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Verliebt, verlobt, verschoben

Hochzeiten in Mittelbaden: Manche Paare verschieben Trauung schon zum dritten Mal

Die Hochzeitsbranche liegt seit fast anderthalb Jahren brach. Auch in Mittelbaden leiden heiratswillige Paare und Dienstleister gleichermaßen an der Situation. Der ein oder andere zieht aber auch Positives aus der Krise.

Ein Hochzeitspaar steht vor Schloss Eberstein.
Traumhafte Kulisse: Ein Hochzeitspaar steht vor Schloss Ebertein in Gernsbach. Foto: Stephan Kaminski

Das Datum war perfekt. Der große Tag bis ins kleinste Detail geplant. Tamara und David Schnurr warten bis zum letzten Moment. Vergebens: Ihre Hochzeit muss verschoben werden – wie so viele andere auch. Die Corona-Pandemie lähmt eine ganze Branche. Verliebte Paare und Dienstleister ächzen. Das Hochzeitsgeschäft liegt seit fast anderthalb Jahren brach.

„Es ist eine schwierige Situation für jegliche Dienstleister, die in der Eventbranche tätig sind“, sagt Cassandra Koch. Die Rastatterin ist Hochzeitsplanerin. Kurz vor der Corona-Pandemie hat sie sich mit ihrer Agentur „Herzklopfen“ selbständig gemacht. „Das war nicht so schön, als dann der Lockdown im März kam“, erinnert sie sich.

Koch hat zum Glück noch ein zweites Standbein. Sie arbeitet in einem Fünf-Sterne-Hotel in der Schweiz als Eventmanagerin. Auch dort organisiert sie Hochzeiten. „Für mich ist die Situation aktuell weniger prekär.“

Für die kommenden zwei Jahre kämen auch Aufträge rein. Einnahmen hat Koch allerdings noch so gut wie keine generiert mit ihre Agentur. Die Hochzeitsplanerin ist aber überzeugt: „Irgendwann muss wieder geheiratet werden.“

Jetzt müssen wir das Ganze nochmal durchleben.
David Schnurr, Bräutigam

Bis Mitte April haben Tamara und David Schnurr gewartet. Das Paar sollte am 8. Mai im Schloss Favorite frei getraut werden. Ihr Sohn kam am 5. August zur Welt. „Das war unser Datum. Das Geburtsdatum unseres Sohnes rückwärts“, erklärt David Schnurr.

Wie die beiden nun wissen: Das Wetter hätte auch ganz gut gepasst. Das Pärchen hat die Hochzeit nun auf den 27. August, einen Freitag, verschoben. Das Datum sollte nicht so weit weg von der standesamtlichen Trauung im September im vergangenen Jahr sein. „Jetzt müssen wir das Ganze nochmal durchleben.“ Passt das Wetter? Passt es mit den ganzen Gästen? Können überhaupt alle kommen?

Manche Hochzeitspaare verschieben zum dritten Mal

Bernd Werner kennt die Situation nur zu gut. „Hochzeiten sind für uns mit 90 Veranstaltungen pro Jahr ein großes Thema“, sagt der Sternekoch und Pächter von Schloss Eberstein in Gernsbach. Die Pandemie stelle sein Team und die Brautpaare vor eine große Herausforderung.

Manche haben ihre Hochzeit laut Werner schon zum dritten Mal verschoben. Ein Drittel der Paare wolle abwarten und sich wieder melden. Zwei Drittel der Heiratswilligen haben ihre Hochzeit um zwei bis drei Monate oder gleich um ein ganzes Jahr verschoben. Drei Hochzeiten seien komplett abgesagt worden.

„Ein Pärchen meinte, ihre Hochzeit stehe wohl unter keinem guten Stern und hat deswegen komplett abgesagt“, erzählt Werner. Es ist eine hochemotionale Sache mit der Heirat.

Da muss ich auch vorsichtig sein. Ich will den Brautpaaren ja keine falsche Hoffnungen machen.
Cassandra Koch, Hochzeitsplanerin

Für die Hochzeitsplanerin Cassandra Koch ist es eine intime Sache. „Ich begleite die Paare über ein Jahr lang und manchmal auch darüber hinaus.“ Sie plant im Jahr etwa zehn Hochzeiten. So könne sie die bestmögliche Betreuung gewährleisten. Koch plant ihre Hochzeiten bundesweit und manchmal auch international.

Deshalb muss sie auch die Regelungen in den jeweiligen Bundesländern verfolgen, um den Überblick zu behalten. „Das ist gar nicht so einfach“, gesteht sie. Das Schlimme sei, dass sie keinerlei Vorhersage machen könne. „Da muss ich auch vorsichtig sein. Ich will den Brautpaaren ja keine falsche Hoffnungen machen.“

Es hänge ja auch davon ab, wie groß die Hochzeitsgesellschaft sei und ob manche Gäste aus dem Ausland anreisen müssen.

Feier hätte im Rantastic steigen sollen

Die Hochzeitsgesellschaft von Tamara und David Schnurr wäre etwa 70 Personen groß gewesen. Ein Teil hätte aus der Schweiz anreisen müssen. Die Feier hätte im Rantastic in Haueneberstein steigen sollen. Fotograf, DJ, das Essen – alles war organisiert.

„Das Rantastic war sofort offen für eine Verschiebung und hat uns sehr geholfen“, erzählt der Bräutigam. Es sei aber schwierig gewesen, wieder einen Samstags-Termin im August als Alternative zu finden.

Im Juni und Juli sei wegen der ganzen Schieberei aus dem vergangenen Jahr kein Termin frei gewesen. Deshalb wurde es ein Freitag. „Jeder, der eine Hochzeit organisiert, kennt den Stress“, meint David Schnurr.

Trauredner steht Brautpaaren bei

Trauredner Martin Braun fasst die Situation so zusammen: „Es ist jetzt anderthalb Jahre tote Hose. Ich habe vielen Paaren beigestanden, die bereits zum dritten Mal verschieben mussten.

Braun betreibt mit seiner Frau Gabriela Gráczová-Braun die Agentur „Traureden4U“ in Baden-Baden. Für ihn ist es ein Nebenberuf, den er aus „tiefster Überzeugung und Begeisterung macht“. Seit zwei Wochen kommen wieder vereinzelte Anfragen rein. Braun befürchtet, dass es nächstes Jahr schwierig werden könnte, eine passende Location für eine Hochzeit zu finden.

Wir sind gut durch die Pandemie gekommen. Es hat einiges an Geld gekostet.
Bernd Werner, Sternekoch und Pächter Schloss Eberstein

Bernd Werner bestätigt, dass sein Haus durch die vielen Verschiebungen eine Bugwelle vor sich her schiebt. „Es war aber schon immer so, dass wir ein Jahr im Voraus belegt waren“, erklärt er. Er erinnert auch an die ganzen runden Geburtstage, Jubiläen und Firmenevents, die wegen der Corona-Pandemie nicht gefeiert werden konnten.

Der Sternekoch ist überzeugt davon, dass diejenigen, die die Räume haben, die Mitarbeiter und überzeugende Dienstleistungen anbieten, aus der Krise gestärkt hervorgehen werden. Er selbst sei mit seinem Team gut durch die Pandemie gekommen.

„Es hat aber unsere private Reserve angegriffen. Es hat einiges an Geld gekostet“, betont Werner. Er habe aber 15 Jahre gut gearbeitet, Corona werfe ihn nicht um.

Hochzeitsplanerin vermittelt positive Grundstimmung

Die Situation ist für ein Unternehmen nicht gerade die schönste, sagt Cassandra Koch. Die Hochzeitsplanerin bleibt aber positiv. „Von der finanziellen Sicht her ist es schon ein Einbruch, weil man sich schon vorgestellt hat, dass es läuft“, sagt sie. Man müsse aber auch etwas risikobereit sein, es komme ja nichts vom Himmel geflogen. Die positive Grundstimmung vermittelt sie auch ihren Kunden.

„Es bringt nichts, den Kopf hängen zu lassen.“ Koch hat die Zeit genutzt, um Dinge anzugehen, für die vorher keine Zeit war. Oder sie arbeitet mit anderen Dienstleistern an etwas Kreativem: Wie etwa mit Fotografen zusammen, um das Portfolio aufzufüllen.

Die Kontaktpflege sei ein wichtiger Faktor, den sie aus der Pandemie gelernt hat. „Es ist auch wichtig, dass man sich nicht aus den Augen verliert, nur weil man gerade an keiner Hochzeit arbeitet“, betont Koch.

Es war eine reinigende Sache für mich.
Stephan Kaminski, Fotograf

Der Fotograf Stephan Kaminski sieht die Pandemie als Chance für sich. Die Hochzeitsfotografie macht ungefähr ein Viertel seines Portfolios aus. Er fotografiert seit seiner Ausbildung im Jahr 1999 wochenendweise Hochzeiten. Im Schnitt sind das pro Jahr zwischen 20 und 25 Feiern.

„Ich habe bemerkt: Hey Stephan, du musst daran was ändern, wenn du den Biss und die Freude an der Fotografie beibehalten willst“, erzählt er. Seit Jahren habe er sich gesagt, er wolle ein Sabbat-Jahr einlegen. Im Jahr 2018 sei er knapp an einem Burnout vorbeigeschrammt. Das Sabbat-Jahr hatte er nun unverhofft.

„Es war eine reinigende Sache für mich“, sagt er und betont: „Natürlich hat es viele Menschen stark getroffen. Das wünscht sich niemand.“ Hochzeiten wird er weiter fotografieren, aber weniger. Im vergangenen Jahr hat er sechs Hochzeiten fotografiert.

Das ein oder andere Paar hätte auch die Chance ergriffen, um während der Pandemie im ganz engen Kreis zu heiraten. Kaminski ist von Gernsbach ins Eisenwek nach Gaggenau umgezogen. In seinem neuen Studio hat er nun mehr Möglichkeiten.

Bis August stehen für Tamara und David Schnurr noch ein paar Kleinigkeiten an. Die Menü-Karten müssen noch gemacht werden. „Mit solchen Bastelsache wollten wir noch nicht anfangen, wenn man nicht weiß, ob die Hochzeit stattfindet“, erzählt Schnurr. Auch ob das Essen so bleibt, weiß das Paar noch nicht. „Das müssen wir uns nochmal überlegen.“

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