Wenn der Öffentliche Personennahverkehr (ÖPNV) attraktive Angebote macht, sind viele Menschen bereit, ihr Auto stehenzulassen und dafür Busse und Bahnen zu nutzen. Das ist ein Ergebnis einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „ÖPNV – Strategie in Mittelbaden: Erfolg oder Desaster?“ am Freitagabend.
Der Landtagsabgeordnete Thomas Hentschel (Grüne) hatte dazu Experten und Bürger ins Rossi-Haus eingeladen und etwa 40 Interessierte nutzten die Gelegenheit sich zu informieren. Mario Mohr, der Dezernent für Mobilität im Landratsamt Rastatt führte aus, dass die Fahrgastzahlen der Regiolinien (X-Busse) zuletzt signifikant gestiegen sind.
Zahl der Fahrgäste zum Baden Airpark hat sich mehr als verdoppelt
Als die Verbindung von Rastatt zum Baden Airpark (X34) im Jahr 2018 an den Start ging, wurden insgesamt 135.000 Fahrgäste gezählt. Im vergangenen Jahr nutzten mehr als doppelt so viele Menschen diese Linie, nämlich 393.000.
Dabei muss aber berücksichtigt werden, dass im Vorjahr 2021 zusätzlich Bühl in den Streckenplan mit aufgenommen wurde. Ähnlich hoch sind die Fahrgastzahlen mit 387.000 auf der Strecke von Bühl über Baden-Baden nach Bad Herrenalb (X44).
Auf der Strecke von Baden-Baden in Richtung Nationalparkzentrum Ruhestein (X45) erhöhte sich die Zahl der Passagiere von 103.000 im Jahr 2021 auf 148.000 im vergangenen Jahr 2022.
Im Gespräch mit dieser Redaktion äußerte sich Mohr auch zu dem Antrag von Grünen und SPD im Baden-Badener Gemeinderat, wonach die X-Busse mit Fahrradständern ausgestattet werden sollen: „Dann sind die Fahrpläne nicht zu halten!“, betonte der Dezernent.
S7 verbindet seit 1994 Karlsruhe, Rastatt und Baden-Baden miteinander
Als Vertreter des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV) nahm als Mitglied der Geschäftsleitung Olaf Strotkötter an der Diskussion teil. Er skizzierte kurz die Erfolgsgeschichte der Stadtbahn, die 1994 mit der S7 erstmals Karlsruhe, Rastatt und Baden-Baden miteinander verband.
1996 ging dann der Albtalbahnhof in Betrieb und 2002 löste sie auf der Murgtalstrecke die Züge der Deutschen Bahn ab, die damals jeden Tag etwa 4.000 Menschen beförderten, heute sind es 12.000. Hentschel betonte, dass es bei der Stärkung des ÖPNV um den Klimaschutz geht.
Das Ziel seiner Partei sei es daher, bis ins Jahr 2030 die CO2-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 55 Prozent zu verringern. Dazu soll der öffentliche Verkehr verdoppelt und die Zahl der Autos um ein Fünftel reduziert werden.
Die Bürger sollen weiter jeden zweiten Weg selbstaktiv, das heißt zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen. Und jedes zweite Auto müsste klimaneutral fahren, also beispielsweise mit einem Elektroantrieb ausgestattet sein. Ähnlich müsste die Verkehrswende auch im Gütertransport aussehen und jede zweite Tonne von der Straße auf die Schienen verlagert werden.
Klimabündnis Rastatt kritisiert aktuelle Situation im ÖPNV
Sieghard Oberacker, der Sprecher des Klimabündnisses Rastatt betonte mit Blick auf Zugausfälle und Verspätungen: „Das Bahnfahren ist im Moment zum Abgewöhnen“. Die CO2-Emissionen hätten zugenommen, weil auch die Zahl der Autos zugenommen hat und diese auch immer größer würden.
Jeden Tag würden sieben Menschen auf deutschen Straßen sterben und 130 schwer verletzt, fuhr Oberacker fort. Es gelte, die Fahrradinfrastruktur auszubauen. Und er ergänzte: „Eine Studie hat gezeigt, dass Fahrradfahrer im Vergleich zu Autofahrern um bis zu 24 Prozent weniger an Herzproblemen leiden“.
Kritik am ÖPNV stammt wahrscheinlich von Leuten, die diesen in den letzten 10 Jahren nicht genutzt haben.Charlotte Kämpf, Sprecherin des KVV-Fahrgastbeirates
Charlotte Kämpf, die Sprecherin des KVV-Fahrgastbeirates berichtete von ihren Einblicken in die Reklamationsstatistiken und betonte: „Kritik am ÖPNV stammt wahrscheinlich von Leuten, die diesen in den letzten 10 Jahren nicht genutzt haben. Die Kritik der tatsächlichen Nutzer dürfte besser ausfallen.“
Mehrere Teilnehmer wiesen auch auf den Fachkräftemangel hin. „Wir haben massive Probleme, Fahrer für Busse und Bahnen zu bekommen“, stellte Strotkötter fest. Daher versuche man zunehmend, auch anerkannte Asylbewerber zu gewinnen, und konnte vermelden: „Derzeit bilden wir gerade eine Frau aus Afghanistan aus“.