Eigentlich wäre Beate Sprogis jetzt mitten in der weihnachtlichen Hochsaison, würde das Geld für die kommenden sechs Monate verdienen. Doch in ihrem Bastel- und Schmuckladen in Ottersdorf ist kein Kunde. Auch die Kunsthandwerker, Advents- und Weihnachtsmärkte, auf denen Sprogis sonst ihren Schmuck verkauft, fallen weg. „Der erste Lockdown war die Hölle. Da habe ich echt Depressionen gekriegt“, sagt sie.
Jetzt während des zweiten Lockdowns muss sie ihren Laden nicht schließen. Dass „Beates Perlentraum“ geöffnet ist, wüssten aber viele gar nicht, erzählt die Inhaberin. Das liege an der „Panikmache von der Regierung und in der Presse“. Die Leute würden sich deshalb gar nicht mehr in die Stadt trauen, kauften lieber im Internet bei Amazon.
Der erste Lockdown war die Hölle.Beate Sprogis / Inhaberin eines Bastelladens
Im Sommer habe sie an einem Wochenende noch einen Perlenworkshop geben können. „Das haben sich die Leute gegönnt, schließlich konnten sie ja nicht in den Urlaub fahren“, sagt Sprogis. Jetzt kämen nur noch vier oder fünf Leute pro Tag in ihren Laden. Stifte zum Steine-Bemalen, Stroh- und Papiersterne liegen gerade im Trend, sagt Sprogis, Glitzer sei dafür wieder out.
Wenig glamourös ist auch die Lage von Marianne Seitz aus Plittersdorf. Sie bietet Bastelworkshops für Vereinsfeste, Familienfeiern und Kindergeburtstage an. Doch die werden abgesagt oder finden im kleinsten Kreis statt. Ihren letzten Bastelworkshop gab sie vor vier Wochen.
Zu Beginn der Corona-Pandemie sei die Nachfrage groß gewesen, nach Ostern kam dann der Einbruch. Den merke selbst der Bastel-Großhandel, betont Seitz. Seit vier Jahren hat sie ihren Laden in der Schulstraße. Auch vor der Corona-Pandemie sei sie noch in den roten Zahlen gewesen. Jetzt wird sie von ihrer Familie finanziell unterstützt.
Eine steigende Nachfrage nach dem ersten Lockdown konnte Martin Mörmann in seiner „Künstlerecke“ in Rastatt nicht feststellen. In seinem Geschäft bietet er Künstlerfarben und Malzubehör an. „Seit September, Oktober ist es ganz schlimm. Die Leute kommen nicht. Normalerweise sind es fünf bis acht am Tag. In der letzten Zeit kommen vielleicht noch drei.“ Am Geld allein könne es nicht liegen, ist sich Mörmann sicher: „Zwischen den beiden Lockdowns saßen die Leute ja in den Restaurants und Cafés. Die kaufen jetzt halt im Internet ein.“ Mit Maske und ohne Kaffee oder Eis zwischendurch mache der Einkaufsbummel schließlich auch keinen Spaß mehr.
Drogeriemarktkette profitierte von erstem Lockdown
Großer Profiteur des ersten Lockdowns hingegen war der Laden einer großen Drogeriemarktkette in Rastatt. Wegen der Drogerieartikel durfte er geöffnet bleiben. „Da Schulen und Kitas geschlossen waren, kamen viele Eltern, um Bastelutensilien einzukaufen“, erzählt eine Verkäuferin. „Farben, Leinwände, Malbücher, alles was mit Basteln zu tun hat, war weg. Die Regale waren leer. Selbst die Heißklebepistolen waren ausverkauft.“
Auch die Schreibwarenläden scheinen die Pandemie bisher unbeschadet überstanden zu haben. Da sie Zeitungen und Zeitschriften verkaufen, hatten die Läden „Feil“ in Durmersheim und „Huke“ in Bietigheim während des ersten Lockdown ebenfalls geöffnet. Einbußen hatten sie keine. Nur die Bastelutensilien für Martinslaternen hat Georg Huke in diesem Jahr aus dem Sortiment genommen. Der Martinsumzug finde ja nicht statt.
Stadtbild verändert sich langsam: kleinere, inhabergeführte Läden haben große Schwierigkeiten
Für Michael und Nora Pfeffinger brachten die Corona-Maßnahmen das Fass zum überlaufen. „Corona hat uns den Rest gegeben, deshalb haben wir im Sommer 2020 früher als geplant den Laden aufgegeben. Es hat keinen Sinn mehr gemacht.“ 35 Jahre lang gab es im Familien-Farbenfachgeschäft Pfeffinger am Rastatter Marktplatz alles rund ums Basteln.
Corona hat uns den Rest gegeben.Michael Pfeffinger / ehemliger Inhaber eines Bastelgeschäfts
Durch Corona sei der Umsatz um 50 Prozent eingebrochen. Doch schon vor Corona hätten ihnen die Baustellen in der oberen Kaiserstraße, die fehlenden Parkplätze und die Miete zu schaffen gemacht. Gegen die Konkurrenz durch Supermärkte, Drogerieketten und Discounter sowie dem Onlineverstand kämen kleine Geschäfte einfach nicht an, sagt Michael Pfeffinger. Diese müssten dann nach und nach aufgeben, die Städte würden veröden.
Für das Ladensterben trage die Stadt Rastatt die Hauptverantwortung, meint Pfeffinger. Sie habe sich nicht für die kleinen Geschäfte eingesetzt und die Ausbreitung der großen Ketten zugelassen. Die Stadt müsse deshalb nun auch die Kosten für die Digitalisierung der kleineren Läden tragen, fordert er.
Die Stadt weist die Vorwürfe zurück. Man unternehme sehr viel, um die Aufenthaltsqualität von Rastatt zu verbessern, wie etwa die Neugestaltung der oberen Kaiserstraße, sagt Pressesprecherin Heike Dießelberg.
Doch nicht nur in Rastatt bangen die Bastelläden um ihre Existenz. Auch in Durmersheim ist das traditionsreiche Schreibwaren- und Modegeschäft Kässinger dem Wandel des Konsumverhaltens zum Opfer gefallen. Schreibwaren, Bücher, Spielzeug und Damenmode spülten kein Geld mehr in die Kasse. Nach 94 Jahren hat Peter Kässinger seine Ladentüre für immer geschlossen.