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Die Kohlmeise ruft „Judith“

Wie es um die heimische Vogelwelt bestellt ist, soll die „Stunde der Gartenvögel“ zeigen

Amsel, Taube und Krähe sind nicht schwer zu unterscheiden. Auch Spatzen und Meisen können die meisten noch auseinanderhalten. Doch wie sieht eine Mönchsgrasmücke aus? Und ein Buchfink? Und vor allem: Wie singen sie?

Ein Mann hält das Bild eines Vogels in der Hand
Den Buchfink in der Hand: Martin Klatt mit einem Bild eines „Weizenbier-Vogels“. Im Hintergrund fliegt eine Krähe davon. Foto: Hans-Jürgen Collet

Einige schwarze Krähen und ein paar herumwuselnde Spatzen – mehr Vögel sind an diesem Vormittag im Rastatter Schlosspark nicht zu sehen. Doch der Schein trügt. Kaum steht Martin Klatt unter den Bäumen am Wehrgeschichtlichen Museum, horcht er bereits auf.

„Ein Buchfink“, sagt der Rastatter Nabu-Kreisverbandsvorsitzende erfreut. Und schiebt grinsend hinterher: „Der Weizenbier-Vogel.“ Denn das typische Trillern mit dem Aufwärtsschnörkel am Ende, das der spatzengroße Vogel mit dem graublauen Kopf singt, kann für Menschen auch mit „B-b-b-bring mir noch ein Weizenbier“ übersetzt werden.

„Und das ist nur eine von bestimmt 50 Eselsbrücken, die es für diesen extrem populären Vogel gibt“, sagt Klatt.

Nicht jeder Gartenvogel ist auch einer

Der Nabu-Mann hat so manchen eingängigen Spitznamen für die heimische Vogelwelt parat: Da gibt es etwa die weiblichen Kohlmeisen, die alle Judith heißen, weil der Gesang des Männchens so klingt, als würde er diesen Namen rufen: „Ju-dith, Ju-dith, Ju-dith.“

Oder die Mönchsgrasmücke, die Klatt auch gerne Turbo-Amsel nennt, weil es sich so anhört, als würde der Gesang der Amsel einfach ein paar Umdrehungen zu schnell abgespielt. „Wie früher auf dem Plattenspieler.“ Oder der Stieglitz, der wegen seines schwarz-gelben Gefieders bei Klatt auch gerne „BVB-Vogel“ heißt. „Die sind in diesem Jahr auffällig häufig“, sagt er und erstarrt kurz darauf lauschend. „Da, das war er gerade.“

Wer mit Klatt unterwegs ist, könnte den Eindruck gewinnen, es wimmelte nur so von heimischen Vögeln mit Frühlingsgefühlen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus. „Unterm Strich ist es eine negative Entwicklung. Es werden insgesamt weniger Vögel, sowohl Individuen, als auch Arten.“

Die Blaumeise etwa kam 2006 noch im Schnitt mehr als zwei Mal pro Garten vor. 2020 waren es nur noch durchschnittlich 1,3 Blaumeisen pro Garten. Diesen langfristigen Überblick über die Trends der Vogelpopulationen erhält der Nabu aus bundesweit organisierten Vogelstunden.

Im Winter lädt er zur „Stunde der Wintervögel“, im Frühjahr zur „Stunde der Gartenvögel“. An diesem langen Wochenende ist es wieder soweit.

Es werden insgesamt weniger Vögel, sowohl Individuen, als auch Arten.
Martin Klatt, Nabu Rastatt

Auch Dieter Peter ist ein Fan der „Stunde der Gartenvögel“ und als Vogelexperte beim Nabu Sinzheim aktiv. „Das ist wirklich ein tolles Projekt.“ Citizen Science oder Bürgerwissenschaft werden solche Projekte genannt, bei denen Laien eingebunden werden. „Da kommen wahnsinnige Mengen von Daten zusammen“, freut sich Peter, der über Jahre von der eigenen Veranda Gartenvögel gezählt hat.

Ein Mann vor einer Schwarzpappel
Viele Nistmöglichkeiten: Im Garten von Dieter Peter in Kartung gibt es zahlreiche Nistplätze, so auch diese Schwarzpappel. Foto: Dieter Peter

Dabei ist nicht jeder Vogel, der ein „Garten“ im Namen hat, überhaupt in einem Garten zu finden. Die Gartenammer ist so ein „falscher Freund“ – „die kommt überhaupt nicht in Gärten vor“, sagt Peter lachend. Oder die Gartengrasmücke. „Die ist viel seltener als die Mönchsgrasmücke.“

Auch ist es meist eben nicht der Gartenrotschwanz, der über die heimische Wiese hüpft, sondern der Hausrotschwanz, bei dem tatsächlich nur der Schwanz rot ist, der Bauch dagegen eher grauweiß.

Und selbst der Spatz ist nicht immer der Gartensperling, sondern gerne auch die Feldvariante. Wieso die dann überhaupt „Garten-Irgendwie“ heißen? Peter zuckt die Schultern: „Naja, zu Beethovens Zeiten kamen die dort durchaus häufig vor.“

Da kommen wahnsinnige Mengen von Daten zusammen.
Dieter Peter, Nabu Sinzheim

Es sind die oftmals viel zu aufgeräumten Gärten mit Pflanzen, die zwar schön aussehen, aber nicht heimisch sind, die den Vögeln zu schaffen machen. Dieter Peter ist deshalb auch stolz auf seinen Garten, der auf den ersten Blick zwar unaufgeräumt wirken mag, dafür aber ein regelrechtes Vogelparadies ist.

Ob er will oder nicht, welcher Vogel in seinem Garten wohnt oder dort Rast macht, bekommt er trotzdem mit. „Ich kann ja mein Gehör nicht abstellen.“ Weshalb sich Peter auch – anders als mancher Förster – keine Sorgen um den Zaunkönig macht. „Ich seh’ den vielleicht nicht, aber ich kann ihn hören.“

Eine Taube
Ringel- oder Türkentaube? Während die eine fünfsilbig singt („Nur Buße tut gut“), kommt die andere mit drei Silben aus („Du Kuh, du“). Foto: Hans-Jürgen Collet

Und im Internet finden sich nicht nur auf der Seite des Nabu viele Möglichkeiten, sich das Zwitschern der Tiere anzuhören. Apps, mit deren Hilfe man einen Vogelgesang automatisch bestimmen lassen kann, kennt Klatt nicht.

Und findet das auch gar nicht schlimm: „Wenn man alles nur der Technik überlässt, beschäftigt man sich nicht mehr intensiv mit dem, was um einen herum passiert.“ Und übersieht am Ende noch den Mauersegler, der gerade über dem Rastatter Schloss kreist.

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