Sergiy Kelm muss nicht ins Gefängnis. Doch dass der 69-jährige Rentner mit Rollstuhl und Pflegegrad 5 Weihnachten nicht in der Zelle feiern muss, hat nichts mit einem Umdenken der Justiz zu tun.
Ein Bruchsaler Autohändler hat am frühen Freitagmorgen 280 Euro an die Staatsanwaltschaft in Baden-Baden überwiesen. Damit ist die Reststrafe des schwerbehinderten Mannes bezahlt.
Mehr als 50 Leser wollen helfen
Doch der Autohändler war nicht der einzige, dem das Schicksal des Mannes aus Iffezheim naheging. Weit mehr als 50 Menschen meldeten sich schon früh am Freitag bei der Redaktion der Badischen Neuesten Nachrichten, um dem Verurteilten zu helfen.
„Das kann doch nicht sein, dass man den Mann wegen 280 Euro ins Gefängnis steckt“, sagte eine Rentnerin aus Rastatt. Sie wollte direkt von ihrer kargen Rente etwas abgeben.
Ich schäme mich für die Justiz.Ein Rechtsanwalt aus Karlsruhe
Eine Karlsruherin sagte, sie schäme sich für einen Staat, der Strafen so hartherzig eintreibe. Ein Rechtsanwalt, der ebenfalls die Strafe übernehmen wollte, sagte, er sei sprachlos. Er schäme sich für die Justiz und habe sich bereits an die Staatsanwaltschaft gewandt.
Zu diesem Zeitpunkt war die Überweisung des Unternehmers aus Bruchsal aber schon auf dem Konto der Staatsanwaltschaft angekommen.
Rechtspfleger versechsfachte die Rate
Die BNN hatten am Freitag über den Fall des Rentners berichtet. Er war 2015 wegen Betrugs zu einer Geldstrafe von 650 Euro verurteilt worden.
Weil er nur 83 Euro Rente bekommt und von sozialer Grundsicherung lebt, hatte der Richter ihm zugestanden, die Strafe in Monatsraten à fünf Euro abzustottern.
28 Tage Haft mit Pflegegrad 5 drohten
Diese Regelung hat ein Rechtspfleger widerrufen und die Rate auf 30 Euro hochgesetzt. Weil der Iffezheimer trotzdem weiter nur fünf Euro pro Monat überwies, bekam er die Ladung zum Antritt einer Ersatzfreiheitsstrafe.
28 Tage sollte er sitzen. Zuletzt hatte die Staatsanwaltschaft eine amtsärztliche Untersuchung anberaumt, um zu überprüfen, ob der Mann, der täglich drei Mal vom Pflegedienst versorgt wird, haftfähig ist oder nicht.
Das darf ja nicht wahr sein.Katrin Schütz, Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium
Der Fall schlug Wellen bis ins Stuttgarter Wirtschaftsministerium. Auch Staatssekretärin Katrin Schütz war unter den Anrufern, die für die Strafe des Mannes einstehen wollten.
„Das darf ja nicht wahr sein.“ Die Politikerin aus Ettlingen erinnerte sich, dass es zumindest für Menschen aus Karlsruhe in solchen Situationen einen Hilfsfonds der Stadt gäbe. Für den Rentner aus Iffezheim ist ein solcher lokaler Fonds hingegen nicht zuständig.
Ich bedanke mich recht herzlich.Sergiy Kelm, Rentner
Doch mit der Bezahlung der Reststrafe ist nun eine Last von den Schultern des Frührentners genommen. Eine Vertreterin der Staatsanwaltschaft bestätigte auf Nachfrage, dass die Haftandrohung mit der Zahlung der Strafe nun vom Tisch sei.
„Ich bedanke mich recht herzlich“, sagte Sergiy Kelm, von der Hilfsbereitschaft überwältigt. Und diese Hilfsbereitschaft gab auch all den Menschen etwas, die ihre Hilfe anboten, letztlich aber in diesem Fall nicht mehr gebraucht wurden.
„Das ist doch eine schöne Botschaft“, sagte eine der Anruferinnen. „Die Menschlichkeit ist ja noch da.“