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Gemeinden an Belastungsgrenze

Ukraine-Flüchtlinge: Hilferuf aus dem Landkreis Rastatt

Der Kreis Rastatt kommt bei der Flüchtlingsunterbringung an seine Grenzen. In einem offenen Brief stellen Kommunalpolitiker geschlossen nun Forderungen an die politisch Verantwortlichen.

Das ehemalige Altenpflegeheim Martha-Jäger-Haus ist mit Flüchtlingen voll belegt
Das ehemalige Altenpflegeheim Martha-Jäger-Haus ist mit Flüchtlingen voll belegt Foto: Martina Holbein

Die Bürgermeister der Städte und Gemeinden des Landkreises Rastatt gehen zusammen mit Landrat Christian Dusch einen ungewöhnlichen Schritt: In einem offenen Brief, der sich unter anderem an Bundes- und Landesminister, Bundestagsabgeordnete und den Städtetag richtet, machen sie deutlich, dass sie an der Belastungsgrenze sind.

Alle 23 Oberbürgermeister, Bürgermeister und der Landrat sind sich einig, dass das System der Flüchtlingsunterbringung an einem Kipppunkt angekommen ist. „Und wir sind nicht allein“, so Ötigheims Bürgermeister Frank Kiefer (Kreisvorsitzender des Gemeindetags Baden-Württemberg) bei einem Pressegespräch im Landratsamt.

„Auch andere Landkreise sind an ihre Grenzen gelangt und schon darüber gegangen“, bekräftigte der Ottersweierer Bürgermeister Jürgen Pfetzer. Bis zum Jahresende 2022 wird der Landkreis Rastatt mehr Flüchtlinge aufgenommen haben als während der Fluchtbewegung 2015/16.

Förderprogramme greifen nicht so schnell wie erwartet

1.993 Flüchtlinge waren es am 27. September, davon 1.606 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. „Es gibt keinen Wohnraum mehr, keine Kita-Plätze, Deutschkurse sind Mangelware, die Tafeln sind an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt und die Förderprogramme greifen nicht oder nicht so schnell wie sie greifen sollten“, so die Erfahrungen der Kommunalpolitiker.

Wenig Verständnis haben sie für die Aussage der Landesregierung, dass die Landeserstaufnahmekapazitäten gefüllt sind und die Flüchtlinge nach unten, sprich in die Kommunen durchgereicht werden. „Da geht aber nichts mehr“, so die Bürgermeister, da der 2015/16 eigens geschaffene Wohnraum noch immer von Flüchtlingen belegt ist.

„Die Annahme, dass viele wieder zurückkehren, war falsch“, so die Erkenntnis. Außerdem sei in dieser Region Wohnraum ohnehin Mangelware, gab Bürgermeister Pfetzer zu Bedenken.

Schnelle Containerlösungen scheiterten schon an der Lieferzeit dieser Notlösung, die ein Jahr beträgt. Außerdem muss eine solche Aufstellung mit dem Baurecht abgeglichen werden, was ebenfalls Zeit beansprucht.

Bürgermeister aus dem Kreis Rastatt stellen klare Forderungen

Eine erste Forderung der Bürgermeister ist, dass das Land seine Erstaufnahmekapazitäten hochfährt. „Damit bekommen wir einen zeitlichen Vorlauf, der helfen würde“, so Jürgen Pfetzer. Nur, etwas daran ändern, dass der Zuzug ständig steige, werde das nicht.

Wir brauchen Hilfe und veränderte Rahmenbedingungen.
Frank Kiefer, Bürgermeister Ötigheim

Landrat Christian Dusch dankte den Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen für ihr Engagement. Sozialberatung und Integration, wie sie der Landkreis und die Kommunen in den vergangenen Jahren aufgebaut haben, seien jedoch weitgehend unter den Tisch gefallen.

Eine weitere Forderung ist, die Standards an Kitas und Schulen flexibler zu handhaben, damit mehr Kinder aufgenommen und betreut werden können. Mehr Flexibilität brauche auch das Baurecht.

Verlängerte Aufenthalte in den Landeserstaufnahmeeinrichtungen und in der vorläufigen Unterbringung auf Kreisebene, verbesserte Betreuung und Erfassung der Flüchtlinge, Sprachkurse und eine Verbesserung des Sozialmanagements sind die Forderungen, mit denen sich die Unterzeichner des Briefes an die politisch Verantwortlichen auf Landes- und Bundesebene wenden.

Alle Bürgermeister wollen eigenen Angaben zufolge vermeiden, Flüchtlinge in Turn- und Gemeindehallen unterzubringen. Das sei den Vereinen und Bürgern und auch den Flüchtlingen nach den Corona-Jahren nicht zumuten, dennoch rückt das Szenario näher.

„Diesmal brauchen wir Hilfe und veränderte Rahmenbedingungen“, so Bürgermeister Frank Kiefer. Landrat Christian Dusch warnte vor der systemsprengenden Kraft, die diese Problematik entwickeln könne.

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