alle beziehen sich auf die beiden häufigsten Arten, die Deutsche und die Gemeine Wespe, die - von Fleisch oder Süßem angelockt- durchaus aggressiv werden können, wenn man ihnen das Feld nicht tatenlos überlässt.

Die großen Hornissen zählen ebenfalls zu den Wespen, gelten aber als eher harmlos und relativ friedlich. „Sie sind nützliche Insektenjäger, stehen wie viele andere Wespenarten unter besonderem Schutz und stechen nur zu, wenn sie sich oder ihr Nest bedroht fühlen“, berichtet Westermann. Haben sie sich zum Beispiel in einem Rolladenkasten („der Klassiker”) eingenistet, könne eine Umsiedlung notwendig werden.

Allerdings nur als letzte Option, „denn solche Umsiedlungen sind sehr aufwändig und dauern mehrere Stunden“, berichtet der Fachmann, dass das Hornissenvolk in solchen Fällen mit einem Staubsauger abgesaugt, in einen Kasten verfrachtet und in den Wald transportiert werde.

Kommentar: Nützlich

Wespen haben keinen guten Ruf. Während ihre Verwandten, die Wildbienen und Hummeln, als Symbol für Artenvielfalt stehen, werden die Wespen vor allem als Plagegeister wahrgenommen, die uns nerven und stechen. Dabei sind die meisten Wespenarten, die es bei uns gibt, völlig harmlos und friedlich. Störend, aufdringlich und lästig aus menschlicher Sicht sind eigentlich nur zwei Arten – die Deutsche und die Gemeine Wespe. Aber auch die erfüllen ihren Zweck in der Natur. Im Allgemeinen sind Wespen nämlich sehr nützliche Tiere. Schließlich jagen sie Fliegen, Blattläuse, Raupen oder andere Insekten, fressen deren Larven und leisten als Gesundheitspolizei wertvolle Dienste.

Auch wenn sie in großen Mengen andere Insekten vertilgen – für den drastischen Schwund der Blütenbestäuber sind sie natürlich nicht verantwortlich. Der ist dem Menschen, vor allem seinem Einsatz hochwirksamer Insektengifte in der intensiv betriebenen Landwirtschaft, zu verdanken. Dass Wespen dem Menschen im Hochsommer auf die Pelle rücken, hat übrigens damit zu tun, dass ihnen in freier Wildbahn, auch wegen der lang anhaltenden Trockenheit, langsam Futter und Wasser ausgehen. Es wird zwar nicht viel helfen, aber vielleicht sollte man daran denken, bevor man wieder über die stechenden und scheinbar nutzlosen Biester schimpft und hysterisch nach ihnen schlägt.

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