Skip to main content

Sportevent mit Stilbewusstsein

Pferdestärke statt hoher Promidichte soll das Rennen in Iffezheim prägen

Die Erlebniswelt Rennbahn befindet sich im Wandel der Zeit: Beim Baden Galopp steht nach 50-jährigem Bestehen der Sport wieder im Vordergrund.

Am Vatertag lockt wieder das beliebte Maskottchen-Rennen. Ansonsten setzt Baden Galopp lieber auf echte Pferdestärken.
Am Vatertag lockt wieder das beliebte Maskottchen-Rennen. Ansonsten setzt Baden Galopp lieber auf echte Pferdestärken. Foto: Ralf Joachim Kraft

Als der neue Rennbahnbetreiber Baden Galopp die Bühne betrat und ab 1. April 2021 in Iffezheim die Zügel in die Hand nahm, war recht rasch klar: Mehrheitsgesellschafter Peter Gaul und der geschäftsführende Gesellschafter Stephan Buchner setzen im Vergleich zum Vorgänger Baden Racing andere Prioritäten, was das Verhältnis „Pferdesport und Rahmenprogramm“ betrifft.

„Wir möchten, dass die Galopprennen selbst wieder als großartiges Erlebnis erfahren werden. Unser Konzept stellt den Pferdesport in den Vordergrund und möchte die Menschen wieder stärker ins Galopp geschehen einbinden“, erklärt Buchner und fügt hinzu: „Das Rahmenprogramm ist nötig, spielt aber nicht die Hauptrolle. Es ist eher Beiwerk.“

Vor 30 Jahren habe es auf den Rennbahnen noch gar kein Rahmenprogramm gegeben. Die Menschen seien der Rennen wegen gekommen. Aber die Zuschauer hätten sich seither geändert. „Das heutige Event-Publikum erwartet mehr als Pferdesport. Da stellt sich für uns jedoch die Frage, wie viel wir ,mehr‘ wir zulassen wollen, ohne zu riskieren, dass der Sport in den Hintergrund gerät.“

Jeder ist Willkommen ob mit Hut oder Ohne

Ein Meeting müsse an den Pferden und den Rennen orientiert sein. Alles, was sie nicht stört, sei auch in Ordnung. Und jeder, der gerne komme, sei auch willkommen – ob mit oder ohne Hut, im Frack oder in Jeans. Es stehe außer Frage, dass sich der Galoppsport zu einem populären Freizeitvergnügen entwickelt hat und ein gewisses Maß an Beiprogramm nötig sei.

Schließlich gehe es auch darum, neues junges Publikum auf die Bahn zu locken und es auf den Geschmack zu bringen. Bewährte Formate würden daher beibehalten. Gleichwohl dürfe der Kern solcher Veranstaltungen nicht vergessen werden. Und das seien eben die gesetzlich vorgeschriebenen Zucht-Leistungsprüfungen für Rennpferde, die letztlich dem Erhalt dieser Tiere dienen.

Zeitreise in die Vergangenheit

Und wie war das eigentlich früher? Ein Blick in die Historie: Seit Edouard Bénazet 1858 nach Pariser Vorbild in Iffezheim seine Galopprennbahn anlegte, sorgen hier Rennpferde für knisternde Spannung. Doch auch die unterhaltsam-faszinierenden Momente kamen nie zu kurz. Die Crème de la Crème der Gesellschaft gab sich ein Stelldichein, Könige, ja selbst Kaiser fühlten sich hier wohl.

Neben großem Sport gehörten Glitzer und Glamour schon immer irgendwie dazu. Wenn in der Blütezeit des Iffezheimer Galoppsports ab den 1970er bis in die 1990er Jahre die schnellsten Vollblüter der Welt um Preise und Prämien kämpften, ließen sich die Promis diesen gesellschaftlichen Aufgalopp selten entgehen. Liselotte Pulver, Senta Berger oder Johannes Heesters wurden hier ebenso gesichtet wie Zsaza Gabor, Heiner Lauterbach, Joachim „Blacky“ Fuchsberger, Udo Jürgens oder Howard Carpendale, um nur ganz wenige zu nennen.

Die Promis kamen freiwillig und in Scharen. Neben dem Jetset und den Showgrößen tummelte sich freilich stets auch das einfache Volk in großer Zahl im Mekka des deutschen Turfs. Alle Bevölkerungs- und Gesellschaftsschichten fanden in diesem großen Schmelztiegel zusammen. Ab den 2000er Jahren nahm die Promidichte aber zunehmend ab. Die Ereignissportart begann zu kränkeln. Die Wettumsätze schrumpften, die Medienpräsenz nahm ab.

Baden Racing reagierte und machte das vor 50 Jahren ins Leben gerufene Frühjahrsmeeting zum Familien-Event, die Große Woche zum VIP-Event und das immer üppigere Rahmenprogramm zum Event schlechthin. Bald hatten viele Einheimische den Eindruck, dass der Laufsteg beim „Ladies Day“, die Auftritte der drahtigen Gazellen beim „Fitness-Day“ oder der skurrile Hutwettbewerb „Longines Prize for Elegance“ fast wichtiger waren als die Rennen.

Promi-Treff in Iffezheim

Die Stars kamen zwar immer noch, weil sie Teil der neuen Strategie waren. Aber sie kamen, wie gemunkelt wird, nicht ganz unentgeltlich. Bereits der Internationale Club, der 2009 Konkurs anmelden musste, hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass er sogenannte „Rundum-Sorglos-Pakete“ für besondere Gäste schnürt.

In den vergangenen Jahren kamen dann statt der echten Stars fast nur noch die „Superstars“, Sternchen, Models, Schönheitsköniginnen, Influencer*innen, Reality-TV-Größen, „Bachelor“-Gespielinnen, Dschungelcamper und TV-Moderatoren. Hieß es früher im Führring: „Ach, haben Sie schon gesehen, wer da vorne steht?“, so fragten später die Kollegen von der Yellow Press. „Wissen Sie, wen ich da gerade fotografiert habe?“

nach oben Zurück zum Seitenanfang