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Nach Aus der Ostanbindung

Anwohner der Hügelsheimer Hauptstraße erzählen vom Leben mit dem Lärm

Enttäuschung, Frust und Ärger - das sind die Gefühle, die bei vielen Hügelsheimern überwiegen, nachdem das Regierungspräsidium Karlsruhe die Ostanbindung des Baden-Airparks an die Autobahn 5 gekippt hat. Vier Dorfbewohner wollen nicht klein beigeben.

Wie eine Wand: Ein Lastwagen schiebt sich hinter Volker Lorenz und Michael Weber (von links) über die Hauptstraße. Das Tempolimit bringt wenigstens ein bisschen Erleichterung.
Wie eine Wand: Ein Lastwagen schiebt sich hinter Volker Lorenz und Michael Weber (von links) über die Hauptstraße. Das Tempolimit bringt wenigstens ein bisschen Erleichterung. Foto: Swantje Huse

Verkehr sei schon immer viel auf der Hauptstraße unterwegs gewesen - immerhin ist es die Hauptstraße - aber so viel wie heute dann doch nicht. „Als wir Kinder waren, da war es noch möglich zu sagen, ich fahr’ mit dem Rädel mal schnell zu einer Freundin“, erinnert sich Miriam Wassermann.

Inzwischen ist sie 39, selbst Mutter und sagt ganz klar: „Das geht heute nicht mehr.” Umso enttäuschter ist sie von der Entscheidung des Regierungspräsidiums Karlsruhe, die Ostanbindung des Baden-Airparks an die Autobahn zu kippen.

Ohne Ampel kaum eine Chance: Miriam Wassermann und ihr kleiner Sohn warten auf Grün, während die Blechlawine vorbeirollt.
Miriam Wassserman wohnt und leidet an der Hauptstraße. Foto: Hans-Jürgen Collet

Wird der Verkehr weniger, wird er auch schneller

Wassermann ist seit inzwischen elf Jahren für die CDU im Gemeinderat aktiv, ist Stellvertreterin von Hügelsheims Bürgermeister Reiner Dehmelt, doch vor allem ist sie Anwohnerin der Hauptstraße - von Kindesbeinen an. „Ich bin da reingewachsen, hier groß geworden”, erklärt sie, warum sie in der Hauptstraße wohnen bleibt.

Obwohl ihre Kinder sich nicht mal eben aufs Rädel setzen können, um Freunde zu besuchen. Obwohl sie ihre Mutter und ihre Oma anschreien muss, wenn sie sich im Hof mit ihnen unterhalten will. Obwohl sie bei der Schweinehitze der vergangenen Wochen ihr Schlafzimmerfenster nicht mal nachts öffnen kann.

Wenn man in der Hauptstraße wohnt, wird man unterbewusst nervös.
Miriam Wassermann, Anwohnerin

„Da ist ständig ein Rauschen, ständig ein Hintergrundgeräusch. Wenn man in der Hauptstraße wohnt, wird man unterbewusst nervös.” Und aggressiv. „Wir haben hier eigentlich Tempo 30. Doch sobald der Verkehr lichter wird, wird schneller gefahren. Da ist man sofort auf 180.“

Besucher kondolieren manchmal wegen der Wohnsituation

Wenn die Wassermanns Besuch bekommen, wird ihnen inzwischen schon zu ihrer Wohnsituation kondoliert. Und auch die Frage, warum sie nicht einfach wegziehen, hat Miriam Wassermann schon gehört. „Ganz ehrlich? Da wird man wütend. So eine Ignoranz. Es muss doch andere Wege geben, das ist hier meine Heimat”, ärgert sie sich.

Das sieht Christoph Rösinger ganz ähnlich. Seine Eltern wohnen in der Hauptstraße, er selbst hat ein Grundstück in der Römerstraße gekauft, Garten an Garten zu seinen Eltern gebaut. „Trotzdem kriegt man den Lärm noch mit”, erzählt Rösinger, der seit Kurzem für die Freie Wählergemeinschaft im Gemeinderat sitzt.

Geduld gefragt: Wenn Christoph Rösinger mit dem Rad unterwegs ist, plant er für die Hauptstraße durchaus mal fünf Minuten mehr ein.
Geduld gefragt: Wenn Christoph Rösinger mit dem Rad unterwegs ist, plant er für die Hauptstraße durchaus mal fünf Minuten mehr ein. Foto: Hans-Jürgen Collet

Den Bau seines Hauses hat er mit Bedacht vorangetrieben, im Schlafzimmer keine Fenster in Richtung Hauptstraße eingeplant. Und doch - der Lärm ist auch ein steter Begleiter der Rösingers. Doch auch für ihn gab es keine Alternative zu Hügelsheim, zur Nähe zu seiner Familie. „Zum Teil stehen schon Wohnungen an der Hauptstraße leer.“

Würde jeder lärmgeplagte Anwohner der Hauptstraße diese Konsequenz ziehen, würde die Blechlawine schon bald durch eine Geisterstraße rollen. Ein Szenario, das sich niemand für den Ort wünschen könne, ist Rösinger sicher. Abgesehen davon, dass viele der Menschen in der Hauptstraße die 70 überschritten und keinen Umzug mehr in ihrer Lebensplanung vorgesehen haben.

Rösinger schüttelt den Kopf: „Ich bin selbstständig. Ich kann einfach nicht nachvollziehen, dass ein Projekt so lange braucht und dass die Hügelsheimer nicht einbezogen werden.“

Baden-Airpark war nie der Fokus

„Wir dürfen uns von Außenstehenden nicht sagen lassen, was gut für uns ist“, sagt auch Michael Weber. Er ist selbst kein Anwohner der Hauptstraße, aber Hügelsheimer. Und als solcher hat er sich in den vergangenen drei Jahren gemeinsam mit Volker Lorenz aktiv für die Ostanbindung eingesetzt.

Quote

Völlig überrascht wurden die beiden von der Entwicklung nicht, immerhin hatte der Nabu schon früh eine Klage gegen diese Variante angekündigt. „Aber wir haben nicht erwartet, dass das Verfahren eingestellt wird. Wir hatten mit einer Anhörung gerechnet.“

Sein Mitstreiter ergänzt: „Wir sind zwar nicht die Hauptleidtragenden. Aber wir sind sehr enttäuscht.” Auch wenn Lorenz und Weber die Ostanbindung bevorzugt haben - der Baden-Airpark ist nicht der Fokus ihrer Arbeit gewesen. „Der Flugplatzverkehr und seine Anbindung interessieren uns gar nicht”, macht Lorenz deutlich. „Uns interessiert Hügelsheim. Hügelsheim muss selbst bestimmen, was es macht.”

Und Weber betont: „Wir dürfen nicht wieder nur eine Gegenvariante sein.“

An diesem Perspektivwechsel wollen die vier nun arbeiten. „Wir sind wieder auf Anfang”, sagt Weber. Doch das heißt nicht, dass es keine Pläne gibt. „Wir wollen uns breiter aufstellen, die Leute für uns gewinnen, gemeinsam mit dem Gemeinderat Ziele und Maßnahmen definieren, um die dann auch einfordern zu können“, beschreibt Lorenz die Arbeit, die in den nächsten Wochen und Monaten auf ihn und Weber zukommen wird.

Initiative will das ganze Dorf mobilisieren

„Das dauert. Wir kriegen keine schnelle Wirkung, das wissen wir.” Der Gemeinderat hat bereits eine Arbeitsgruppe gebildet, erklärt Wassermann. Eine erste Presseaktion ist vergangene Woche auch schon über die Bühne gegangen. In wenigen Wochen soll eine Demo auf der Hauptstraße stattfinden - wie viele Hügelsheimer sich beteiligen, ist noch völlig offen.

Rösinger: „Wir wollen das ganze Dorf mobilisieren und zeigen, dass seit 25 Jahren etwas schief läuft.“ Neben Flyern und Plakaten soll es eine eigene Webseite geben und die Social-Media-Kanäle bespielt werden. Ob da die leidgeplagte Hauptstraße selbst twittert oder eher Posts über die nächsten Aktionen online gehen, wird noch geplant.

Eins steht allerdings fest - kampflos wollen sich zumindest diese vier Hügelsheimer der Situation nicht ergeben. „Wenn man mit dem Rücken zur Wand steht“, sagt Wassermann, „dann verteidigt man sich bis aufs Blut.“

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